Samstag, April 27, 2024

Es ist nichts mehr übrig

Die ÖVP hat die Umweltagenden dem Jugendstaatssekretariat übergeben, ihre Argumentation und Rhetorik der Boulevardpresse und ihre Grundsätze und ihr Parteiprogramm den Shreddern

Im Ö1-Mittagsjournal höre ich folgenden Satz: »Es ist noch viel zu wenig bekannt auch in Österreich, dass auch wenn wir es schaffen, unsere derzeitigen CO2-Emissionen weltweit um die Hälfte zu reduzieren, dann wird sich die Temperatur der Erdatmosphäre um zwei Grad Celsius erhöhen, und dann werden die Spiegel der Weltmeere um fünfzig Zentimeter steigen.« Gesagt von ÖVP-Umweltminister Martin Bartenstein am 15. Juli 1996, also vor mehr als siebenundzwanzig Jahren.

Ein Befund, der nicht einmalig ist. Bewirkt hat er nichts. Schon gar nicht in der ÖVP. Die Umweltagenden in der derzeitigen Regierung werden zwar in einem von den Grünen geführten Ministerium wahrgenommen, das hindert ÖVP-PolitikerInnen aber nicht, sich permanent zur Umweltpolitik zu äußern. Große Meisterschaft beweist darin die sogenannte Jugendstaatssekretärin, eine im Geiste Neunzigjährige, die eine Lederjacke trägt, und aufgrund der offensichtlichen Abwesenheit eigener Agenden, sich ständig zu Strafrecht und Umweltpolitik äußert.

Ein klassischer Libero

Was sie über ihre eigene Partei aussagt, ist klar: Es ist nichts mehr übrig. Es ist von der ÖVP nichts mehr übrig, dem man Grundsätze, politisches Bekenntnis oder Verantwortungsbewusstsein unterstellen könnte. Das populistische Gezeter dieser Partei ist schlimmer als das der FPÖ. Von höchster Stelle, nämlich von der großen Regierungspartei, kommen keine Aktionen mehr, sondern nur mehr Reaktionen – und diese im Boulevardzeitungsstil.

Frau Plakolm, die eigentlich Wirtschaftswissenschaften studiert, darin aber weniger vorankommt als in ihrer Karriere in der Volkspartei, scheint ein klassischer Libero zu sein. Eine Politikerin ohne Aufgabe. Also tritt sie als Kritikerin des eigenen Koalitionspartners auf.

Ein alter Hut

Dass sie dabei die langjährigen Positionen der eigenen Partei über den Haufen wirft und die Frage stellt, was denn Umweltminister der ÖVP seit Bartenstein in den letzten siebenundzwanzig Jahren erreicht haben, ist nicht zu erwarten. Plakolm befindet sich, wie die gesamte ÖVP, bereits im Wahlkampf. Und nicht nur sie.

Täglich krachen die Finger der ÖVP-Schreiberlinge in den Tageszeitungsredaktionen. Der neue Spin: Die SPÖ hat Herbert Kickl den Weg bereitet. Auch das ist Revisionismus vom Feinsten, wenn man bedenkt unter welcher Regierung Kickl Minister wurde und welche Fraktion ihn im Nationalrat gegen sieben Misstrauensanträge verteidigt hat. Das Ziel der Verbreitung dieser Lüge ist aber ganz klar. Wenn ÖVP und FPÖ nach der nächsten Wahl koalieren, werden dieselben KommentatorInnen, die sich nun Tag für Tag die Finger gegen Babler wund schreiben, behaupten: Die Koalition von ÖVP und FPÖ sei alternativlos. Ein alter Hut. Aber er kommt wieder.

Grundfalsche Behauptungen

Das haben anno 2018 schon Christian Rainer, Claus Pandi, Rainer Nowak und viele andere behauptet. Falsch ist es dennoch. Grundfalsch ist auch die ständige kolportierte Behauptung, Herbert Kickl würde Kanzler werden, wenn die FPÖ stimmenstärkste Partei wird. Da kennt die ÖVP weder ihre eigene Geschichte noch die Verfassung. Mit 32 % wird niemand in diesem Land Kanzler, wenn keine andere Partei mit ihm koaliert. Es bleiben 68 %, die verschiedene Möglichkeiten zur Regierungsbildung haben.

Was wirklich passieren wird: Der Kniefall der FPÖ vor der ÖVP, wie wir ihn schon 1999 erlebt haben. Die FPÖ wird, selbst wenn sie mehr Stimmen hat als die ÖVP, keinen anderen Koalitionspartner finden als die ÖVP und ihr den Kanzlersessel überlassen. So wird erneut aus der drittstärksten Partei die Kanzlerpartei werden. Die FPÖ wird – kaum in der Regierung – plötzlich Skyshield befürworten, so wie sie CETA als Regierungspartei ratifiziert hat. Die FPÖ wird die miese Wirtschaftspolitik der ÖVP, die uns heute zu einem Land mit einer 150 % höheren Inflation als im Euro-Raum gemacht hat, ohne zu murren mittragen. Auf Kosten der Unter- und Mittelschicht.

