Nach ihrer Selbstbefreiung hat die SPÖ eine Aufgabe: mit ihrem Wahlsieg die Orbánisierung Österreichs zu verhindern. Das ist die gemeinsame Aufgabe von Hans Peter Doskozil und Andi Babler, meint Peter Pilz.
Wien | Die Wahl in der SPÖ hat drei Gewinner: Hans Peter Doskozil ist Erster, weil ihm in seiner Partei wahrscheinlich als einzigem der Kanzler zugetraut wird. Andi Babler ist Zweiter, weil er die ermattete Partei in Bewegung gebracht hat. Die dritte Gewinnerin ist die SPÖ selbst. Sie lebt und steht nach langer Zeit wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit, weil alle wissen wollen, was sie jetzt schafft.
Der Verlierer heißt Christian Deutsch. Mit seinem politischen Ende ist ein Neuanfang möglich.
In zwei Wochen ist Parteitag. Dort fällt die zweite und endgültige Entscheidung, ob die SPÖ mit dem Rechtsblock aus ÖVP und FPÖ den Kampf um die Regierung aufnimmt. Am Rande der Arena stehen „Kommentatoren“ und rufen den beiden verbliebenen Kandidaten zu: „Stichwahl! Gib´s ihm! Weg mit dem rechten Dosko – oder dem linken Andi!“
Zwei Einwände
Ich habe dagegen zwei Einwände:
- Die Wahl des Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten ist kein Boxturnier. Es geht nicht darum, wer als Letzter steht, sondern wie die SPÖ gegen den Rechtsblock gewinnt und die Orbánisierung Österreichs verhindert.
- Doskozil ist kein „Rechter“. Seine Sozialpolitik ist „links“, seine Energiepolitik „grün“. Seine Einwanderungspolitik für das Burgenland und ganz Österreich ist pragmatisch, so wie es die Integrationspolitik von Andi Babler in Traiskirchen ist. Ich erinnere mich gut, wie ich versucht habe, vor zehn Jahren die Grünen auf einen ähnlichen Kurs zu bringen: keine Einschränkung des Asylrechts, in Integration investieren und die Grenzen kontrollieren, damit legal und nicht illegal eingewandert wird. Meine Grünen haben das abgelehnt – und dulden heute Abschiebungen von Kindern.
Die Abwahl von Rendi-Wagner und Deutsch hat die Klärung gebracht: Die SPÖ setzt sich in Bewegung, weil sie gegen ÖVP und FPÖ gewinnen will. Eine Stichwahl zwischen Doskozil und Babler klärt nur eines: dass die SPÖ kurz vor der Wahl eine ihrer beiden Zukunftshoffnungen verlieren könnte.
Die Rufe nach der Stichwahl werden daher vor allem von denen kommen, die ein Stechen statt eines Aufbruchs wollen. Sie fürchten mit der ÖVP um die letzte Chance, einen Kanzler Doskozil und einen Sozialminister Babler zu verhindern.
Die letzte Chance
Natürlich fällt es Andi Babler schwer, gerade in dem Moment, in dem seine Anhänger spüren, dass sie viel in Bewegung gesetzt haben, mit Doskozil eine Allianz zu bilden. Vielleicht braucht es noch eine klare Entscheidung auf dem Parteitag, damit die gesamte SPÖ aufbrechen kann. Vielleicht können Hans Peter Doskozil und Andi Babler erst am Abend dieses Parteitags miteinander losziehen.
Aber eines kann Babler schon jetzt tun: keine falschen Gräben aufreißen. Es geht nicht um die Verhinderung der „Machtübernahme der Rechten“ und einer „FPÖ im roten Mantel“. Es geht um das gemeinsame Projekt der beiden Zukunftshoffnungen der SPÖ. Und damit um die vielleicht letzte Chance, die Orbánisierung Österreichs zu verhindern.
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