Mittwoch, April 24, 2024

Nach Vergewaltigungsvorwurf gegen ÖVPler: Prozess gegen zwei Männer

Das ist eine Unterüberschrift

Zwei junge Männer aus der JVP zeigten einen hochrangigen ÖVP-Politiker wegen Vergewaltigung und versuchten Missbrauchshandlungen an. Jetzt sitzen jedoch sie vor Gericht – wegen Verleumdung.

Wien, 25. Jänner 2023 | Die Staatsanwältin unterbricht den Zeugen schon zum zweiten Mal, sie klingt mittlerweile ungeduldig: „Sie zitieren hier ständig, was der Angeklagte gesagt hat. Die Frage des Richters ist aber die nach Ihrer Wahrnehmung! Bitte sagen Sie die!“

Der Zeuge ist ein Wiener Kommunalpolitiker der ÖVP. S., ein Mitglied der Jungen Volkspartei (JVP), sagt, der deutlich ältere Politiker hätte ihn 2017 vergewaltigt. Dieser habe ihm bei einer Party K.O.-Tropfen untergejubelt, er sei dann in dessen Bett aufgewacht, während sich dieser an ihm verging. K., ein zweiter junger Mann aus der JVP sagt, der Politiker hätte ihn zu sexuellen Handlungen aufgefordert, woraufhin der junge Mann geflüchtet sei.

Vorgebliche Opfer als Angeklagte

Aber nicht der Politiker sitzt an diesem Mittwoch auf der Anklagebank, sondern die beiden jungen Männer. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen den Mann eingestellt und geht davon aus, die Jüngeren hätten bewusst falsche Anschuldigungen erhoben. Das weisen beide entschieden zurück.

„Es gibt kein Motiv, warum sollte jemand so etwas einfach erfinden? Mein Mandant will weder Schmerzengeld noch sonst etwas“, sagt Sascha Flatz, der Anwalt von S. gegenüber ZackZack. „Er wusste ja auch, dass das so enden kann.“ Er meint: dass er selbst auf der Anklagebank landen könnte.

“Alles einvernehmlich”

Helmut Graupner, der Anwalt des Politikers, sagt über seinen Mandanten: „Er ist hier das Opfer. Solche Vorwürfe sind oft schwer zu beweisen, aber auch kaum zu widerlegen. In diesem Fall haben wir Glück, dass Chats und Fotos zeigen, dass es eine jahrelange enge Freundschaft gab.“

Das schildert der Politiker während des Prozesses ausführlich. Mit abgespreizten Fingern schieben seine Hände die Argumente hin und her: Er und S. hätten zuerst eine Affäre gehabt, dann sei dieses Verhältnis in eine enge Freundschaft übergegangen. S. habe ab 2018 für den Politiker in dessen Firma gearbeitet, tagsüber hätten sie viel Zeit miteinander verbracht, S. habe auch einen Schlüssel für seine Wohnung gehabt, seine Kleidung getragen und sich dessen Auto ausgeborgt.

Sie seien im Streit wegen eines Vorfalls in der Arbeit auseinander gegangen. S. wolle ihm nun mit den Anschuldigungen Schaden zufügen, weil er nun nicht mehr vom Lebensstil und Netzwerk des Politikers profitieren könne. Und K. wolle seinem Freund S. dabei helfen.

Der Vorfall, den K. schildert, sei so nicht passiert. Es sei ein nettes Abendessen in einem Hotel gewesen. Später auf dem Zimmer habe K. gesagt, er wolle keinen Geschlechtsverkehr, das habe er dann auch akzeptiert. Der Politiker habe mit K. bereits 2016 einvernehmlich geschlafen. Diesen letzten Umstand bestätigt K., beide erzählen aber eine andere Version, wie es dazu kam.

Geht um Glaubwürdigkeit

S. und K. schauen den Politiker während dessen Befragung aufmerksam an und schütteln nicht nur einmal den Kopf. Im Grunde ist es eine Sache der Beweiswürdigung. Das Gericht muss entscheiden, ob es den beiden jungen Männern glaubt, oder dem Politiker. Es steht Aussage gegen Aussage.

Der Politiker und sein Anwalt sehen es als bewiesen an, dass es eine enge Freundschaft zwischen S. und dem Politiker sowie eine Freundschaft zwischen K. und dem Politiker gab. Für sie ist es unrealistisch, dass jemand nach einer Vergewaltigung ein so enges Verhältnis hätte.

Andere Zeugen wie Mitarbeiter in der Firma des Politikers schildern, dass sie ein Vertrauensverhältnis zwischen S. und dem Politiker wahrgenommen haben. Es habe Gerüchte gegeben, dass die beiden ein Verhältnis hatten.

“Schocksituation”

S. sagt, er sei mit dem Politiker zu der Party gegangen, bei der dieser ihn betäubt haben soll, weil er ein gutes Netzwerk hatte. S. habe jahrelang verdrängt, was passiert sei, im Gespräch mit guten Freunden habe er es erst realisiert. Es sei ihm schlecht gegangen, er habe Suizidgedanken gehabt und eine Therapie gemacht. „Für mich war das eine Schocksituation“, sagt jener Freund vor Gericht, dem S. von dem Abend erzählt hatte, an dem die Sache mit den K.O-Tropfen passiert sein soll. „Es gibt wie bei Heterosexuellen auch bei den homosexuellen Männer solche, die glauben, Sie können hingreifen, wo sie nicht hingreifen sollen. Aber darauf war ich nicht gefasst.”

