Der Druck auf die Raiffeisen wegen ihres Russlandgeschäfts wird laut „Reuters“ immer größer. Die EZB verlangt den Rückzug aus Moskau, während die Bank weiterhin Interessen ihrer Stakeholder „prüft“.
Wien | Von Credit Suisse bis Raiffeisen braut sich in der Bankenwelt etwas zusammen. So bekommt das österreichische Geldhaus Raiffeisen Bank International (RBI) wegen seines Russlandgeschäfts Insidern zufolge immer mehr Druck von der Europäischen Zentralbank (EZB). Die EZB verlange von der Bank zwar keinen sofortigen Rückzug aus dem Land, poche aber auf einen Plan, wie das Bankgeschäft dort aufgegeben und die Risiken bewältigt werden können, sagten fünf mit der Angelegenheit vertraute Personen zur Nachrichtenagentur Reuters.
Ein Jahr nach Kriegsbeginn wird weiter „geprüft“
Einer der Insider sagte, der Plan könnte einen Verkauf oder die Schließung der Tochterbank in Moskau beinhalten. Die Bank sei der Forderung der EZB aber bisher nicht nachgekommen und zeige auch keine Absicht, dies zu tun, sagten die Insider. “Wir haben die Banken aufgefordert, das Geschäft in Russland weiterhin genau zu beobachten und im Idealfall so weit wie möglich zu reduzieren und abzubauen”, teilte eine Sprecherin der EZB auf Anfrage von Reuters mit. Dies habe die EZB nach Kriegsbeginn in der Ukraine bei allen betroffenen Instituten getan, fügte sie an.
Auch ein Jahr nach Kriegsausbruch in der Ukraine zeichnet sich bei Raiffeisen keine Entscheidung zum umstrittenen, aber hochprofitablen Russland-Geschäft ab. Eine RBI-Sprecherin wiederholte auf Anfrage von Reuters, was die Bank seit einem Jahr zu dem Thema sagt: Man prüfe alle Optionen für das Russland-Geschäft einschließlich eines sorgfältig gesteuerten Ausstiegs.
“Als wir unsere Bewertung ankündigten, rechneten wir damit, dass der Prozess einige Zeit in Anspruch nehmen würde. Der Vorstand des RBI-Konzerns beschleunigt die Prüfung unter Berücksichtigung der Interessen aller unserer Stakeholder”, sagte die Sprecherin. Priorität sei es, die Integrität und finanzielle Stabilität der Gruppe zu bewahren und die Sorgfaltspflicht der Gruppe gegenüber den Mitarbeitern und Kunden in den Märkten, in denen die Bank tätig ist, aufrechtzuerhalten.
Im Visier der US-Sanktionsbehörde
Für Nervosität bei den Anlegern sorgte zuletzt, dass die Bank ins Visier der US-Sanktionsbehörde OFAC geraten ist. Wie Reuters exklusiv berichtete, hat die Behörde eine Untersuchung gegen die RBI eingeleitet und der Bank ein Schreiben mit einer Reihe von Fragen, unter anderem zu ihrem Russland-Geschäft, geschickt. Die RBI-Aktie rutschte daraufhin an der Wiener Börse über 8 Prozent ab. Die OFAC ist eine für die Kontrolle und Umsetzung der Sanktionen gegen Russland zuständige Abteilung des US-Finanzministeriums. Während die Bank erklärte, die Fragen seien allgemeiner Natur, sagten zwei mit der Situation vertraute Personen, dass es dabei um mögliche Verstöße gegen wesentliche Sanktionen gehe.
Um die Sorge der Amerikaner über das Russland-Geschäft der RBI deutlich zu machen, sei vor einigen Wochen der US-Sanktionsbeauftragte James O’Brien in Wien gewesen. “Botschafter O’Brien und die Österreicher haben unsere enge Zusammenarbeit bei Sanktionen als Reaktion auf Russlands illegale weitere Invasion in der Ukraine diskutiert”, sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums. Die US-Behörde kann so weit gehen, einer Bank die Abwicklung von Dollar-Transaktionen zu untersagen – ein Schritt, der Raiffeisen einen schweren Schlag versetzen würde und von dem die Regulierungsbehörden befürchten, dass er die Bank destabilisieren könnte. Erst kürzlich sorgte der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und der Notverkauf der Credit Suisse an die Rivalin UBS für Turbulenzen im Banken-Sektor. Ein RBI-Sprecher sagte, man befinde sich noch in einem “frühen Stadium” der Informationsbeschaffung, um auf das OFAC-Schreiben zu reagieren.
Österreichs zweitgrößte Bank, die stark in Osteuropa aktiv ist, ist die wichtigste westliche Bank in Russland und ein wesentlicher Spieler für den internationalen Zahlungsverkehr. Im Vorjahr hatte die Bank einen Nettogewinn von rund 3,8 Mrd. Euro erwirtschaftet, vor allem dank eines Gewinns von mehr als 2 Mrd. Euro aus Russland. Die Bank mit Sitz in Wien wickelt nach eigenen Angaben rund ein Viertel der Überweisungen in Euro nach Russland ab. Auch die italienische UniCredit ist in Russland präsent, aber in geringerem Umfang. Die französische Société Générale hingegen hat sich kurz nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine vor mehr als einem Jahr zurückgezogen, andere hatten ihr Engagement zurückgefahren.
Finanzministerium hat die Ruhe weg
Klar sei, dass es keine “einfache Lösung” gebe, das Geschäft in Russland abzubauen, sagte einer der Insider. Ein Verkauf der russischen Tochterbank sei auch nur mit Zustimmung von Präsident Waldimir Putin möglich. Einige österreichische Beamte hofften, dass die Bank dem Druck lange genug widerstehen könne, bis im Ukraine-Krieg eine friedliche Lösung gefunden sei und sich die Geschäftsbeziehungen mit Russland wieder normalisierten, sagten drei der Insider.
Ein Sprecher des Finanzministeriums in Wien verwies darauf, dass die meisten westlichen Unternehmen, einschließlich der Banken, Russland nicht verlassen hätten. Anzeichen für ein hartes Vorgehen der Amerikaner sehe man nicht. “Im Gegenteil, zwischen Russland und dem Rest der Welt findet ein reger Handel mit Rohstoffen wie Getreide, Düngemitteln, Öl, Gas, Nickel und anderen Metallen statt, für die natürlich Zahlungsvorgänge erforderlich sind, um Hungerkrisen und schwere Schäden für die Weltwirtschaft zu vermeiden”.
(red/apa)
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