Freitag, April 26, 2024

Teil1 1: Glücksspiel für Schulkinder

Die Regierung in Skopje wollte Schulkinder vor organisiertem Glücksspiel schützen. Der österreichische Botschafter in Nordmazedonien intervenierte offen dagegen. Stellte das Außenministerium Novomatic-Interessen über den Schutz von Schulkindern?

Wien | Der 21. November 2019 war für den österreichischen Glücksspielkonzern Novomatic ein Feiertag: Stolz meldete der Konzern die Eröffnung des Casinos „FlaminGO“ in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje. Auf rund 2.600 qm Fläche präsentierte Novomatic „290 hochmoderne Glückspielgeräte“, einen „großzügigen Live Gaming-Bereich mit 12 Tischen (6 Roulette-Tische, 6 Karten-Tische)“ und „die „Cigars‘ Bar“, in der sich die Gäste ungestört entspannen können“.

Die Eröffnung war laut Novomatic ein Erfolg: „Mehr als 800 Gäste – darunter der Bürgermeister der Stadt Skopje, Petre Shilegov sowie der österreichische Botschafter in Nordmazedonien, Dr. Georg Woutsas – kamen zur großen Eröffnungsfeier im Casino“. Dort war sich Milos Pejic als „Länderverantwortlicher“ von Novomatic sicher: „Mit diesem Casino haben wir in der Region einen neuen Standard gesetzt.“

Der Botschafter interveniert

Zwei Monate vor der Eröffnung des Novomatic-Casinos hatte Georg Woutsas als Botschafter die Vertretung Österreichs in Skopje übernommen. Regierung und Parlament in Skopje lernten ihn Anfang 2023 intensiver kennen. Am 23. Februar 2023 unterschrieb Woutsas als Botschafter einen Brief. Der Empfänger hatte Gewicht: „Dimitar Kovachevski, Ministerpräsident, Regierung der Republik Nord Mazedonien”.

Der Gegenstand war heikel: Botschafter Woutsas wollte, dass Regierung und Parlament in Skopje eine geplante Änderung des mazedonischen Glücksspielgesetzes zurückziehen: „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn die Regierung die geplanten Änderungen zurückziehen oder ausländische Investitionen ausnehmen würde. Danke für Ihr Verständnis. Ich verbleibe mit besten Grüßen – Georg Woutsas, Botschafter“.

Am 27. Februar sandte Woutsas denselben Brief an 21 Abgeordnete des nordmazedonischen Parlamentsausschusses für Europäische Angelegenheiten. Wo der Brief ankam, sorgte er für Unverständnis und Empörung.

„… ins Land gelockt…“

Schon am Beginn des Briefes ließ Woutsas die Katze aus dem Sack: „Ich weiß, dass es sich bei dieser Frage um eine delikate sozio-politische Angelegenheit handelt. Jedenfalls hat sich Nord Mazedonien wie Österreich für Glücksspiel entschieden und auf dieser Grundlage ausländische und mit ihnen auch österreichische Investoren ins Land gelockt.“ Dann verwies der österreichische Botschafter auf seine persönlichen Kontakte zum Glücksspiel: „Diese Unternehmen – Casinos Austria und Novomatic – versichern mir, dass sie für den höchsten Standard an Spielerschutz, wie er in Österreich und der EU üblich ist, sorgen.“

Novomatic war es offensichtlich gelungen, den Botschafter früh zu überzeugen. Woutsas hielt im Brief selbst fest, dass er sich bereits „vor etlichen Monaten und sogar Jahren“ bei Finanzminister Fatmir Besimi und dem stellvertretendem Regierungschef Fatmir Bytyqi vergeblich für die österreichischen Konzerne eingesetzt hätte. Im Februar 2023 lasen sich seine Forderungen an Regierungschef und Abgeordnete wie ein Ultimatum des Glücksspiels an die Regierung:

  • Keine Mitspracherechte des Finanzministeriums bei Änderungen des Gründungskapitals und Änderungen bei den Eigentümern
  • Keine neuen oder höheren Lizenzabgaben für die Dauer der Lizenz
  • Keine Einschränkungen bei den Standorten für VLT-Glücksspielautomaten (Video Lotto Terminals).

