Die WKStA führt Karl Mahrer als Verdächtigen, weil er für dubiose Geschäfte der „CHARISMA“ GmbH, des PR-Unternehmens seiner Frau, die Fäden gezogen haben soll. ZackZack dokumentiert, dass Karl Mahrer jahrelang selbst „CHARISMA“ war.
Anfang Dezember 2021 erhält der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Karl Mahrer ein Schreiben der WKStA: „Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft teilt gemäß § 50 Strafprozessordnung mit, dass gegen Sie zum Faktum „Consulting Fee Charisma Gesellschaft für Handel und Öffentlichkeitsarbeit GmbH” wegen nachstehender Verdachtslage ein Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung eingeleitet wurde.“ Der Kriminalfall „Wienwert AG“ hat den Sicherheitssprecher der ÖVP erreicht. Aber die „Mahrer/CHARISMA“-Geschichte beginnt zwanzig Jahre früher.
Nebenberuflich PR-Manager
Im Jahr 2002 ist Karl Mahrer noch Oberst und Leiter der Personalabteilung der Wiener Polizei. Die spätere ÖVP-Landtagsabgeordnete Karin Holdhaus arbeitet zu dieser Zeit als Pressesprecherin für ÖVP-Innenminister Ernst Strasser. Holdhaus weiß, dass Mahrer einen zweiten Job hat. Sie informiert ihren Minister am 9. August 2002: „Oberst Mahrer ist „nebenberuflich“ „PR-Manager“ für die Gallerias (= Einkaufszentrum)“.
Die „Galleria“ ist ein Einkaufszentrum im Wiener Bezirk „Landstrasse“. Bis heute arbeitet dort eine „Mahrer“ im „Galleria Centermanagement“: Christine Mahrer, die Ehefrau des ÖVP-Stadtrats und Polizeigenerals.
Holdhaus meldet ihrem Minister, dass Mahrer „zwei Aktionstage in Kooperation mit dem Landesstudio des ORF“ in der „Galleria“ plant. Aber der ÖVP-Oberst hat noch mehr vor: „Er möchte diese Tage unterschwellig für die ÖVP nutzen. Gemeinsam mit ÖVP 3. Bezirk und zwei Polizeibeamten (ÖVP) würde er den 5. (= Samstag) unter das Motto „Sicherheit“ stellen und hat angefragt, ob du hinkommen könntest.“
Die Pressesprecherin ist von den beiden ÖVP-Polizisten überzeugt: „Ausnahmsweise engagierte und fähige Burschen – hab mit ihnen schon gesprochen“.
Seit dem Jahr 2000 vermischt Mahrer Polizei, Partei und Geschäft. Die Nachrichten, die Mahrers berufliches Doppelleben verraten, stammen aus den Strasser-Mails, die Peter Pilz im Nationalrat aus dem Innenministerium zugespielt wurden.
Karl, Christine und CHARISMA
Innenminister Strasser weiß im Jahr 2002 nicht, dass die Mahrers geschäftlich noch mehr verbindet. Mit Gesellschaftsvertrag vom 21. April 1997 haben die Mahrers die „CHARISMA Studio für Lederwaren und Accessoires GmbH“ gegründet. Vom Start weg gibt es nur zwei Gesellschafter: Christine und Karl Mahrer. Christine Mahrer führt die Geschäfte und hält 25 Prozent der Anteile. Karl Mahrer hat mit 75 Prozent das Sagen.
Mit deren Lederwaren schreibt Karl Mahrer Verluste: 496.000 Schilling im Gründungsjahr, knapp 2,3 Millionen Schilling ein Jahr später. 1999 beträgt der Leder- und Accessoires-Verlust der Mahrers 1,6 Millionen Schilling. 4,4 Millionen Schilling Verluste – das ist die Bilanz der Lederjahre der Familie Mahrer.
Wendejahr 2000
Im Mai 2000 hat die ÖVP mit Wolfgang Schüssel bereits die Regierung übernommen. Ernst Strasser ist Innenminister. Karl und Christine Mahrer entdecken, dass es bessere Geschäftsideen als „Lederwaren“ gibt. Sie finden ein neues Geschäftsfeld: „Public Relations“. In der Generalversammlung am 2. Mai 2000 machen die Mahrers aus der Leder-GmbH die „CHARISMA Gesellschaft für Handel und Öffentlichkeitsarbeit“. Hier beginnt der Weg, der die Mahrers 21 Jahre später ins Visier der WKStA führen wird.
Kaum ersetzt „Öffentlichkeitsarbeit“ den Lederhandel, wirft das Geschäft Gewinn ab: 1,4 Millionen Schilling im Wendejahr 2000, zwei Millionen ein Jahr später. 2002 werden die Gewinne erstmals in „Euro“ verbucht. Am Ende des Jahres beträgt der Mahrer-Gewinn 98.000, im Jahr darauf 112.000 Euro. Leder und Verluste sind Vergangenheit, „PR“ und Gewinn die Zukunft.
Ende 2006 ist die schwarze Zahl weiter gewachsen. Karl Mahrer und seine Frau haben mit CHARISMA von 2000 bis 2006 insgesamt 766.119,18 Euro Gewinn gemacht.
„kein Teilnehmer bekannt“
Am 1. Oktober 2006 verlieren Wolfgang Schüssel und seine ÖVP die Nationalratswahl. Vier Tage später trennt sich Karl Mahrer von seinen CHARISMA-Anteilen. Offiziell gehört „CHARISMA“ jetzt nur noch Mahrers Ehefrau. Karl Mahrer bleibt im Hintergrund.
