Unser Kolumnist Robert Misik über die allgegenwärtige und verleugnete Gewalt in Österreichs Gesellschaft.
Robert Misik
Wien | Der skandalöse Angriff von FPÖ-Waldhäusl gegen Favoritner Gymnasiastinnen und Gymnasiasten war nicht nur ein verbaler, rassistischer Übergriff, sondern letztlich eine Gewalttat, die verbale Version von einem Faustschlag, mit kalter Aggression. Und das zeigt uns wieder einmal: Unsere Gesellschaft ist von Gewalt durchzogen, eine Gewalt, die wir leugnen, weil wir uns mit dieser Wahrheit nicht konfrontieren wollen.
Auch die unteren Klassen sind Gewalt ausgesetzt. Herabwürdigung und Verwundungen, ökonomischem Druck, der Botschaft, dass sie jederzeit ersetzbar seien, weil sie ja nichts wert seien. Es ist eine Gewalt, die der sechsjährige Kevin aus der Arbeiterklasse schon in der Volksschule erfährt, es ist Gewalt, wenn man sich daran zu gewöhnen hat, Demütigungen und Verwundungen hinnehmen zu müssen, um nicht unter die Räder zu kommen.
Eine Klassengesellschaft ist eine Gesellschaft der Gewalt, einer Gewalt, die unter der Oberfläche brodelt und umso heftiger verleugnet wird. Es ist Gewalt, wenn die Lebenserwartung in Döbling bei 82 Jahren liegt und in der Brigittenau bei 75. Es ist Gewalt, wenn Menschen nachts nicht schlafen können, weil sie nicht mehr wissen, wie sie steigende Rechnungen und Mieten bezahlen sollen.
Titelbild: ZackZack/THK