Donnerstag, Oktober 3, 2024

Organisationen fordern Ausstieg aus “Klimakiller”-Vertrag

In einem offenen Brief fordern AK, ÖGB und NGOs die Regierung zum Ausstieg aus dem „Klimakiller“-Vertrag auf. Andere europäische Staaten hätten den Schritt schon angekündigt oder vollzogen.

Wien | Ein zwei Seiten langer offener Brief soll Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) zum Umdenken bewegen. In dem ZackZack vorliegenden Schreiben werden die Minister dazu gedrängt, aus dem sogenannten Energiecharta-Vertrag (ECV) auszusteigen. Dieser würde die Ziele des Pariser Klimavertrags unmöglich machen.

Klagrechte für Erdölgiganten

Um den maximalen Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius nicht zu überschreiten, müssten sämtliche europäische Staaten möglichst rasch die Nutzung fossiler Energieformen reduzieren und breit in erneuerbare Energie investieren.

„Der Energiecharta-Vertrag ist wahres Gift für progressiven Klimaschutz. Fossile Konzerne können durch den Vertrag auf ihr Recht beharren, weiter klimaschädliches Öl und Gas zu fördern und durch rechtliche Klagen Schadensersatzzahlungen in Millionenhöhe vom Staat erzwingen.“, so Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich.

Doch der Energiecharta-Vertrag könnte genau das verhindern. Denn in dem Regelwerk sind Klagrechte für Konzerne vorgesehen, die durch politische Entscheidungen, wirtschaftliche Nachteile erwarten zu haben. Geschädigte Unternehmen hätten davon auch schon regen Gebrauch gemacht. In dem Brief werden 157 Streitfälle erwähnt, in denen teilnehmende Staaten mehr als 45 Milliarden Euro an Konzerne zahlen mussten. Diese Möglichkeit wurde bereits öfter genutzt. „So klagte der britische fossile Konzern Rockhopper den italienischen Staat auf Schadenersatz, da eine Öl-Förderkonzession aufgrund von Umweltschutzgründen abgelehnt wurde“, erläutert Duregger von Greenpeace Österreich und mahnt: „Diese Beispiele zeigen, wie über den Energiecharta-Vertrag fossile Konzerne an ihrem klimaschädlichen Geschäft festhalten können und Staaten über Klagsdrohungen und Klagen an einer progressiven Klimaschutzgesetzgebung hindern“.

Europäische Austrittswelle

Obwohl beim ECV nun eine Reform angedacht ist, kehren viele europäische Staaten dem Vertrag den Rücken. Italien ist bereits 2016 ausgestiegen. Nun wollen neben Deutschland und Frankreich auch noch Spanien, die Niederlande, Luxemburg und Slowenien aus dem Vertrag aussteigen. In Österreich habe man sich bislang nur zu einer „Prüfung“ des Vertrags durchgerungen. Im Herbst 2022 hatte das europäische Parlament die gesamte EU zum geordneten Austritt aus dem ECV aufgefordert.

20 Jahre gültig

Problematisch für Staaten könnte auch die sogenannte „Sunset“-Klausel sein. Diese sieht vor, dass Konzerne Staaten auch noch bis zu 20 Jahre nach deren Ausstieg aus dem ECV auf Investitionsschutz klagen können. Bei politischen Maßnahmen, die die milliardenschweren Investitionen von Energiekonzernen gefährden, „drohen Schadenersatzklagen auf der Grundlage des ECV“, heißt es in dem offenen Brief. Ziel der EU müsse es deswegen sein, die Klausel zu unterbinden. Genau das werde auch versucht: „Die EU-Kommission arbeitet bereits an einem Abkommen, das die Anwendbarkeit der Klausel bei Klagen von EU-Investoren gegen EU- Staaten ausschließen soll.“

Breite Basis

Das Schreiben mit der Aufforderung an die zuständigen Minister, den Vertrag aufzukündigen, unterschrieben neben der Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl auch ÖGB-Chef Wolfgang Katzian. Außerdem an Bord sind die NGOs Attac, Greenpeace, Anders Handeln und Global 2000. Aus letzterer Organisation ist Klimaministerin Gewessler hervorgegangen.

Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com, HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com / Montage ZackZack

Autor

  • DanielPilz

    Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.

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