Samstag, Juli 27, 2024

Kickl fordert mehr als 2.000 Euro „Entschädigung“ für Posting

Der FPÖ-Chef wehrt sich gegen ein unliebsames Posting mit hohen Entschädigungsforderungen. Mindestens ein parteiloser Pensionist ohne finanzielle Reserven wurde zur Zahlung aufgefordert. Trotz Behauptung der FPÖ, nur Personen zu belangen, die in einem “politischen Kontext” stünden.
 

Beim Austeilen ist Herbert Kickl bekanntlich gut, beim Einstecken weniger: Kürzlich ließ der FPÖ-Chef über eine Rechtsanwaltskanzlei mehrere Briefe an jene verschicken, die ein ihm unangenehmes Posting teilten. Es geht um ein ursprünglich auf den Kanälen der SPÖ publiziertes Posting, demzufolge die FPÖ russisches Geld als Gegenleistung für einen Nationalratsantrag erhalten habe. In dem Schreiben fordert Kickl mehr als 2.000 Euro von den Personen, die das Posting teilten.

Posting der SPÖ auf Twitter

Pensionist bedrängt

Das Schreiben Völks erhielt etwa auch ein 71-Jähriger, der im Februar das Bild retweetete, lang vor dem entscheidenden OGH-Beschluss im Juli. „Ich habe keine finanziellen Reserven und 4.000 Euro offene Posten bei der Wien Energie“, sagt der Pensionist gegenüber ZackZack. Von einem Entgegenkommen der FPÖ bei finanzschwachen Betroffenen habe er nichts gehört. Im Zweifel will er es auf ein Verfahren ankommen lassen. „Wenn etwas falsch ist, stehe ich nicht an, den Fehler zuzugeben.“

Die SPÖ hat mittlerweile einen Härtefallfonds eingerichtet für all jene, die sich aus eigener Kraft die geforderten mehr als 2.000 Euro nicht leisten können. Auch für Rechtsbeistand könne man sich an die Bundespartei wenden, die ja das beanstandete Posting verfasst hatte.

SPÖ-Posting unterstellte Russland-Käuflichkeit

Grundlage für die Entschädigungsforderung Kickls war ein Posting der SPÖ, das sich auf einen Bericht des Profil vom 3. Februar 2023 bezieht, der anhand von geleakten Dokumenten nahelegte, dass die FPÖ Geld aus Russland erhalten hatte. Beweise dafür fehlten aber. Die SPÖ fasste die Profil-Recherche in einem Posting vom 6. Februar zugespitzt zusammen und visualisierte es mit einem Foto Kickls. Der kommt jedoch im Bericht nicht namentlich vor und ging mutmaßlich aus diesem Grund dagegen vor. Zwischenzeitlich gab auch das Oberlandesgericht Wien (OLG Wien) einer Beschwerde Kickls recht: Die SPÖ darf nicht mehr behaupten, dass die FPÖ sich russlandfreundliche Politik vom Kreml bezahlen ließ und musste diese Aussage als unwahr widerrufen.

Auf den OLG-Beschluss beruft sich nun auch Kickls Anwalt in seinem Schreiben an rund 30 Privatpersonen. Der Inhalt des SPÖ-Postings sei „unwahr und selbst im Rahmen einer politischen Debatte nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt“, heißt es im Schreiben, das Kickls Anwalt Christoph Völk verschicken ließ. Von 30 Personen, die das Posting geteilt hatten, verlangt er 1.000 Euro Entschädigung sowie gleich 1.129,32 Euro für seine eigene Leistung: „notwendige Kosten der anwaltlichen Intervention“, heißt es in dem Brief. Andernfalls wolle Völk die Ansprüche seines Mandanten ohne weitere Nachfrage vor den Zivil- und Strafgerichten durchzusetzen.

Weitere Drohung

ZackZack schickte eine umfassende Anfrage an Dr. Völk, der aber beantwortete keine einzige Frage – unter anderem zur Frage, wer denn sein Mandant sei: Kickl selbst, der FPÖ-Klub oder jemand anders. Im Schreiben ist lediglich von Kickl die Rede. Die Anfrage an Völk wurde jedoch nicht von ihm selbst, sondern vom FPÖ-Klub beantwortet.

Seine Kanzlei äußere sich nicht zu politischen Fragen und müsse das Berufsgeheimnis bewahren, schreibt Völk später auf Nachfrage. Dann droht er auch ZackZack: „Vorsorglich teilen wir mit, dass wir für den Fall der Verbreitung von unvollständigen oder unrichtigen Behauptungen umgehend gerichtliche Schritte einleiten werden.“

Auch der FPÖ-Parlamentsklub beantwortete unsere Fragen nicht. Offen bleibt somit auch, welche Personen belangt werden und wie diese ausgewählt wurden – es sind nämlich längst nicht alle der Personen, die die Postings geteilt hatten. Auch handelt es sich bei der Auswahl nicht nur um „Parteifunktionäre“ der SPÖ, wie die FPÖ in ihrer Aussendung schreibt. Auch „info-direkt“ verbreitet diese Falschmeldung.

Russland-Beziehung im Dunkeln

Unabhängig vom Inhalt des Postings fällt die prorussische Politik der FPÖ längst auch im Ausland auf. „Nützliche Idioten und ihre Neider“, übertitelte etwa die Süddeutsche Zeitung einen Artikel über die Freiheitlichen. Beispiele gibt es zur Genüge: Laut SPÖ-Recherchen hat die FPÖ seit Beginn des Ukrainekriegs 30 russlandfreundliche Anträge im Nationalrat eingebracht – die Liste liegt ZackZack vor. Immer wieder kritisieren FPÖ-Vertreter die Russlandsanktionen. Bei der Videorede des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Parlament verließen die FPÖ-Abgeordneten geschlossen den Saal.

Und auch den „Freundschaftsvertrag“, 2016 zwischen der FPÖ und Putins Partei „Einiges Russland“ in Moskau unterzeichnet, hat die Partei nach Beginn des Ukrainekriegs nicht beendet. Der Vertrag sei vielmehr „ausgelaufen“, sagt FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, ohne dies näher zu erläutern. Bis heute hat die FPÖ den Vertrag nicht offengelegt.

Titelbild: Christopher Glanzl / ZackZack, Brief Anonyme Zusendung

Autor

  • Florian Bayer

    Ist freier Journalist in Wien und beschäftigt sich neben Osteuropa auch mit den politischen Abgründen Österreichs. Zu wenige gibt es davon ja nicht.

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