Sonntag, Juni 16, 2024

Peilsender-Angriff auf Glücksspiel-Anwältin: „Ich habe Angst“

Am Abend des 11. Jänner 2024 montiert ein ihr unbekannter Mann am Auto der Grazer Anwältin Julia Eckhart in der Tiefgarage eines Hotels einen Peilsender. Eckhart vermutet, dass die Glücksspielbranche dahintersteckt.

Die Grazer Anwältin Julia Eckhart kämpft vor Gericht schon länger gegen große Glücksspielunternehmen wie Novomatic. Sie hat sich auf Glücksspielrecht spezialisiert und hilft ihren Mandanten, ihre Spielverluste vor Gericht erfolgreich zurückzufordern.

Das ist nicht allen recht. Seit Sommer 2023 wurde Eckhart von Privatdetektiven verfolgt. Im Jänner 2024 erreichte die Verfolgung in einer Wiener Tiefgarage ihren Höhepunkt.

Detektiv installiert Peilsender an Auto

Am 11. Jänner 2023 beobachtet ein Securitymitarbeiter des Hotels „Andaz am Belvedere“ in der Nähe des Wiener Hauptbahnhofs etwas Außergewöhnliches. In der Tiefgarage des Hotels umkreist ein Mann in Kapuzenpullover und Haube ein Auto. Dann geht er zu seinem eigenen Wagen, um einen Gegenstand zu holen und kehrt zum fremden Auto zurück. Das Auto mit Grazer Kennzeichen gehört dem Lebensgefährten von Julia Eckhart.

Der Mann versucht noch eilig, eine Überwachungskamera in der Garage zur Seite zu drehen. Als ihm das nicht gelingt, rutscht er unter Eckharts Auto und werkt an der Unterseite des Fahrzeugs herum. Dann steigt er in seinen Wagen und verlässt die Garage.

Bild: Mann montiert Peilsender an Auto von Julia Eckhart, Quelle: Ermittlungsakt ST 51/24 i

Ein Sicherheitsmitarbeiter im Hotel ruft die Polizei. Die Beamten untersuchen die Unterseite des Wagens und finden einen Peilsender, mit dem man den Standort des Autos bestimmten kann.  

Bei der Polizei sagt der Securitymanager des Hotels später aus: „Meinem Security Mitarbeiter, der Nachtschicht hatte, ist beim Durchschalten der Kameras aufgefallen, wie in der Garage ein Mann unter einem Auto liegt. Er ist hingegangen und hat gefragt, ob er helfen kann und dieser Mann hat ihm irgendeine seltsame Geschichte erzählt, dass dieses Auto einem Freund gehört und er sich nur einen Schaden oder sowas ansehen wollte.“

Der Peilsender wird dem Hotel-Personal übergeben und anschließend Julia Eckhart aushändigt. Später wird der GPS-Tracker samt SIM-Karte von der Polizei sichergestellt.

Bild: Der an dem Auto installierte Peilsender. Er war mit einer SIM-Karte ausgestattet. Quelle: Ermittlungsakt 51/24 i

Das Schlüssel-Märchen

Wer ist der Mann im Kapuzenhoodie, der abends in der Garage auftaucht und sich an einem fremden Auto zu schaffen macht? Den bislang Unbekannten identifiziert die Polizei über dessen Autokennzeichen.

Es handelt sich um Norbert H., Betreiber einer Detektei namens „SECCON Security Consulting“ in der Wiener Innenstadt. Dieser erzählt der Polizei am nächsten Tag eine andere Geschichte als dem Securitymitarbeiter des Hotels. Demnach habe er „in der Garage seinen Schlüssel fallen lassen, welcher anschließend unter das Fahrzeug […] flog. Deshalb hatte er sich unter das KFZ gelegt um nach seinem Schlüssel zu suchen. Im Hotel war er gewesen, da er mit einem Freund, dem S., welcher im Hotel wohnen würde, zum Essen verabredet war.“ Tatsächlich traf sich H. kurz mit einem zweiten Mann – Sebastian S., wie Kameraaufnahmen des Hotels belegen. Auch S. arbeitet laut Eckharts Anwalt bei einer Wiener Detektei – der PRM GmbH.

Bild: Norbert H. trifft sich im Hotel mit einem zweiten Detektiv – Sebastian S. Quelle: Ermittlungsakt 51/24 i

Geständnis nach verweigerter Aussage

Rund drei Wochen später, am 2. Februar, sitzt H. auf der Polizeiwache am Hauptbahnhof zur Einvernahme. Er verweigert die Aussage.

Eine Woche später, am 9. Februar 2024, übermittelt er eine schriftliche Sachverhaltsdarstellung an die Polizei. Darin ist keine Rede mehr von Schäden am Fahrzeug oder einem heruntergefallenen Schlüsselbund. Norbert H. gesteht, den Peilsender am Eckhart-Auto montiert zu haben: „Am 11.01.2024, gegen 21.15 Uhr, wurde von mir in der Tiefgarage des Hotels „ANDAZ“ auf einem PKW mit dem behördlichen Kennzeichen G-XXXXX [Kennzeichen der Redaktion bekannt] ein GPS Tracker montiert.“ Auf weitere Fragen antwortet er ausweichend: „Ziel war es, die bis dato unbekannte weibliche Person, die bei unseren Ermittlungen auftauchte zu identifizieren, um festzustellen, welche Relevanz sie für unsere Erhebungen hat… Weitere Informationen zum Hintergrund unserer Ermittlungen können nicht bekannt gegeben werden.“

Monatelange Observation

Dass H. vor dem Peilsender-Angriff noch nicht wusste, wer Eckhart ist, erscheint der Polizei allerdings unglaubwürdig. Sie berichtet der Staatsanwaltschaft Wien: „H. observierte die Eckhart bereits am 15.06.2023, nach einer Gerichtsverhandlung gegen die Novomatic, bei einer Mandantenbesprechung auf der Raststation Oldtimer, gemeinsam mit einer unbekannten Frau.“

Möglicherweise steht die Verfolgung von Eckhart durch Norbert H. im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit für den Verein „Spielerhilfe“ oder einer anderen Mandantschaft.

