Samstag, Juli 27, 2024

Der Fehler des Präsidenten

Herbert Kickl kann sich darauf verlassen, dass ihm SPÖ und ÖVP die Wähler zutreiben. Jetzt hilft ihm ein politischer Fehler des Bundespräsidenten.

Wien, 29. Jänner 2023  Heute wählt Niederösterreich. Wer weiß, was ÖVP, FPÖ und SPÖ vorhaben, kennt schon das politische Ergebnis: Die ÖVP macht weiter, die FPÖ macht Druck und die SPÖ macht mit. Damit ist klar, dass in weiten Bereichen nichts weiter und in der Politik selbst alles den Bach hinunter geht.

Vor kurzem haben sich die beiden Innenminister Nehammer und Karner über den bulgarischen Grenzzaun fliegen lassen und gleich nach der Landung gefordert, dass dort, wo der Zaun steht, endlich ein Zaun stehen muss. Weil das so erfolgreich war, werden sie nach der niederösterreichischen Wahl vorschlagen, dass dort, wo die ÖVP regiert, endlich eine ÖVP hin muss. Aber das ist ohnehin bald Geschichte, weil ÖVP und SPÖ bis spätestens Herbst ihre Vorsitzenden entsorgen werden.

Bures, Kern oder wer?

In der SPÖ wird das bereits ohne vorgehaltene Hand besprochen. Pamela Rendi-Wagner hat alle Chancen vertan. Ihr Versuch, sich im Liegestuhl an die Spitze zu setzen, ist gescheitert. Aber wer nimmt die rote Leine in die Hand? Der Klagenfurter Landeshauptmann kann es nicht, sein Kollege aus Eisenstadt darf es nicht, und der Wiener Landeshauptmann kann kurz vor dem offenen Ausbruch der Spitalskrise und mitten in den Wien-Energie-Untersuchungen nicht weg. Also bleibt die Wahl zwischen jemandem, den noch niemand gefunden hat, Doris Bures und Christian Kern. Damit hat die SPÖ einen Vorteil: Die neue Spitze könnte ohne Zerreißprobe gewählt werden.

Edtstadler oder Kurz

In der ÖVP ist das anders. Dort sitzt mit Karoline Edtstadler eine letzte Parteisoldatin, die verlässlich lesen, schreiben und ganze Sätze sagen kann. Die erprobte Kämpferin gegen den Rechtsstaat ist die 1 Personen-Personalreserve der ÖVP. Die Alternative zu ihr heißt „Sebastian Kurz“. Der politische Unterschied zwischen beiden ist gering. Weil beide alles tun, was von ihnen verlangt wird, kommt es nur darauf an, wer verlangt. Im Fall „Edtstadler“ sind das die klassischen Auftraggeber: Raiffeisen, Industrie und ÖAAB. Bei Kurz kommen dessen Oligarchen von René Benko und Sigi Wolf bis zu den neuen Geschäftsfreunden in den Emiraten dazu.

Für Edtstadler geht es um einen Karriereschritt. Für Kurz geht es um alles. Wenn er Kanzler wird, kann er die WKStA zusperren. Wenn er es nicht wird, kann ihn ein Gericht einsperren.

Projekt “Ballhausplatz 2”

Josef Votzi hat in einigen Details beschrieben, wie sich die Ballhausplatz-Gruppe in der neuen Zentrale am Wiener Schubertring wieder sammelt. Chefstratege Stefan Steiner, Kurz-Intimus Gernot Blümel – die Kurz-Mäuse kommen zurück an Bord. Aber es passiert längst weit mehr. Die – wirtschaftlich wacklige – Raiffeisen-Spitze macht im ÖVP-Umfeld immer klarer, dass sie bereit ist, noch einmal auf Kurz zu setzen.

Medien werden vom Kurz-Dirigenten Gerald Fleischmann in Stellung gebracht. „Kurier“ und „Presse“ sind längst auf Linie, die Kontonummern von „oe24/Österreich“ sind gespeichert, und „profil“ hat mit Richard Grasl und Anna Thalhammer erstmals eine verlässliche Führung. Weitab der Turbulenzen um den niederösterreichischen Landesdirektor wird der ORF längst umgebaut und eingefärbt.