Freispruch für einen der beiden

Am Ende spricht der Richter K. frei. Er kann nicht beurteilen, was wirklich bei dem von ihm geschilderten Vorfall passiert ist und wie K. sich daran erinnert. Verleumdung braucht aber einen konkreten Vorsatz. Deshalb spricht er K. frei. K. umarmt einen Freund, der im Saal zugesehen hat. S. klopft ihm auf die Schulter.

“Du schaffst das auch noch”, sagt K. zu S. Denn zu einem zweiten Urteil kommt es an diesem Prozesstag nicht. Der Sachverständige stellt in den Raum, dass man erst in einer genaueren Befragung von S. herausfinden müsse, ob ein dermaßen schweres Trauma vorliege, dass zu einer jahrelangen Verdrängung geführt haben könnte. S. erklärt sich bereit, sich von einem psychiatrischen Sachverständigen begutachten zu lassen.

(sm)

Titelbild: ZackZack/Christopher Glanzl

Stefanie Marek
Stefanie Marek
Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.
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21 Kommentare

  1. Alles hierüber ist Spekulation und einerseits müßig, zumal man niemanden öffentlich vorverurteilen darf. Dennoch würde mich eines sehr interessieren: Wenn S. eine Therapie gemacht hat, wird er diesen Umstand nachweisen können. Wenn er darüber hinaus seinen Therapeuten von seiner Schweigepflicht entbindet und jener gleichlautende Schilderungen von S. vorbringt, dann erschiene mir das zumindest als sehr starkes Indiz für einen Missbrauch.
    Zwar könnte man die Konsultation eines Therapeuten in eine noch perfidere Verschwörungsmaßnahme umdeuten, aber das wäre weltfremd. Eine solche Konsultation ist mit signifikanten Kosten, zeitlichem und emotionalem Aufwand verbunden. Das investiert man eher in sein eigenes Wohl als in die Hoffnung, jemanden diffamieren zu können.

  2. Überraschend? Das ist sogar fast schon “Standard” in der Szene. Wenn Außenstehende nur wüssten dass es teils Jungs ab 14 gibt die sich über Apps gezielt mit Älteren Männer verabreden, manche suchen dafür sogar aktiv nach “sugardaddies”, und etliche schreiben Jüngere an mit dem Angebot “Taschengeld” zu verdienen. Da würden Weltbilder zusammenbrechen.

  3. Wenn die Staatsanwaltschaft klagt, dann deswegen, weil sie Aussicht hatten, den Prozess zu gewinnen, aufgrund der Beweislage.

    Ich will das wissen, wenn es solche Vorwürfe gibt, gegen Politiker…. die so schwer wiegen, dass es zur Anklage kommt!

  4. Ähhm, dürfen wir nun raten gegen welche Politiker noch alle ein VERFAHREN läuft???

    Das ist schon was anderes als ein verschwieger Beschuldigten- Status,…. das ist echt heftig!

  5. Mein Vertrauen in Medien nähert sich dem Nullpunkt….

    Ein “hochrangiger Politiker” wird von 2(!) JVPlern angezeigt, das Ganze hat so viel Gewicht dass es durch eine Staatsanwaltschaft zur Anklage kommt…. Und dann, erfährt die Öffentlichkeit davon?

    Und das auch nur deswegen, weil der “hochrangige Politiker”, der vornehmerweise ungenannt bleiben darf, die 2 auf Verleumdung zurückklagt….privatrechtlich versteht sich!

    Wenn solche Vorwürfe gegen einen amtierenden Politiker laut werden und es zu einem Prozess kommt, wieso erfahren wir da nix davon???

    Schließlich ist es doch eine Person des öffentlichen Interesses!

  6. Zu meiner Zeit waren die k.o. Tropfen ein ausgewachsener Vollrausch mit Verlust der Muttersprache usw. Und das haben wir auch so zugegeben.

    • Sog. Liquid Extasy. Oder auch Roiperl/Rohypnol. Gibt wohl so einiges was in dieser Hinsicht gefährlich sein kann. Beide Drogis helfen wohl dabei das eigene Selbst (auch das anderer) auszuschalten/aufzulösen um in einen Zustand des “sich nicht mehr zu spüren” zu gelangen. In den “falschen” Händen ein Teufelszeugs.

  7. Ja, bitte wo bleibt der NAMEN DES BESAGTEN POLITIKERS?

    Wer glaubt ihr, dass ihr seids, und einem Prozess vorgreift? Es ist nicht eure Aufgabe mutmaßliche Vergewaltiger vor einem Reputationsschaden zu bewahren!
    Wenn er unschuldig ist, dann wird das ein Gericht feststellen…. Und nicht ihr!

    Raus mit der Sprache!

    • Er wurde ja schon freigesprochen. Aber man muss verstehen, dass bei der ÖVP schwuler Sex wohl eine Berufsschädigung darstellen könnte. ^^ Aber die wissen es ohnehin schon, nehm ich an.

      • Er wurde freigesprochen weil Chats und Fotos belegen, dass es eine jahrelange Freundschaft gab zwischen den beiden.

        Ist halt Ermessenssache und im Zweifel für den Angeklagten. Psychologische Zusammenhänge und Mechanismen werden da halt beinhart ausgeklammert, wobei ich die Entscheidung des Gerichtes nicht anzweifeln möchte.

        Muss sagen, dass ich schon find, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat, zu erfahren, wer es war.

        Bei “chats” hats sofort geklingelt bei mir…. Für mich klingt das nach Kurz und Schmid. Und dann geht das die Öffentlichkeit erst recht etwas an.

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