Dienstag, Oktober 8, 2024

Wir haben nicht mehr viel Zeit

Johanna Mikl-Leitner steht vor einer schweren Wahl: Welches Ballkleid wird sie am Akademikerball tragen? Das lange Braune oder das mit den hübschen weißen Kreisen in Rot? Beide passen gut zu den neuen Stiefeln und dem neuen Partner. Kommentar:

Wien | Seit vielen Wochen wird in St. Pölten gebrütet. Jetzt ist die Brut geschlüpft. Es wird ernst. Der ORF berichtet über Udo Landbauer: „Seine Mitgliedschaft in der FPÖ hat der 31-Jährige ruhend gestellt. Selbiges tat er zuvor schon bei der Burschenschaft. Kurz vor Landbauers Rücktritt hatte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) verkündet, dass er nicht in die Landesregierung einziehen werde.“ Über dem ORF-Bericht steht: „Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.“

Jetzt übernimmt der Liedernazi die Führung in St. Pölten. Einer ÖVP, die sich in ihrem Sozihass vergraben hat, konnte er die Bedingungen diktieren. „Entwurmung statt Kinderbetreuung“ – das ist die Kurzform der Einigung zweier Parteien, in deren Ahnenschaft sich zum ersten Mal Hitler und Dollfuss versöhnen.

Der dampfende Bodensatz

Das ist zu scharf? Aber genau darum geht es. Landbauer – das ist die neue radikale Rechte, zu jedem Gesang bereit. Das ist der dampfende Bodensatz, den die ÖVP jetzt nach oben spült. Die ÖVP, die in St. Pölten längst zur Zentralgeschwulst von Parteibuchwirtschaft, illegaler Parteienfinanzierung, Missbrauch von Polizei und Geheimdiensten und Vergraselung der Medien verkommen ist. Von St. Pölten aus haben sich die Zellen gebildet, aus denen Sebastian Kurz sein erstes Regime gebaut hat.

Vielleicht dämmert es sogar Karl Nehammer, dass die Generalprobe in Niederösterreich nicht seiner Kanzlerschaft dient. In Wien wartet Herbert Kickl, bis es soweit ist. Wenn alles so weitergeht, wartet er nicht mehr lang.

Die letzte Hoffnung liegt in der SPÖ. Kapieren die Genossinnen und Genossen endlich, was sie jetzt zu tun haben, weil es derzeit niemand anderer kann? Sind sie bereit, mit einem Programm aus Gerechtigkeit, Freiheit, Umweltrettung und einer vernünftigen Einwanderungspolitik um eine Mehrheit für Rot-Grün-Pink zu kämpfen? Können sie noch einmal enttäuschte und wütende Menschen davon überzeugen, dass wir in diesem wunderbaren Land zeigen, dass es ohne Armut, Verbrennungsmotoren und Menschenfeindlichkeit geht? 

Es liegt an uns Sozis, Grünen, Liberalen, Gewerkschaftern, Menschenrechtlern, Klimaaktivistinnen, an uns Europäerinnen und Demokraten, ÖVP und FPÖ am einzigen Ort, wo sie hingehören, zu vereinen: am Misthaufen der Geschichte. Wir haben nicht mehr viel Zeit.

Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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