„ausländisches Kapital“ statt Schulkinder

Ein Punkt sorgte für besondere Empörung. Regierung und Parlament wollten Schulkinder vor Automatenhallen und Wettbüros des organisierten Glücksspiels schützen. Dafür sollte eine 500 Meter-Schutzzone rund um Schulen eingeführt werden. Aber Österreich deponierte über seinen Botschafter unmissverständlich: „Für Spiellokale Verbotszone von 500 m rund um Schulen: Ausnahme für diese Standorte zumindest soweit sie mit ausländischem Kapital betrieben werden, jetzt und in Zukunft“. Konzerne wie Novomatic sollten auch weiter ihr Geschäft in Schulnähe machen können. Kinder sollten nur vor mazedonischen, aber nicht vor österreichischen Glücksspielkonzernen geschützt werden.

Botschafter Woutsas beließ es nicht bei Forderungen. Sein Brief enthielt auch drohende Hinweise auf „großen Schaden für den Wirtschaftsstandort Nordmazedonien“ und „Schadensersatzforderungen in Höhe Hunderter Millionen Euro“. Woutsas schloss die EU in seine Drohungen ein: „Im Zusammenhang mit Budgethilfen durch die EU würden solche Summen, die letztlich aus dem beschränkten nationalen Budget bestritten werden müssten, kein Bild seriöser Budgetpolitik abgeben“.

Die Intervention des Botschafters schloss mit einer klaren Aufforderung: „Ich wäre sehr erfreut, wenn die Regierung die vorgesehenen Änderungen zurückziehen oder ausländisches Investment davon ausnehmen würde“.

In der Zwischenzeit ist es offensichtlich gelungen, den Gesetzesbeschluss zu verzögern. „Das steckt in den Ausschüssen“, berichtet ein Mitarbeiter aus dem Parlament. „Plötzlich geht nichts mehr weiter“.

Das Außenministerium hat inzwischen reagiert. „Die Ihnen vorliegenden Briefe wurden ohne vorherige Abstimmung mit dem Außenministerium in Wien versendet, was falsch war. Darauf wurde der Botschafter kurz darauf auch ausdrücklich hingewiesen“, teilt das Ministerium auf ZackZack-Anfrage mit und betont: „Das Außenministerium bekennt sich zu einem starken Spielerschutz“.

Damit blieb eine Frage offen: Hat das Außenministerium den Premierminister und die Abgeordneten in Skopje informiert, dass die Intervention von Botschafter Woutsas im Widerspruch zur Haltung des Außenministeriums stand und Österreich den verstärkten Spielerschutz in Skopje unterstützen und nicht bekämpfen würde? Auf ZackZack-Nachfrage gab es auch darauf eine Antwort: “Die Inhalte des Schreibens waren in Gesprächen des Außenministeriums mit Vertretern Nordmazedoniens, mit dem Österreich bekanntlich einen engen, regelmäßigen Austausch pflegt, kein Thema.”

In Skopje ist bis jetzt nichts von der österreichischen Wende zum Spielerschutz bekannt. Alles, was man dort weiß, stammt aus einem Bericht des nordmazedonischen Magazins „360 Grad“.

 Botschafter Georg Woutsas selbst konnte weitermachen. Dazu mehr in Teil 2 der Serie „Interventionen in Skopje“.

Hier finden Sie die beiden Schreiben von Botschafter Woutsas in Langfassung.

Titelbild: MICHAEL GRUBER / APA / picturedesk.com, HERBERT PFARRHOFER / APA / picturedesk.com, Montage ZackZack

Peter Pilz
Peter Pilz
Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.
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29 Kommentare

  1. Gebt euch das. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230706_OTS0048/ak-zu-gentechnik-vorschlag-der-eu-das-recht-der-konsumentinnen-auf-information-wird-mit-den-fuessen-getreten

    Die EU-KOMMISSION geht wirklich zu weit! Wir sind bitte kein Vieh im Stall, bei dem der Bauer mal schnell auf ein günstigeres Futtermittel wechselt, wenn er ein gutes Angebit kriegt. Es gab eine Volksbefragung und Europa will den Schmarrn nicht.
    Da braucht man die Europäer jetzt nicht linken, mit solchen Tricks. Behaltets eurem Sch***!

