Wer in den nächsten Jahren in Pension geht, verliert während seiner Pension Zehntausende Euro.
Wien, 21. Jänner 2023 | Heißt umkämpft ist das Thema Pensionen in der österreichischen Politik seit jeher. Lange Zeit galt: Wer 45 Jahre gearbeitet hat, der darf auch mit einer entsprechenden Pension rechnen. Achtzig Prozent des durchschnittlichen Jahres-Einkommens während des Arbeitslebens sollte man in der Pension jährlich zur Verfügung haben. Eingeschränkt hat die Bundesregierung das mit der Abschaffung der „Hacklerregelung“ – nun gilt: Wer 65 Jahre alt ist und 45 Jahre gearbeitet hat, darf weiterhin mit diesen achtzig Prozent rechnen. Wer weniger Arbeitsjahre hat oder früher in Pension geht, muss Abschläge in Kauf nehmen und somit eine niedrigere Pension. Damit schien das Thema vorläufig erledigt. Doch die Inflation macht dem einen Strich durch die Rechnung. Handelt die Politik nicht, setzt es die größten flächendeckenden Pensionskürzungen in Österreich seit den Pensionsreformen von Wolfang Schüssel vor zwanzig Jahren – und zwar für alle, die in den nächsten Jahren in Pension gehen.
Wie kommt das? Um das zu erklären, nehmen wir Maria, die im kommenden November in Pension gehen will. Sie hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer durchschnittlich verdient. Auch sie hat, wie alle anderen, laufend eingezahlt auf ihr Pensionskonto, wenn sie Monat für Monat arbeiten geht. All das, was sie in ihren langen Jahren Arbeit eingezahlt hat, würde allerdings laufend entwertet werden – durch die Inflation. Genau so wie eine Wurstsemmel 1980 im Laden viel weniger kostete (36 Cent bzw. 5 Schilling), genauso war ihr Lohn damals noch deutlich niedriger. Eine Pension, von der sie leben kann, würde sich davon nicht mehr ausgehen. Deswegen wertet der Sozialminister dem Gesetz folgend jedes Jahr ihre gesamten Pensionsbeiträge auf. Auch jene, die noch aus den 80er-Jahren stammen. Die aufgewerteten Pensionsbeiträge entscheiden am Ende des Arbeitslebens, wie hoch ihre Pension ausfällt, sobald sie sie antritt.
Die Teuerung frisst die eingezahlten Pensionsbeiträge auf
So weit, so gut. Der große Haken dabei aber ist: Die Beiträge werden stark verzögert aufgewertet. Zum Jahreswechsel dafür herangezogen wurden die Lohnerhöhungen – damit indirekt die Teuerung – von vor zwei Jahren. Weil die Inflation damals aber noch viel geringer war als heute, fällt die Aufwertung in diesem Jahr deutlich geringer aus als die Teuerung. Wenn Maria also im November in Pension geht, wurde ihr Pensionskonto zum Jahreswechsel nur um 3,1 Prozent aufgewertet. Die Inflation fiel 2022 hingegen fast dreimal so hoch aus. Die Früchte ihrer gesamten Arbeit über Jahrzehnte wird damit finanziell nicht ausreichend geschätzt, entwertet sich deutlich. Ob gewollt oder nicht, die Regierung bricht damit gegenüber Menschen wie Maria ihr Versprechen, dass langjährige „Hackler“ mit 80% ihres Arbeitseinkommens in Pension gehen dürfen. Maria wird nach aktuellem Gesetzesstand mit nur 74% ihres Lebenseinkommens in Pension gehen. Für ihre Schwester, die erst ein Jahr später 2024 gehen kann, sind es überhaupt nur 72%. Erst für neue Pensionist*innen ab 2025 fallen die Verluste wieder etwas geringer aus. Der Aufholprozess dauert aber einige Jahre.
Die Politik muss die Folgen der Inflation ausgleichen – auch für angehende Pensionist*innen
Als wäre das nicht genug: Wer innerhalb eines Jahres später in Pension geht, verliert auch noch einmal Geld. Denn wer schon in Pension ist, erhält sehr wohl jedes Jahr einen Ausgleich für die Teuerung. Geht Maria – wie viele andere – aber erst im November 2023 in Pension, fällt sie um diesen Ausgleich komplett um. Dadurch verliert Maria mit ihrem Durchschnittseinkommen in den nächsten 20 Jahren Pension insgesamt 83.000 Euro. Enorm viel Geld.
Die Teuerung bringt Verwerfungen, die für angehende Pensionist*innen ganz schön teuer werden. Die Politik könnte das Problem aber leicht beheben. Sie kann die Pensionen für jene 300.000 Menschen außertourlich erhöhen, die gerade erst ihre Pension angetreten haben oder das in den Jahren tun werden. Handelt die Regierung nicht, bricht sie ihr Versprechen gegenüber Menschen wie Maria. Das Versprechen, dass sie im letzten Lebensabschnitt ein entsprechendes Einkommen bekommen, weil sie es sich mit harter langjähriger Arbeit selbst verdient haben. Das Vertrauen in den Staat, in die Politik, und ins Pensionssystem würde dadurch nachhaltig erschüttert. Die Kaufkraft der Pensionist*innen sowieso. Keine gute Idee.
Alexander W. Huber ist Experte für Inflation und Sozialstaat am Momentum Institut. Er beschäftigt sich mit sozialen und räumlichen Ungleichheiten, Steuerthemen und den Kosten des täglichen Lebens. Studiert hat er Volkswirtschaft an der WU Wien.
Titelbild: ZackZack / Miriam Mone