Samstag, Juli 27, 2024

“ZiB2”: Hitzige Geschichtsstunde mit der Verfassungsministerin

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) war am Dienstagabend in der “ZiB2” bei Armin Wolf zur Neutralitätsdebatte. Es wurde hitzig und emotional.

Wien | 90 berühmte Personen Österreichs, von links bis rechts, fordern eine Debatte über die heimische Neutralität. In einem offenen Brief wandten sie sich an den Bundespräsidenten, die Bundesregierung und die Bevölkerung. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler nahm am Dienstag in der “ZiB2” dazu Stellung.

Wolf gibt Edtstadler Geschichtsunterricht

Edtstadler erteilte einem Ende der Neutralität eine Absage. Die Ministerin begründete, die Neutralität sei identitätsstiftend. Richtung Moderator Armin Wolf erörterte Edtstadler weiter: „Gehen Sie Generationen zurück und sehen Sie, was Generationen vor uns erkämpft haben für uns. Die Neutralität, die Besatzung ist abgezogen. 1955 haben wir das in ein Bundesverfassungsgesetz geschrieben.“ Wolf stellte jedoch richtig, was die Verfassungsministerin behauptete. Denn die Neutralität wurde von Österreich nicht erkämpft, sondern von der sowjetischen Besatzungsmacht als Bedingung für die österreichische Souveränität diktiert. Auch die Behauptung, dass Österreich sich die Freiheit erkämpft habe, wie Edtstadler postulierte, musste Wolf korrigieren. Österreich wurde von den Alliierten nach dem zweiten Weltkrieg befreit. Um ihren geschichtlichen Fauxpas auszubessern, versuchte die Verfassungsministerin mit dem übermäßigen Einsatz von Jahreszahlen (Bundesverfassungsgesetz 1955, Beitritt zur EU 1995, Kriegsbeginn 24. Februar) zu punkten.

Wolf wollte von Edtstadler zudem wissen, warum Österreich an seiner Neutralität festhalte. Länder wie Schweden oder Finnland, die nun aufgrund des russischen Angriffskrieges der NATO beitreten möchten, und seit deutlich längerer Zeit neutral waren, ihre Position überdenken. Edtstadler begründete dies mit der geographischen Lage, Finnland hat eine gemeinsame Grenze mit Russland, da sei es eine andere Situation.

Verfassungsministerin emotional

Mehrmals wurde es beim Thema Neutralität emotional. Wohl nicht förderlich für eine kühle Gesprächsatmosphäre war, dass die Ministerin mehrmals grundlos den ORF-Moderator bat, sie nicht zu unterbrechen. Wolf hatte allerdings gar nicht versucht Edtstadler ins Wort zu fallen. Gegen Ende des Interviews sollte das hitzige Gespräch seinen Höhepunkt erreichen.

Edtstadler wurde emotional: „Wissen Sie was ich Ihnen sage, Herr Wolf, ich würde mir manchmal auch mehr eine offene, objektive Debatte wünschen, so wie das die Unterfertiger dieses Briefes machen. Aber in Österreich ist es, wie man sieht, nicht möglich. Denn es wird sofort zugespitzt und es wird hier eigentlich Zynismus an den Tag gelegt, indem man auf eine Frage reduziert, Neutralität, ja, nein, oder NATO, ja, nein.“

Edtstadler will Debatte, aber gibt Debatte Absage

Wolf blieb der offensichtliche Widerspruch der Verfassungsministerin nicht verborgen, hatte sie und auch der Bundeskanzler Karl Nehammer schließlich der Neutralitätsdebatte eine Absage erteilt, nun wünsche sich Edtstadler doch eine Debatte. Die Ministerin schoss sich bei der Gegenfrage Wolfs auf die FPÖ und den ORF ein und legte ein Beispiel vor. Beim dienstäglichen Doorstep in Brüssel sagte Edtstadler, dass man die „österreichische Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur aufgrund der jüngsten Ereignisse neu denken“ müsse. Die FPÖ habe Edtstadler später vorgeworfen, sie wolle die Neutralität abschaffen und der NATO beitreten. „Und ein Journalist dieses Hauses (Anm. ORF) sagt, ich würde hier im Widerspruch zum Bundeskanzler stehen“, warf Edtstadler vor. „Und jetzt frage ich mich, wie in diesem Setting in dieser Atmosphäre eine objektive Debatte möglich sein soll.“

Titelbild: Screenshot ORF

Autor

  • Benedikt Faast

    Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.

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