Die ÖVP weiß, dass die nächste Nationalratswahl zu ihrer Schicksalswahl wird. Wenn es soweit ist, kann jederzeit der Giftschrank geöffnet und der Ersatz für „Silberstein“ präsentiert werden. Sollte Schmutziges aus dem eigenen Keller auftauchen, war es ein „Hackerangriff“, den eine erfahrene Investigativ-Journalistin verlässlich „aufdecken“ wird.

“Gutmenschen” gegen “Schlechtmenschen”

Vieles liegt auch diesmal in der Hand der SPÖ. Vielleicht entdeckt eine neue SPÖ-Führung wieder die Sozialdemokratie und kämpft ernsthaft und glaubwürdig gegen Armut und Korruption und für gute Einkommen, gute Spitäler und gute Schulen. Aus Sicht der Wiener Liegestuhl-Society lohnt sich schon lange kein Kampf mehr. Aus Sicht der Menschen, die lieber Hoffnung statt Hass wählen würden, ist es ein Kampf, der sich auch jetzt noch lohnt.

Der Kampf um die „kleinen Leute“ ist auch heute noch der Kampf um die große Mehrheit. Hunderttausende enttäuschte, ratlose und oft schon verbitterte Menschen erreicht man nur, wenn man ihnen zuhört und um sie kämpft.

Van der Bellens Fehler

Alexander Van der Bellen hat kürzlich bei seiner Antrittsrede vor der Bundesversammlung gezeigt, wie man es falsch macht. Es war der alte grüne Fehler. „Gutmenschen“ erklären „Schlechtmenschen“, dass Kickl auch nach einem Wahlsieg draußen bleiben muss. Gemeint ist das immer nur als Signal an die Spitze der FPÖ. Aber dort bricht Jubel aus, weil man weiß, dass das Signal bei allen, die unzufrieden sind, als klare Botschaft ankommt: „Wenn ihr die Falschen wählt, ist eure Stimme nichts wert!“ Genau so macht man aus Protestwählern FPÖ-Wähler.

Wenn der erste Mann im Staat mit seiner Kerze in einem riesigen Lichtermeer steht, kann auch er auf die falsche Idee, dass sich hier eine Mehrheit sammelt, kommen. Das ist kein Argument gegen Lichtermeere, sondern für eine Politik, die den Heldenplatz mit den vielen kleinen Plätzen in Österreich tauscht, damit dort die Menschen nicht mit Kickl-Plakaten alleine bleiben.

Die Kerze am Heldenplatz macht niemanden zum Helden. Politisches „Heldentum“ erwirbt man sich woanders: im Kampf um die Interessen und damit um das Vertrauen der Menschen, denen es alles andere als gut geht. Und mit klaren Worten gegen die Hauptpartei der Korruption und ihre Steuermänner, die sich auch als Beschuldigte noch an höchste Ämter klammern.

Van der Bellen verkörpert ein Dilemma, das er mit vielen in SPÖ, ÖVP und Grünen teilt. Die klare Haltung zur FPÖ ersetzt keine Strategie gegen sie. Was Strategie ohne Haltung ist, zeigen seit Jahren die Grünen. Aber Haltung ohne Strategie verkommt nur zu leicht zum folgenlosen Bekenntnis moralischer Überlegenheit.

Und: „Haltung“ wird leicht zur Geste, wenn sie nur einer Partei gilt. Aber zu mehr hat der neue Mut in der Bundesversammlung noch nicht gereicht.

p.s.: Wir feiern

Wir feiern trotzdem, weil wir einen anderen, sehr guten Grund haben: ZackZack hat jetzt auch beim Obersten Gerichtshof gegen René Benko und seine Firmen gewonnen. Für uns ist es ums Überleben gegangen. Die zwei Millionen Euro, die uns eine Niederlage vor Gericht gekostet hätte, wären das „Aus“ gewesen, so wie die Million, auf die uns Martin Ho verklagt hat. Wir mussten gewinnen, weil wir uns Verlieren nicht leisten konnten.

Während Putin-Plattformen und Inkasso-Medien mit Millionen an Presseförderung und Regierungsinseraten verwöhnt werden, gibt es für uns genau Null. Nachdem man uns weder totschweigen noch totklagen kann, setzt die ÖVP-Regierung jetzt auf Aushungern.

Daher brauchen wir euch – als Mitglieder im ZackZack-Club. Wir brauchen euch, damit wir weitermachen können.

Danke an alle, die das jetzt schon tun.

Titelbild: Miriam Mone

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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