    • Bei dem was hier 2 Jahre verimpft wurde, ist dieses Thema nur noch Kosmetik.
      Auch gibt es einen Hr. Fassmann der als Präsident der Akademie der Wissenschaft die GENTechnik in Lebensmittel ganz toll findet…..

    • Es gab eine Volksbefragung …….
      Nur ist das Volk den Machtigen in und hinter der EU-Kommission immer schon scheisseegal gewesen.
      Ein ÖXIT sollte überlegt werden, in aller Ruhe und Rationalität breit diskutiert werden (dürfen).

      • Geh-nauuu!
        Wir schießen uns jetzt mit den Blaunen
        70 Jahre weit zurück
        bis in die 50er – mit bisserl Glück
        helfen Engel uns, die Bertl-Braunen
        dann noch 2 Jahrzehnte weiter
        im 34er geh’n dann Linke Maier
        der Ständestaat soll Urständ feiern!
        Mit dem Dollfuß wär’s doch viel gescheiter?
        Hör’n wir auf herumzueiern…!

      • @Putinversteher
        Ich habs geahnt. Du bist nicht nur ein Putinversteher sondern noch dazu blaubraunes Xindl. Öxit? Und dann?
        Tut Deine Blödheit eigentlich weh?
        Unfassbar wie minderbemittelt Du hier rechtsextreme Thesen verbreitest .
        Solche Typen wie Du, machen unser Land kaputt.
        In Wahrheit bist Du der typische Pattaya Besucher, dumm, rückständig und noch dazu rechts orientiert . Darum sprichst ( schreibst) Du so oft von Pattaya. Das ist Deine Gegend…..da bist Du wer, bei den armen Thai Mädchen, glaubst Du.

  2. Hoffentlich verlangt man keine Vermögenssteuer von Novomatik. Ich bin in Sorge, daß dann das Geschäftsmodell des Herrn Graf zusammenbricht und der von und zu Protektionsaussenminister nicht mehr intervinieren kann.

    • Novomatic schmiert doch eh schon alle
      “steuert” brav zum Wahnsinn bei
      der “normal” wird in der Vaupen Falle
      ob’s auch Kinder trifft ist einerlei…
      Graf & Co sind Waschmaschinen
      für die Herr’n im feinen Zwirn
      politischer Moral-Ruinen
      die eigentlich in Häf’n g’hörn…

  3. Noch immer keine Aufklärung warum die Behörden zu den vom “Bub im Humdezwinger” schon verzweifelt gemachten (Diebstahl in Geschäften…) Hilfeansuchen, welche mindestens zweimal auch noch zu Anzeigen führten einfach untätig blieben?
    Da werden wir wohl auch nicht erfahren, was diese offensichtlich gekauften Gesetze in Macedonien für Schäden an die dortigen Kinder angerichtet hat und welche Mehreinnahmen daraus lukriert werden konnten?
    Für mich ist das gelebter Faschismus in Reinkultur. – Vor allem auch die Nichtaufklärungen und das untätig sein und bleiben der dafür in einem Rechtsstaat zuständigen Behörden? – Ob die das alles gratis tun?

  4. https://orf.at/#/stories/3322950/:

    “Casinos-Austria-Sprecher Patrick Minar betonte im Ö1-Mittagsjournal, es sei legitim, „den diplomatischen Dienst dafür einzusetzen, um legitime Geschäftsinteressen von österreichischen Unternehmen im Ausland zu vertreten“. Kontakt mit Woutsas habe man aufgenommen, weil das Gesetzesvorhaben das gesamte Geschäftsmodell gefährdet hätte.”

    Was ist das also für ein Gschäftsmodell?

  5. Ein Wahnsinn. Mir kommt die Galle hoch. Diesen Botschafter Woutsas sollte man vor Gericht stellen. Er missachtet massiv die UNO Kinderrechtskonvention zum Schutz und Wohl der Minderjährigen. Ein charakterloser Typ sondergleichen.

    • War da nicht etwas im Zusammenhang mit Novomatic und großzügigsten Geldgeschenken?

      Oder täusche ich mich da womöglich?

  6. Das Glücksspiel gehört – neben Menschenhandel, Prostitution, Drogenhandel, Waffenhandel – zu den wesentlichen Geschäftsfeldern der organisierten Kriminalität.
    Es geht beim Glücksspiel um sehr viel Geld.