Propaganda statt Regieren

Dann wird das Geschwafel von der »Alternativlosigkeit« wieder losgehen und alle ExpertInnen werden im ORF erklären müssen, dass eine solche Koalition in der Demokratie möglich sein müsse. Auch Frau Plakolm wird in der ÖVP-FPÖ-Regierung wieder dabeisein, vielleicht sogar als Umweltministerin. Als solche scheint sie ohnehin hochgradig kompetent zu sein. Sie wird auch dort nur bestätigen, was sie heute schon klarmacht: Von der ÖVP ist nichts mehr übrig. Diese Partei braucht eine Neuaufstellung und ein Bekenntnis zu Grundsätzen.

Bis dahin gilt, was Bruno Kreisky schon im Jahr 1969 über die ÖVP gesagt hat: »Das ist eine Partei, die mit sich selber nicht ins Reine kommt und noch lange nicht ins Reine kommen wird, eine Partei, die keine der wirklichen Probleme der österreichischen Politik auch nur angepackt hat, die wieder nur Scheinlösungen propagiert, eine Regierung, die gar nicht mehr regiert, sondern nur mehr Propaganda macht, also propagiert.«

Titelbild: Miriam Moné / ZackZack

Daniel Wisser
Daniel Wisser
Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.
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18 Kommentare

    • Absolut korrekt, dieser Mißtrauensantrag!
      Leider mit einem klitzekleinen Schönheitsfehler: Der Rote Ludwig wurde nicht adressiert!

    • Nehammer ist für mich ein Kabarettist mit dem Gehalt eines Bundeskanzlers, bei dem schalte ich immer ab. Beim blauen EU Harry ebenfalls, denn Hass macht offensichtlich hässlich und womöglich färbt so was ab.

  1. ….eine Neunzigjährige in Lederjacke….das mit der Lederjacke mag bei Frau Plakolm stimmen, der Vergleich mit einer Neunzigjährigen hinkt in Punkto Klimawandel jedoch gewaltig. Alten Menschen ist im Gegensatz zu Frau Plakolm sehr wohl bewusst wie stark sich das Klima in den letzten Jahrzehnten geändert hat, schließlich hatte die ältere Generation einige Jahrzehnte mehr Zeit die Veränderungen live und in Farbe zu beobachten. Leider hört eine wie Frau Plakolm auch nicht auf die Aussagen der Wissenschaft, dazu ist die Langzeitstudentin viel zu altklug. Fazit: Für ein öffentliches Amt unbrauchbar, außer dem Geldbörserl von der Frau Plakolm profitiert niemand.

    • Ich kann mich noch erinnern wenn du früher am Abend 3 km gefahren bist war die Windschutzscheibe mit “Fliegenschiss” voll….oft knallten Riesen Käfer auf die Schebe das es knallte und die Scheibe hast kaum sauber bekommen ..
      Heute fährst 300 km und hast vielleicht ein zwei Fliegen drauf….
      Im Wald oder Wiese hast alles mögliche an Wildtiere gesehen….heute hüpfen die Leute wenn sie mal einen Feldhasen sehen … Das hat sich EXTREM geändert….von kalte Winter und echte vier Jahreszeiten abgesehen ist es heute nur noch schiach oder heiß….

      • Ich denke mit Sehnsucht an die entspannten Sommer meiner Kindheit zurück, ohne dauernde Hitzewellen bei denen man sich nur noch verkriechen möchte. Statt sich auf den Sommer zu freuen hat man mittlerweile Angst davor was wieder alles an Unwettern kommen wird und kann darauf warten, wann man selber zu den Betroffenen gehört. Und ich denke an die Winter. Durchgehende Schneedecke von Oktober bis in den März. Für die ganz Jungen unter uns ist so etwas unbekannt. Für Billigflugreisen und Krempel ohne den wir vielleicht sogar glücklicher wären haben wir das alles geopfert.

