Die ÖVP hat die Umweltagenden dem Jugendstaatssekretariat übergeben, ihre Argumentation und Rhetorik der Boulevardpresse und ihre Grundsätze und ihr Parteiprogramm den Shreddern
Im Ö1-Mittagsjournal höre ich folgenden Satz: »Es ist noch viel zu wenig bekannt auch in Österreich, dass auch wenn wir es schaffen, unsere derzeitigen CO2-Emissionen weltweit um die Hälfte zu reduzieren, dann wird sich die Temperatur der Erdatmosphäre um zwei Grad Celsius erhöhen, und dann werden die Spiegel der Weltmeere um fünfzig Zentimeter steigen.« Gesagt von ÖVP-Umweltminister Martin Bartenstein am 15. Juli 1996, also vor mehr als siebenundzwanzig Jahren.
Ein Befund, der nicht einmalig ist. Bewirkt hat er nichts. Schon gar nicht in der ÖVP. Die Umweltagenden in der derzeitigen Regierung werden zwar in einem von den Grünen geführten Ministerium wahrgenommen, das hindert ÖVP-PolitikerInnen aber nicht, sich permanent zur Umweltpolitik zu äußern. Große Meisterschaft beweist darin die sogenannte Jugendstaatssekretärin, eine im Geiste Neunzigjährige, die eine Lederjacke trägt, und aufgrund der offensichtlichen Abwesenheit eigener Agenden, sich ständig zu Strafrecht und Umweltpolitik äußert.
Ein klassischer Libero
Was sie über ihre eigene Partei aussagt, ist klar: Es ist nichts mehr übrig. Es ist von der ÖVP nichts mehr übrig, dem man Grundsätze, politisches Bekenntnis oder Verantwortungsbewusstsein unterstellen könnte. Das populistische Gezeter dieser Partei ist schlimmer als das der FPÖ. Von höchster Stelle, nämlich von der großen Regierungspartei, kommen keine Aktionen mehr, sondern nur mehr Reaktionen – und diese im Boulevardzeitungsstil.
Frau Plakolm, die eigentlich Wirtschaftswissenschaften studiert, darin aber weniger vorankommt als in ihrer Karriere in der Volkspartei, scheint ein klassischer Libero zu sein. Eine Politikerin ohne Aufgabe. Also tritt sie als Kritikerin des eigenen Koalitionspartners auf.
Ein alter Hut
Dass sie dabei die langjährigen Positionen der eigenen Partei über den Haufen wirft und die Frage stellt, was denn Umweltminister der ÖVP seit Bartenstein in den letzten siebenundzwanzig Jahren erreicht haben, ist nicht zu erwarten. Plakolm befindet sich, wie die gesamte ÖVP, bereits im Wahlkampf. Und nicht nur sie.
Täglich krachen die Finger der ÖVP-Schreiberlinge in den Tageszeitungsredaktionen. Der neue Spin: Die SPÖ hat Herbert Kickl den Weg bereitet. Auch das ist Revisionismus vom Feinsten, wenn man bedenkt unter welcher Regierung Kickl Minister wurde und welche Fraktion ihn im Nationalrat gegen sieben Misstrauensanträge verteidigt hat. Das Ziel der Verbreitung dieser Lüge ist aber ganz klar. Wenn ÖVP und FPÖ nach der nächsten Wahl koalieren, werden dieselben KommentatorInnen, die sich nun Tag für Tag die Finger gegen Babler wund schreiben, behaupten: Die Koalition von ÖVP und FPÖ sei alternativlos. Ein alter Hut. Aber er kommt wieder.
Grundfalsche Behauptungen
Das haben anno 2018 schon Christian Rainer, Claus Pandi, Rainer Nowak und viele andere behauptet. Falsch ist es dennoch. Grundfalsch ist auch die ständige kolportierte Behauptung, Herbert Kickl würde Kanzler werden, wenn die FPÖ stimmenstärkste Partei wird. Da kennt die ÖVP weder ihre eigene Geschichte noch die Verfassung. Mit 32 % wird niemand in diesem Land Kanzler, wenn keine andere Partei mit ihm koaliert. Es bleiben 68 %, die verschiedene Möglichkeiten zur Regierungsbildung haben.
Was wirklich passieren wird: Der Kniefall der FPÖ vor der ÖVP, wie wir ihn schon 1999 erlebt haben. Die FPÖ wird, selbst wenn sie mehr Stimmen hat als die ÖVP, keinen anderen Koalitionspartner finden als die ÖVP und ihr den Kanzlersessel überlassen. So wird erneut aus der drittstärksten Partei die Kanzlerpartei werden. Die FPÖ wird – kaum in der Regierung – plötzlich Skyshield befürworten, so wie sie CETA als Regierungspartei ratifiziert hat. Die FPÖ wird die miese Wirtschaftspolitik der ÖVP, die uns heute zu einem Land mit einer 150 % höheren Inflation als im Euro-Raum gemacht hat, ohne zu murren mittragen. Auf Kosten der Unter- und Mittelschicht.
Propaganda statt Regieren
Dann wird das Geschwafel von der »Alternativlosigkeit« wieder losgehen und alle ExpertInnen werden im ORF erklären müssen, dass eine solche Koalition in der Demokratie möglich sein müsse. Auch Frau Plakolm wird in der ÖVP-FPÖ-Regierung wieder dabeisein, vielleicht sogar als Umweltministerin. Als solche scheint sie ohnehin hochgradig kompetent zu sein. Sie wird auch dort nur bestätigen, was sie heute schon klarmacht: Von der ÖVP ist nichts mehr übrig. Diese Partei braucht eine Neuaufstellung und ein Bekenntnis zu Grundsätzen.
Bis dahin gilt, was Bruno Kreisky schon im Jahr 1969 über die ÖVP gesagt hat: »Das ist eine Partei, die mit sich selber nicht ins Reine kommt und noch lange nicht ins Reine kommen wird, eine Partei, die keine der wirklichen Probleme der österreichischen Politik auch nur angepackt hat, die wieder nur Scheinlösungen propagiert, eine Regierung, die gar nicht mehr regiert, sondern nur mehr Propaganda macht, also propagiert.«
Titelbild: Miriam Moné / ZackZack