Die Regierung in Skopje wollte Schulkinder vor organisiertem Glücksspiel schützen. Der österreichische Botschafter in Nordmazedonien intervenierte offen dagegen. Stellte das Außenministerium Novomatic-Interessen über den Schutz von Schulkindern?
Wien | Der 21. November 2019 war für den österreichischen Glücksspielkonzern Novomatic ein Feiertag: Stolz meldete der Konzern die Eröffnung des Casinos „FlaminGO“ in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje. Auf rund 2.600 qm Fläche präsentierte Novomatic „290 hochmoderne Glückspielgeräte“, einen „großzügigen Live Gaming-Bereich mit 12 Tischen (6 Roulette-Tische, 6 Karten-Tische)“ und „die „Cigars‘ Bar“, in der sich die Gäste ungestört entspannen können“.
Die Eröffnung war laut Novomatic ein Erfolg: „Mehr als 800 Gäste – darunter der Bürgermeister der Stadt Skopje, Petre Shilegov sowie der österreichische Botschafter in Nordmazedonien, Dr. Georg Woutsas – kamen zur großen Eröffnungsfeier im Casino“. Dort war sich Milos Pejic als „Länderverantwortlicher“ von Novomatic sicher: „Mit diesem Casino haben wir in der Region einen neuen Standard gesetzt.“
Der Botschafter interveniert
Zwei Monate vor der Eröffnung des Novomatic-Casinos hatte Georg Woutsas als Botschafter die Vertretung Österreichs in Skopje übernommen. Regierung und Parlament in Skopje lernten ihn Anfang 2023 intensiver kennen. Am 23. Februar 2023 unterschrieb Woutsas als Botschafter einen Brief. Der Empfänger hatte Gewicht: „Dimitar Kovachevski, Ministerpräsident, Regierung der Republik Nord Mazedonien”.
Der Gegenstand war heikel: Botschafter Woutsas wollte, dass Regierung und Parlament in Skopje eine geplante Änderung des mazedonischen Glücksspielgesetzes zurückziehen: „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn die Regierung die geplanten Änderungen zurückziehen oder ausländische Investitionen ausnehmen würde. Danke für Ihr Verständnis. Ich verbleibe mit besten Grüßen – Georg Woutsas, Botschafter“.
Am 27. Februar sandte Woutsas denselben Brief an 21 Abgeordnete des nordmazedonischen Parlamentsausschusses für Europäische Angelegenheiten. Wo der Brief ankam, sorgte er für Unverständnis und Empörung.
„… ins Land gelockt…“
Schon am Beginn des Briefes ließ Woutsas die Katze aus dem Sack: „Ich weiß, dass es sich bei dieser Frage um eine delikate sozio-politische Angelegenheit handelt. Jedenfalls hat sich Nord Mazedonien wie Österreich für Glücksspiel entschieden und auf dieser Grundlage ausländische und mit ihnen auch österreichische Investoren ins Land gelockt.“ Dann verwies der österreichische Botschafter auf seine persönlichen Kontakte zum Glücksspiel: „Diese Unternehmen – Casinos Austria und Novomatic – versichern mir, dass sie für den höchsten Standard an Spielerschutz, wie er in Österreich und der EU üblich ist, sorgen.“
Novomatic war es offensichtlich gelungen, den Botschafter früh zu überzeugen. Woutsas hielt im Brief selbst fest, dass er sich bereits „vor etlichen Monaten und sogar Jahren“ bei Finanzminister Fatmir Besimi und dem stellvertretendem Regierungschef Fatmir Bytyqi vergeblich für die österreichischen Konzerne eingesetzt hätte. Im Februar 2023 lasen sich seine Forderungen an Regierungschef und Abgeordnete wie ein Ultimatum des Glücksspiels an die Regierung:
- Keine Mitspracherechte des Finanzministeriums bei Änderungen des Gründungskapitals und Änderungen bei den Eigentümern
- Keine neuen oder höheren Lizenzabgaben für die Dauer der Lizenz
- Keine Einschränkungen bei den Standorten für VLT-Glücksspielautomaten (Video Lotto Terminals).
„ausländisches Kapital“ statt Schulkinder
Ein Punkt sorgte für besondere Empörung. Regierung und Parlament wollten Schulkinder vor Automatenhallen und Wettbüros des organisierten Glücksspiels schützen. Dafür sollte eine 500 Meter-Schutzzone rund um Schulen eingeführt werden. Aber Österreich deponierte über seinen Botschafter unmissverständlich: „Für Spiellokale Verbotszone von 500 m rund um Schulen: Ausnahme für diese Standorte zumindest soweit sie mit ausländischem Kapital betrieben werden, jetzt und in Zukunft“. Konzerne wie Novomatic sollten auch weiter ihr Geschäft in Schulnähe machen können. Kinder sollten nur vor mazedonischen, aber nicht vor österreichischen Glücksspielkonzernen geschützt werden.
Botschafter Woutsas beließ es nicht bei Forderungen. Sein Brief enthielt auch drohende Hinweise auf „großen Schaden für den Wirtschaftsstandort Nordmazedonien“ und „Schadensersatzforderungen in Höhe Hunderter Millionen Euro“. Woutsas schloss die EU in seine Drohungen ein: „Im Zusammenhang mit Budgethilfen durch die EU würden solche Summen, die letztlich aus dem beschränkten nationalen Budget bestritten werden müssten, kein Bild seriöser Budgetpolitik abgeben“.
Die Intervention des Botschafters schloss mit einer klaren Aufforderung: „Ich wäre sehr erfreut, wenn die Regierung die vorgesehenen Änderungen zurückziehen oder ausländisches Investment davon ausnehmen würde“.
In der Zwischenzeit ist es offensichtlich gelungen, den Gesetzesbeschluss zu verzögern. „Das steckt in den Ausschüssen“, berichtet ein Mitarbeiter aus dem Parlament. „Plötzlich geht nichts mehr weiter“.
Das Außenministerium hat inzwischen reagiert. „Die Ihnen vorliegenden Briefe wurden ohne vorherige Abstimmung mit dem Außenministerium in Wien versendet, was falsch war. Darauf wurde der Botschafter kurz darauf auch ausdrücklich hingewiesen“, teilt das Ministerium auf ZackZack-Anfrage mit und betont: „Das Außenministerium bekennt sich zu einem starken Spielerschutz“.
Damit blieb eine Frage offen: Hat das Außenministerium den Premierminister und die Abgeordneten in Skopje informiert, dass die Intervention von Botschafter Woutsas im Widerspruch zur Haltung des Außenministeriums stand und Österreich den verstärkten Spielerschutz in Skopje unterstützen und nicht bekämpfen würde? Auf ZackZack-Nachfrage gab es auch darauf eine Antwort: “Die Inhalte des Schreibens waren in Gesprächen des Außenministeriums mit Vertretern Nordmazedoniens, mit dem Österreich bekanntlich einen engen, regelmäßigen Austausch pflegt, kein Thema.”
In Skopje ist bis jetzt nichts von der österreichischen Wende zum Spielerschutz bekannt. Alles, was man dort weiß, stammt aus einem Bericht des nordmazedonischen Magazins „360 Grad“.
Botschafter Georg Woutsas selbst konnte weitermachen. Dazu mehr in Teil 2 der Serie „Interventionen in Skopje“.
Hier finden Sie die beiden Schreiben von Botschafter Woutsas in Langfassung.
Titelbild: MICHAEL GRUBER / APA / picturedesk.com, HERBERT PFARRHOFER / APA / picturedesk.com, Montage ZackZack