2010 übersiedelt CHARISMA aus der Rasumofskygasse im 3. Wiener Bezirk in die Sonnbergstraße 62 in Perchtoldsdorf. Dort wird später eine weitere Mahrer-Firma ihr erstes Quartier aufschlagen: die „Karl Mahrer Communications GmbH“. Doch CHARISMA zieht weiter und residiert heute in der Landstraßer Hauptstraße im 3. Wiener Bezirk.
Aber wer auf „Firmen ABC“ die CHARISMA-Homepage anklickt, landet bei einer Adresse im niederösterreichischen Kaltenleutgeben. Mehr als ein veraltetes Standbild hat die Mahrer-Homepage nicht zu bieten.
Wer dort anruft, kommt auf ein Band: „Unter der von Ihnen gewählten Rufnummer ist uns kein Teilnehmer bekannt. Bitte überprüfen Sie die Rufnummer nochmals.“ Bei „unternehmen24.info“ stößt man trotz der richtigen Wiener Adresse auf dieselbe falsche niederösterreichische Telefonnummer. Auf den „Gelben Seiten“ von „GSOL“ landet man bei einer – falschen – Adresse in Perchtoldsdorf. Dafür sind „keine Öffnungszeiten vorhanden“. Auf der Seite der Wirtschaftskammer steht die richtige Anschrift in der Wiener Landstraßer Hauptstraße – aber ohne Telefonnummer und E-Mail-Adresse.
2,4 Millionen Gewinn
Falsche Adressen und Telefonnummern, eine inaktive Homepage mit falschen Daten, keine Angaben über Kunden oder Projekte – vieles erinnert an „Mahrer Communications GmbH“. Trotzdem läuft das Geschäft. Mit der „CHARISMA GmbH“ machen die Mahrers von 2000 bis 2022 mehr als 2,4 Millionen Euro Gewinn. Nach den Schüssel-Jahren reißt 2007 kurz der Faden. Die SPÖ stellt wieder den Bundeskanzler. Der CHARISMA-Gewinn sinkt auf Null. Auch 2008 macht die Mahrer-Firma keinen Gewinn.
2009 ist mit mehr als 100.000 Euro Gewinn alles wieder auf Spur. Nur 2013 und 2020 bleibt das PR-Unternehmen knapp unter 100.000 – sonst liegen die Mahrer-Gewinne Jahr für Jahr deutlich darüber.
Wie bei „Mahrer Communications GmbH“ konzentriert sich alles auf zwei Fragen: Wer hat bezahlt? Und: Was war Mahrers Leistung?
Der bekannte Kunde
2017 wird mit 175.000 Euro Gewinn das bisher beste Jahr. Aber dank WKStA wird ein Großkunde aus diesem Jahr öffentlich bekannt: die Wienwert AG. Karl Mahrer erhält im Dezember 2021 die Verständigung der WKStA, dass er unter der Aktenzahl 17 St 25/17t Verdächtiger ist. Im Jahr darauf bricht der CHARISMA-Gewinn auf 12.000 Euro ein. Die WKStA scheint das gute Geschäft empfindlich gestört zu haben.
Mahrer antwortet nicht
ZackZack hat Karl Mahrer auch diesmal Fragen mit der Bitte um Beantwortung gemailt. Beim letzten Mal meldete sich die Kanzlei von ÖVP-Anwalt Suppan mit der Androhung von Klagen. Diesmal kommt keine Antwort. Daher veröffentlicht ZackZack die Fragen, in der Hoffnung, dass sie jemand anderer beantworten kann:
- Warum haben Sie kurz nach dem Wahlsieg der ÖVP im Jahr 2000 das Geschäftsfeld der „CHARISMA GmbH“ um „Öffentlichkeitsarbeit“ erweitert
- Hat die „CHARISMA GmbH“ zwischen 2000 und 2006 von ÖVP-geführten Ministerien bzw. von ihnen finanzierte Vereine und Gesellschaften Aufträge erhalten?
- Wenn ja, welche?
- In der Zeit, in der Sie mit 75 Prozent der Stammeinlage an der „CHARISMA Gesellschaft für Handel und Öffentlichkeitsarbeit“ beteiligt waren, wurde von 2000 bis 2006 ein Gewinn von 766.119,18 Euro erwirtschaftet. Wie viel von diesem Gewinn haben Sie persönlich entnommen?
- Wer sind die Kunden, die der „CHARISMA GmbH“ zwischen 2000 und 2022 einen Gewinn von mehr als 2,4 Mio € beschert haben?
- Finden sich unter diesen Kunden auch Ministerien bzw. von ihnen finanzierte Vereine und Gesellschaften?
- Wenn ja, welche?
- Findet sich unter diesen Kunden auch das BMI bzw. von ihm finanzierte Vereine und Gesellschaften?
- Wenn ja, welche?
- Haben Sie selbst Kunden für die „CHARISMA GmbH“ aquiriert?
- Wenn ja, welche?
- Warum sind die Kontaktdaten der „CHARISMA GmbH“ ähnlich schlecht auffindbar wie die der „Mahrer Communications GmbH“?
- Warum haben Sie vor Ihrer Wahl zum ÖVP Wien-Obmann im Mai 2022 ihre Partei nicht informiert, dass die WKStA in der Causa „Wienwert AG/CHARISMA GmbH“ bereits seit einem halben Jahr gegen Sie ermittelt?
Für Karl Mahrer gilt die Unschuldsvermutung.
Mehr zum erfolgreichen Geschäftsmann an der Spitze der Wiener ÖVP demnächst in Teil 3 von „Mahrers Leistungen“.
Titelbild: Screenshot WKStA, ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com, Montage ZackZack