Sonntag, Dezember 8, 2024

Kickls Zerstörung des Verfassungsschutzes: 390 Quellen ruiniert

Herbert Kickl hat als Innenminister den Verfassungsschutz BVT zerstört. Dabei sind die 390 Quellen, die bis dahin aus den Gefahrenbereichen „Islamismus“ und „Rechtsextremismus berichtet haben, vernichtet worden. Nach Kickls Sturm auf das BVT waren viele von ihnen in Lebensgefahr.

„Wie wir den Verfassungsschutz neu aufgebaut haben, sind wir vor den Kickl-Trümmern gestanden“, berichtet ein hoher Beamter aus der DSN, der Nachfolgerin des BVT. „Die Quellen waren unsere Augen und Ohren in den extremistischen Gruppen. Durch den Verrat sind viele von ihnen in Lebensgefahr geraten“.

In meinem neuen Buch „Ostblock – Putin, Kickl und ihre ÖVP“ schildere ich detailliert, was damals passiert ist.

Verrat der Quellenbewirtschaftung

2019 waren die Schäden gewaltig. Vom Einsatzbereich „Rechtsextremismus“ bis zum islamistischen Terrorismus hatten rund 390 Informanten als „Quellen“ dem BVT als Augen und Ohren gedient.  Bei der – illegalen – Hausdurchsuchung im BVT fanden die FPÖ-Beamten auf einer privaten Festplatte alle „Neptune“-Daten von 2013 bis 2017 – und die Daten der „Zentralen Quellenbewirtschaftung“ ZQB.

„Neptune“ war die Software, über die CIA, deutscher Verfassungsschutz, die französische DSGN, der britische MI5, Mossad und Dutzende andere Geheimdienste ihre sensibelsten Informationen mit dem BVT austauschten. Sie galt nach Kickls Sturm auf das BVT ebenso als verraten wie die ZQB und damit die Klarnamen der Agenten des BVT.

390 Quellen, 15 verdeckte Ermittler

Durch den Verrat der „Zentralen Quellenbewirtschaftung“ waren Quellen und verdeckte Ermittler in höchstem Maße gefährdet. In der Folge wurden alle 390 Quellen und mit ihnen 15 „VE“ – verdeckte Ermittler – des BVT aufgegeben. Insbesondere im Bereich des Rechtsextremismus konnte niemand mehr ausreichend für ihre Sicherheit garantieren. Das BVT hatte sich von Kickls Angriff nie mehr erholt.

Die Abfolge der Ereignisse deutet auf ein geplantes Vorgehen hin:

  • Versuch durch Kickls Generalsekretär Goldgruber, die Namen der verdeckten Ermittler im Bereich „Rechtsextremismus“ zu beschaffen
  • Angriff auf das BVT am 28. Februar 2018 durch die gesetzwidrige Hausdurchsuchung
  • Gezielte Durchsuchung des Extremismusreferats
  • Unbefugte Kopie von Neptune und Zentraler Quellenbewirtschaftung
  • Gezielter Verrat eines geheimen Dokuments des Berner Clubs („SUPO-Dokument“)
  • Verrat des geheimen Soteria-Berichts, mit dem der Berner Club dem BVT eine letzte Chance geben wollte, an den Journalisten Richard Schmitt bei „oe24“ möglicherweise durch Goldgruber selbst.

Risiko “Österreich”

Nach den ersten „Vorfällen“ war das BVT schwer beschädigt. Nach dem Soteria-Verrat war es international zerstört. Welt am Sonntag berichtete am 18. Mai 2019: „Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, sieht erhebliche Risiken in der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit Österreich. Hintergrund ist die Annahme, dass Österreich geheime Informationen, die es von eigentlichen Partnerländern wie Deutschland erhält, missbräuchlich verwenden und womöglich an Russland weiterleiten könnte.“

Die wichtigste Frage ist noch nicht vollständig beantwortet: Haben Kickl und seine Parteifreunde das BVT bewusst zerstört? Hatten Sturm und Geheimnisverrat ein gemeinsames Ziel? Sollten politisch gefährliche Quellen nicht nur ausgekundschaftet, sondern völlig ausgeschaltet werden? Wurde die Sicherheit Österreichs der Sicherheit der FPÖ geopfert?

Im Inland war die FPÖ neben den radikalen Islamisten die wichtigste Nutznießerin der BVT-Zerstörung. Im Ausland profitierten Putins Dienste. Putins Russland und Kickls FPÖ verbindet offensichtlich zu viel.

Sicherheitsrisiko „Kickl“

Im Jänner 2024 erklärte Bundeskanzler Karl Nehammer Herbert Kickl zum „Sicherheitsrisiko“. Nehammer warf Kickl laut Kurier vor, „den ehemaligen Verfassungsschutz BVT als ehemaliger Innenminister durch falsche Verdächtigungen ruiniert zu haben“. Der ÖVP-Kanzler warnte: „Kickl ist ein Sicherheitsrisiko, um an einer Regierungsbildung teilnehmen zu können, weil mit ihm kein Staat zu machen ist.“

2018 hatte Nehammer als Generalsekretär der ÖVP Kickl nach dem Sturm auf das BVT noch die Stange gehalten: „Das Vorgehen von Innenminister Herbert Kickl war selbstverständlich mit der neuen Volkspartei abgestimmt und akkordiert. Die Volkspartei übt daher hier keine Kritik am Innenminister.“ 2024 wurde Herbert Kickl mit sechs Jahren Verspätung doch noch zum „Sicherheitsrisiko“.

Verdacht gegen russische Dienste und Herbert Kickl

Heute steht fest:

  1. Im Februar 2018 wurden in der EDV-Abteilung des BVT die Neptune-Datenbanken von 2013 bis 2017 gemeinsamen mit der zentralen Quellenbewirtschaftung auf eine Festplatte kopiert.
  2. Wer eine derartig umfangreiche Kopie anfertigen wollte, konnte das aufgrund der technischen Sperren nur in der EDV-Abteilung tun.
  3. Die Kopien auf der Festplatte, die bei der BVT-Hausdurchsuchung am 28. Februar 2018 durch einen schwer belasteten FPÖ-Polizeioffizier sichergestellt wurden, waren keine „Backups“.
  4. Interesse an den Daten hatten vor allem Parteien wie die FPÖ und Geheimdienste wie FSB und SWR in Russland.
  5. Jan Marsalek hatte Kontakte zu russischen Diensten, Egisto Ott stand der FPÖ nahe und bewunderte Herbert Kickl. Der BVT-Beamte Martin Weiss war das Bindeglied zwischen beiden.
  6. 390 Quellen wurden gemeinsam mit 15 verdeckten Ermittlern des BVT unbrauchbar. Nach Kickls Ministerschaft war das BVT blind und taub.
  7. Der gewaltige Schaden, der der österreichischen Sicherheit durch Innenminister Kickl entstand, war im Herbst 2018 Bundeskanzler Kurz und den Mitgliedern seiner Regierung bekannt.
  8. Karl Nehammer übernahm die Aufgabe, die Affäre zu vertuschen und damit die Koalition mit der FPÖ zu retten.

So sieht ein schwerwiegender Anfangsverdacht aus. Damit daraus belastbare Beweise werden, bedarf es entschlossener Ermittler. Der Fall ist strafrechtlich nach wie vor ungeklärt. Klar ist nur die politische Verantwortung. Sie liegt bei Herbert Kickl und seinen Unterstützern in der ÖVP.

Wer das genauer lesen will, kann das Pilz-Buch hier bestellen.


Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com, Christopher Glanzl, BVT, Montage ZackZack

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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