Samstag, Juli 27, 2024

Nehamjahu oder Untergang

Vor dem Endkampf der ÖVP:

Mit bevorstehenden Anklagen und Wahlniederlagen wird es für die ÖVP finster. Es gibt nur ein rettendes Ufer. Dort wartet Herbert Kickl auf sie.

 

Wien, 15. Jänner 2023   Seit Wochen bin ich auf der Suche nach einer geheimnisumwitterten Liste. Auf ihr sollen alle Spitzenfunktionäre der ÖVP, die kein Amt missbraucht, keine Parteispende verschleiert, kein Parteibuch gefördert, weder Verfassung noch einfache Gesetze gebrochen haben und weder Täter noch Mitwisser waren, aufgelistet sein. Ich habe gehört, dass diese Liste sehr kurz sein soll. Bis jetzt kenne ich keinen dieser Namen.

Sebastian Kurz ist nicht auf dieser Liste. Die WKStA will ihn anklagen, zuerst einmal wegen falscher Zeugenaussage im U-Ausschuss. Weitere Anklagen gegen den Ex-Heiland der ÖVP sind in Vorbereitung. Es überrascht, dass mögliche Fluchtgefahr nicht geprüft wird.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Klubobmann August Wöginger sind auch nicht darauf. Sie sind Beschuldigte wie viele andere ihrer Gesinnungsgenossen und scheinen wild entschlossen, die Zeit bis zu möglichen Anklagen im Amt auszusitzen.

Karl Nehammer und Johanna Mikl-Leitner sind noch nicht Beschuldigte. Aber wenn die Staatsanwaltschaften, die bereits die Spuren der illegalen ÖVP-Finanzierung durch Inserate und „Zuwendungen“ von Regierungen und ihren Unternehmen verfolgen, können aus den „unbekannten Tätern“ schnell gute Bekannte werden.

Wer könnte also auf dieser Liste der guten Schwarzen stehen? Wer an den Spitzen von Bundespartei, Landesregierungen, Gemeinden, Bünden und Kammern hat nichts gewusst und nichts getan?

„Immer schon so“

Genau an diesem Punkt werfen sich journalistische Mitläufer in die Brust und verkünden: „Aber das war immer schon so!“ Auf die Gegenfrage „Aber warum habt ihr dazu immer geschwiegen?“ fällt ihnen nichts ein.

Die medialen Mitläufer haben im Kern recht, aber sie übersehen zwei entscheidende Details:

  1. Sebastian Kurz wollte mehr. Seine Vorbilder waren Orbán und Netanjahu, die Pioniere der Umwandlung demokratischer Rechtsstaaten in kleptokratische Unrechtsstaaten. Genau das wollte Kurz.
  1. Kurz ist gescheitert, weil der österreichische Rechtsstaat den Kampf aufgenommen hat. „Untreue“, „Bestechlichkeit“ und „Amtsmissbrauch“ sind plötzlich keine Kavaliersdelikte, sondern wieder die Verbrechen, als die sie im Strafgesetzbuch beschrieben werden. Das ist das historische Verdienst von WKStA, parlamentarischen U-Ausschüssen und einigen wenigen Medien, die – wie ZackZack – früh mit den Berichten aus dem Innersten der türkisen Familie begonnen haben.

Verzweiflungskampf

Wenn die ÖVP demnächst von St- Pölten bis Salzburg einbricht, beginnt der türkise Verzweiflungskampf um Macht und Überleben. Sebastian Kurz würde seine Partei als Angeklagter wohl schwer in Hauptverhandlungspausen aus dem Sumpf führen können.

Der Zeitpunkt naht, an dem klar wird: Für die ÖVP und ihre angeschlagenen Förderer von René Benko bis Raiffeisen gibt es nur noch ein rettendes Ufer – die FPÖ. Natürlich könnte sich die ÖVP auch mit einer hoffnungslos hilflosen SPÖ noch einmal ins Bett legen. Aber eines könnte ihr nicht einmal Pamela Rendi-Wagner versprechen: dass die ÖVP das Justizministerium und damit die Chance zur Niederschlagung aller Verfahren und zur Ausschaltung der WKStA erhält. Sobotka, Nehammer und Mikl-Leitner wissen, was für sie auch persönlich auf dem Spiel steht.

Nehamjahu oder nichts

Dieser Deal geht nur mit der FPÖ. Wer glaubt, mit Herbert Kickl sei dieses Geschäft nicht zu machen, hält Gefühlslagen von Personen für wichtiger als Geld und Posten.

Herbert Kickl ist die zweite Kopie von Jörg Haider. Strache polterte auf weit niedrigerem Niveau als sein Lehrer, aber das machte nichts, weil die Verhältnisse inzwischen schlechter und damit besser für die FPÖ geworden waren. Jetzt, nach Kurz und unter Nehammer, bekommt der hasserfüllte Kleinführer Kickl durch die fünfschichtige Krise aus Energiespekulation und Inflation, Pandemie und beginnendem Zusammenbruch des Gesundheitssystems, neuer Massenarmut, Krieg in Europa und politischem Niedergang durch Korruption Oberwasser.

Die Nehammer/Kogler-Regierung schleppt sich in die letzten Runden. Ob 2024 oder früher gewählt wird, hängt nur noch davon ab, ob die Grünen noch genug Kraft für einen Versuch der Selbstrettung haben. Nur eines steht jetzt schon fest: Bei dieser Wahl werden große Weichen gestellt. Aus Karl Nehammer wird auch 2023 keine Zukunftshoffnung. Aber die ÖVP braucht keinen Reformkanzler. Ein Karl Nehamjahu, der als politischer Preisboxer Rechtsstaat und Parlament kleinschlägt, würde reichen.

In seinem ZiB 2-Auftritt bei Martin Thür hat Nehammer gezeigt, wo die ersten Späne fliegen sollen. Der Applaus kommt aus der eigenen Partei und der FPÖ. Der Kurs scheint damit gesetzt.

Wenn es Nehammer ans Kickl-Ufer schafft, würde nach Ungarn, Polen und Israel auch in Österreich die extreme Rechte die Macht übernehmen.

Genau darum geht es ab jetzt.

p.s.: Eines verstehe ich nicht: Im Fall „Teichtmeister“ werden alle, die – wie das Burgtheater – seit den ersten Hinweisen auf mögliche Verfehlungen genau zu prüfen versuchten, in welcher Art und welchem Umfang eine Zusammenarbeit mit ihm noch vertretbar ist, genauso geprügelt wie die, die einfach weggesehen haben.

Gleichzeitig machen ein Nationalratspräsident und ein Klubobmann als Beschuldigte einfach weiter. Der Nationalratspräsident leitet sogar die Untersuchung gegen sich selbst.

Ich bin mir sicher, dass Ähnliches im Fall „Teichtmeister“ ausgeschlossen ist.

Titelbild: ZackZack/Miriam Mone

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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