Die Anwältin erinnert sich genau: Ein Mann setzte sich mit einer Kollegin, die schon beim Gericht dabei war, zwei Tische weiter hin und begann, die Anwältin und ihren Mandanten zu fotografieren. Eckharts Mandanten machten mit ihrem Telefon ebenfalls Aufnahmen der fotografierenden Unbekannten.   

Bild: Norbert H. und eine junge Frau observieren Eckhart auf einer Autobahnraststätte, Quelle: Ermittlungsakt 51/24 i

Diese Aufnahmen zeigt Eckhart der Polizei. Am 16. Februar ist für den Ermittler klar, dass H. die Anwältin schon länger verfolgt. Jetzt will er von H. wissen, für wen dieser arbeitet: „Ich habe ihre Sachverhaltsdarstellung erhalten. Wie mir nunmehr bekannt ist, verfolgen sie die Frau ECKHART jedoch bereits seit vorigem Sommer und sehe ich in dem lapidaren Hinweis auf unbekannte Ermittlungen keinen Rechtfertigungsgrund dafür. Ich möchte sie daher auffordern, offenzulegen ob sie in eigenem oder fremdem Interesse ermitteln und wer ihr Auftraggeber und was Ziel dieser Ermittlungen ist.“

Geheime Auftraggeber

Norbert H. schweigt zu seinen Auftraggebern im Hintergrund. Gegenüber der Datenschutzbehörde gibt er in einer Stellungnahme im April 2024 an, warum er am Abend des 11. Jänner im Hotel „Andaz“ zugegen war: „Zum verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt war [ich] seitens eines hier zu anonymisierenden Kunden (Verschwiegenheitsverpflichtung…) vertraglich beauftragt, bestimmte Personen („Zielpersonen“) zu observieren. Dies zur Aufklärung eines strafbaren Verhaltens zu Lasten des Kunden.“

Eine Anfrage von ZackZack lässt er unbeantwortet.

Eckharts Anwalt übermittelt der Staatsanwaltschaft seine Vermutung, wer als Auftraggeber der  Observation in Frage kommt:  „Für die Privatbeteiligte liegt nahe, dass große Glückspielunternehmen, gegen die sie als Anwältin vorgeht, als Auftraggeber in Frage kommen. Diese Unternehmen haben auch ein ökonomisches Interesse daran, dass die Privatbeteiligte in ihren anwaltlichen Tätigkeiten (die den Glückspielunternehmen naturgemäß schaden und diesen nicht willkommen sind) beeinträchtigt wird.“

Weder Norbert H. noch Novomatic als “großes Glücksspielunternehmen” wollten sich ZackZack gegenüber zu den Vorfällen äußern. Der Betreiber der zweiten Detektei, Markus S., erklärte, dass es mir aus datenschutz- und vor allem gewerberechtlichen Gründen verwehrt ist, Ihnen Auskünfte über Geschäftsbeziehungen meines Unternehmens zu erteilen“.

Es wäre möglicherwiese nicht das erste Mal, dass Novomatic mit Detektiven zusammenarbeitet. Eine Detektei mit Novomatic-Nähe ist laut Medienberichten die „Omnia-Detektei GmbH“, bei der Geschäftsführer Gert Schmidt den Ton angibt. Die Detektei wird laut „Profil“ von Novomatic finanziert. Schmidt betreibt auch den Onlineblog „infothek.eu“, in dem Kampagnen gegen Novomatic-Gegner laufen. Im Mai 2023 wurde er zu neun Monaten bedingter Haft verurteilt, weil er einen Zeugen vor dem Ibiza-U-Ausschuss zu falschen Aussagen über Novomatic bewegen wollte, wie der „Standard“ berichtete.

Bei Anwältin Julia Eckhart hat der Peilsender-Angriff Spuren hinterlassen.: „Ich habe seit diesem Vorfall Angst. Ich bin alleinerziehende Mutter dreier Kinder, wohne am Land in einer einsamen Gegend neben dem Wald. Ich fühle mich ständig verfolgt und beobachtet und kann mich nicht mehr frei und entspannt bewegen.“

Staatsanwaltschaft Wien ermittelt

Für Detektiv Norbert H. ging die Installation des Peilsenders nach hinten los. Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigt Ermittlungen wegen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz: “Es wird eine Person sowie ein Verband als Beschuldigte geführt, zwei weitere Personen als Angezeigte – alle jeweils wegen § 63 DSG 2021. Die Ermittlungen laufen.”

Ein Verfahren wegen Besitzstörung hat die Anwältin gegen ihren Verfolger bereits gewonnen. Im aktuellen Vergehen gegen das Datenschutzgesetz droht H. im schlimmsten Fall ein Jahr Haft. Es gilt die Unschuldsvermutung.


Titelbild: Screenshot Ermittlungsakt 51/24 i

Profil-Artikel zu Gert Schmidt und illegalem Glücksspiel

Standard-Artikel über die bedingte Haftstrafe für Gert Schmidt

Autor

  • Daniel Pilz

    Taucht gerne in komplexere Themengebiete ein und ist trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm stecken geblieben.

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