Samstag, Juli 27, 2024

Pro & Contra: Was tun mit Rendi-Wagner?

Soll sie bleiben oder gehen? Die Kärnten-Wahl befeuert die Diskussion um die Zukunft der SPÖ-Parteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner. Ein Pro&Contra von Benedikt Faast und Anja Melzer.

Wien | Nicht nur auf und ab im Land, sondern auch in der ZackZack-Redaktion ist die SPÖ und wer sie führen soll, streitbares Thema. Rendi-Wagner: Rücktritt oder Bleiben?

Stv. Chefredakteurin Anja Melzer. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Besser wird’s nimmer

Pamela Rendi-Wagner wackelt – nicht erst seit gestern, aber seit gestern noch ein bisschen heftiger. Dabei kennen wir diese Tage nach Landtagswahlen ja inzwischen allzu gut, lediglich der Turm aus katastrophalen Wahlergebnissen unter ihrem Vorsitz wächst immer weiter: Oberösterreich (ein magerer Zugewinn von 0,2 Prozent), Tirol (ebenso), Niederösterreich (Verlust von 3,3 Prozent), jetzt Kärnten (minus harte 9 Prozent). Dies nur allein den blamablen Querschüssen aus dem Burgenland in Person von Hans-Peter Doskozil umzuhängen, greift zu kurz. Und ist eigentlich auch zweitrangig, denn: Es zeigt in erster Linie, dass Rendi-Wagner die Partei nicht im Griff hat – und vermutlich nie hatte.

Dazu kommt, dass man sich viel zu lange auf Bundes-Umfragen im Aufwärtstrend ausgeruht hat, die die SPÖ zeitweise auf Platz 1 sahen. Dabei wurde völlig außer Acht gelassen, dass der Grund für den vorübergehenden Aufwind nicht in wahnsinnig starker Oppositionsarbeit bestand, sondern der überragenden Schwäche aller anderen Parteien geschuldet war. Und genau das ist das schwerwiegendste Problem, mit dem sich Rendi-Wagner konfrontiert sieht: Die SPÖ ist inhaltsleer und perspektivenlos. Eh schon fatal. Aber in Zeiten grassierender Inflation, massiver Angriffe von konservativer Seite auf Sozialstaat und Arbeitsmarkt, schweren Korruptionsvorwürfen gegen eine Regierungspartei und billig-populistischer Ausländerhassereien (wo bleibt eigentlich die laute Mauer gegen Rechts?) als Sozialdemokratie, die sich um das Wohl der Menschen kümmern will, nichts Greifbares dagegen zu halten – das ist im Grunde gemeingefährlich. Für die SPÖ liegen die Themen offen und breit auf der Straße verstreut – aber sie hebt sie nicht auf, sondern hält lieber Therapiestunden „Im Zentrum“ ab oder richtet sich auf Covern und in Interviews gegenseitig Dinge aus.

Die SPÖ braucht Hoffnung, Fokus und neuen Kampfgeist. Die Partei muss raus aus der Spirale aus Selbstbeschäftigung und den ewigen Befindlichkeiten. Verantwortung übernehmen statt weltfremder Jammerei zu fröhnen. Dieses Team – so sehr es sich vielleicht bemühen mag – kann es nicht. Und wird den Wind auch nicht mehr drehen. Wer es künftig machen soll – das ist eine andere Frage, sie sollte sich die Partei dringend stellen. Worauf noch warten? Auf das nächste Debakel in Salzburg? Auf tieferes Absinken im Bund? Die Debatte um die Führung wird nicht abreißen. Den perfekten Zeitpunkt für einen Wechsel wird es nicht geben. Also lieber jetzt als nie.

News-Ressortleiter Benedikt Faast. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Abwarten und Sozialdemokra-Tea trinken

„Gerüchte über einen bevorstehenden Abgang Rendi-Wagners machen die Runde“, nein, das ist keine aktuelle Schlagzeile, das ist eine APA-Meldung vom 28. November 2019. De facto seit ihrem Antritt ist Rendi-Wagner medial mit einem Bein aus der Löwelstraße draußen. Doch: Sie ist noch immer da.

Das wird jetzt kein flammendes Plädoyer für die aktuelle Vorsitzende. Welche Karten spielen Rendi-Wagner in die Hände? Der Zeitpunkt. Ein Hauruck-Wechsel an der Spitze wäre für die SPÖ momentan praktisch eine Selbstaufgabe für die Nationalratswahl im Herbst 2024, im Tausch für ein vielleicht besseres Salzburg-Ergebnis im April durch den Trainer-Wechseleffekt. So wichtig ist Salzburg dann auch wieder nicht. (Sorry, liebe Salzburger).

Egal, ob Doskozil, Bures, oder sonstige realistische wie auch unrealistische Antworten auf die Vorsitzenden-Frage bei den Sozialdemokraten, alle hätten mit einem Problem zu rechnen: Eineinhalb Jahre bis zur nächsten Wahl sind verdammt lange. Egal, wie charismatisch, eloquent oder führungsstark ein Ersatz für Rendi-Wagner wäre: Eineinhalb Jahre Oppositionsbank bis zur Wahl drücken, nur zu fordern, aber keine wirklichen herzeigbaren Erfolge gegen die türkis-grüne Regierung darzulegen, nagt am Image eines neuen Vorsitzenden. Die Leitartikel im Herbst 2024 schreiben sich praktisch von selbst: „Was hat der neue SPÖ-Vorsitz eigentlich in eineinhalb Jahren gemacht?“ Der Führungswechsel-Effekt verpufft bis dahin, der neue Lack ist ab.

Heißt das jetzt im Umkehrschluss, dass Rendi-Wagner die SPÖ in die Nationalratswahl führen soll? Nicht automatisch. Doch die Alternativen, die die SPÖ in ruhige Gewässer führen könnten, sind rar. Sollte Hans-Peter Doskozil übernehmen, darf man mit Widerstand aus dem mächtigen Wien-Lager rechnen. Im umgekehrten Fall darf man damit rechnen, dass die Querschüsse Doskozils wohl nicht enden. Eine realistische, mitreißende Lösung von außerhalb sucht man sowieso vergebens.

Zudem spielt Rendi-Wagner ein weiterer Punkt in die Hände: Die Schnelllebigkeit der österreichischen Innenpolitik. Blicken wir etwa auf die Umfragen vor eineinhalb Jahren zurück. Die ÖVP war uneinholbar mit 35 Prozent in Führung, die FPÖ und die Sozialdemokraten grundelten bei 20 Prozent herum. Zwischenzeitlich lachte Rendi-Wagner bereits von Titelseiten als neue Kanzlerin. Das ist bekanntlich ja nicht mehr so. Österreichs Politik bewegt sich schnell, wer letzte Woche der Depp war, kann morgen der Held sein. Soll heißen: Abwarten und Sozialdemokra-Tea trinken. Wer weiß, wie die Welt in einem Jahr aussieht. Dann kann man immer noch die Spitze austauschen.

Soll Rendi-Wagner zurücktreten?
  • Ja 64%, 1810 votes
    1810 votes 64%
    1810 votes - 64% of all votes
  • Nein 36%, 1001 vote
    1001 vote 36%
    1001 vote - 36% of all votes
Abstimmungen insgesamt: 2811
6.3.2023
Die Umfrage wurde geschlossen

Titelbild: BARBARA GINDL / APA / picturedesk.com

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