    Deshalb sollten wir uns ein Beispiel an Norwegen nehmen.
    Dort ist das Glücksspiel komplett verstaatlicht. Es gibt ein Werbeverbot, volle Kontrolle, und vollen Jugendschutz. Gewinne fliessen nicht in Konzerne, sondern in Prävention, Behandlung und Sport-Infrastruktur.

    https://www.hagerhard.at/blog/2019/12/casino-royal/

  7. Kann die Aufregung wieder einmal überhaupt nicht nachvollziehen.
    Der gerade hier so beliebte AM bzw. Ex- BK und Impfgott, dem man ja eine sooo hohe Intelligenz nachsagt, hat damit garantiert nichts zu tun. 😉
    Ein Schelm der böses denkt.
    Für jene die etwas anderes auch nur vermuten, wird das ganz ungemütlich werden…

  8. Unfassbar, dass diese Glückspiele auch noch in der Zeit so propagiert wurden, wo die Meschen ohnehin schon sozial am Boden liegen und damit der Drang sich über eine solche Vorgangsweise des Glücks verstärkt versuchen irgendwie doch noch herauszumogeln, mit dem Effekt der Totalvernichtung verbunden.
    Das Glückspiel gehört zum Polit Paket, “bleibt der Frosch sitzen”, wie eben schon Wolf, Bieber, Netophyten, Inflation, Krieg, Klima, etc. auch hier könnte ich noch lange fortfahren!

    Aber diese hier nun aufgedeckte und dokumentierte Vorgangsweise auch noch in einem armen Land wie Macedonien und dann noch bezüglich Kindern und politischen Interverntionen dafür (dass diese gratis waren und sind, glaubt ja ohnehin keiner…) schlägt dem Fass wieder den Boden aus.
    (Da kann man nur schwer hoffen, dass nicht die FPÖ hier wieder irgendwie ihre Finger im Spiel hatte…?)

    • Ja doch. Bei der Kampagne zur Privatisierung des Glücksspiels war die FPÖ selbstverständlich an vorderster Front dabei. Als aufmerksamer Beobachter wissen Sie das aber ohnehin.

      • Nochmals ich bin kein FPÖ´ler aber so gut wie möglich und notwendig weiter neutral wie es ja eigentlich auch ganz Österreich sein sollte?
        Ihnen aber scheint es nicht so sehr um die Sache zu gehen, zu der ich wieder schrieb?

        Sollte hier die FPÖ Verantwortung tragen, dann muss diese genauso wie alle anderen entsprechend zur Verantwortung gezogen werden? Aber vermutlich werden nicht einmal die Qualitätsmedien darüber berichten und wenn doch, dann wird es trotzdem wieder bald versandet sein, so wie es eben in einer Wahldemokratie üblich ist…

        Und wenn die FPÖ verantworlich sein sollte, dann werden wir es aber dann ohnehin bald erfahren – vielleicht ist das auch die große Chance hier in diesem Skandal, dass da auch wirklich einmal etwas Substantielles herauskommt und auch so berichtet werden wird?

  9. “Stellt das Außenministerium Novomatic-Interessen über den Schutz von Schulkindern?” Jederzeit.

    Ich konstatieren dieselbe Herrenreiter Attitüde, wie sie der Aussenminster an den Tag zu legen pflegt.

    • Novomatic zahlt alle!
      Auch die Ex- Obergrüne Funkenhexe Schlauistnichts, ließ sich gerne fürstlich von der Novomatic entlohnen. -Bloß: Wos woa ihre Leistung?

      • Eine gute Frage, denn hier scheint sie offensichtlich schwer versagt zu haben und bin ich deshalb schon gespannt auf ihre Ausrede warum sie hier nichts wußte?

        • @Dealer
          Oder aber auch sowas wie ein Gewissen könnte sich bei ihr nach mehrjähriger Abstinenz bei den Grünen (wieder) entwickelt haben und Sie deshalb den Konzern verlassen hat…

          • Sie meinen sie ist knapp vor dem Zeitpunkt, da man auch ihr Gewissen noch “abgekauft” hätte gerade noch ausgestiegen und hat wenigstens dazu noch die Kurve gekriegt?

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