        • Also ich war auch auf der Welt und kann diesen Unsinn leider nicht bestätigen.
          Wo waren die Hundstage nur die letzten Jahre, das war wirklich eine Hitze… (Seit Jahrzehnten mache ich Wetteraufzeichnungen und die letzten Sommer und vor allem die Fühjahre waren die Kältesten, welche ich bisher erlebt habe, mit wenigen Ausnahmen in bestimmten Zeitausschnitten… ständige Wetterzacken und kein durchgehend konstantes Wetter…)
          Früher musste man zittern, dass der Schnee kommt, jetzt schon zig Jahre nicht mehr… – wie oft hat es früher den Schnee auch noch weggeregnet – aber ich trau mir das ja alles kaum zu sagen, weil dann muss man befürchten, dass das Wetter auch noch so kommen wird… – Gott sei Dank gibt es aber da noch den Franz Hörl…

          • Ihren Unsinn, den Sie da von sich geben, kann ich mir nur damit erklären, dass sie bereits vor einiger Zeit auf den Mars ausgewandert sind.
            Da, wo ich lebe, on earth, sind die Sommer mittlerweile unerträglich und die Winter lau.

          • @Bastelfan 8:22
            Gott sein Dank lebe ich in einem großen Umfeld, welches das ganz gleich wie ich sieht und sehr viel über “diesen Unsinn” gesprochen wird, sonst müsste ich mir doch wirklich Gedanken über meine Sicht nun machen?
            Gleichzeitig aber machen wir uns alle immer mehr Gedanken über solche Sichtweisen wie die Ihren?
            Bin deshalb auch sehr gespannt wie das alles einmal ausgehen wird?

  2. „In Österreich wird das Klima auch ohne Klimaschutzgesetz geschützt“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer im Sommergespräch mit dem ORF und hat es bei dieser Gelegenheit auch noch betont verteidigt, dass “Österreich bereits ein Musterland beim Klimaschutz” sei. Seltsamerweise wird das im Umweltministerium ähnlich kommentiert…

    Logisch…In PR und VERSAGEN sind sie auf Augenhöhe….schwimmen auch im selben Abwasser und Korruptionssumpf….

  3. Es wird immer von Blau Schwürkis geredet…

    Dabei könnte dies verhindert werden….Grün müsste mal refieren und nicht im korruptionssumpf mitschwimmen, die Justiz nicht daschlong sondern ermitteln und rot aus ihrer Schockstarre aufwachen…

    Dann ginge sich ROT, mit bisi Grün und als Trittbrettfahrer Schwürkis aus…
    Wenn man grün in den Arsch tritt könnten sie etwas…denke ich zumindest, und den korrupten Schwürkisen keine Schlüsselposotionen mit roter Kontrolle gibt wenig Schaden anrichten….

    Schwürkis Blau ändern sich NIE….grün bleibt ihrer Futterschüssellinie treu und rot badet im selbstmitleid…

    Ja es wird vermutlich Blau Schwürkis y d wenn sie dem Land den Rest gegeben haben, viel ist eh nimmer da lernen die anderen auch nicht draus…

    Es stimmt….80% der Ö Sind zu 100 % Vollidioten….

  4. Gesagt von ÖVP-Umweltminister Martin Bartenstein am 15. Juli 1996, also vor mehr als siebenundzwanzig Jahren.

    Wir müssen in die Regierung weil von der Oppositionsbank können wir nichts erreichen….sagte Kogler um mit schwarz in die Koalition zu gehen und das schwarz Blaue Programm das er si lobte zu übernehmen….

    Seitdem treiben sie im Korruptionssumpf und Klammern sich an die Futtertröge….

  5. Die ÖVP hat die Umweltagenden dem Jugendstaatssekretariat übergeben, ihre Argumentation und Rhetorik der Boulevardpresse und ihre Grundsätze und ihr Parteiprogramm den Shreddern

    Das Umweltministerium haben die grünen über jedoch die Sind mit korruption und PR beschäftigt…

  6. „In Österreich wird das Klima auch ohne Klimaschutzgesetz geschützt“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer im Sommergespräch mit dem ORF und hat es bei dieser Gelegenheit auch noch betont verteidigt, dass “Österreich bereits ein Musterland beim Klimaschutz” sei. Seltsamerweise wird das im Umweltministerium ähnlich kommentiert… Irgendwie auch logisch nachvollziehbar, weil eine Ausbildung der benötigten Fachkräfte für eine radikal(!) grüne Energiewende schlicht – auch wieder – radikal verweigert wurde in der Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahrzehnte. Für eine deklarierte Wirtschaftspartei, die die neoliberal auf maximale Gewinnschöpfung überwiegend auf fossilen Energieträgern basiert setzt, kann Klimaschutz nur ein Feigenblatt sein / bleiben.

    50 Jahre nachdem der „Club of Rome“ in seinem Bericht „die Grenzen des Wachstums“ aufgezeigt hat, 26 Jahre nach den „Kyoto-Protokollen“ und acht Jahre nach den „Pariser Klimazielen“, weiß es ein österreichischer Bundeskanzler besser: Es gäbe keinen wissenschaftlichen Beweis für eine „Untergangsapokalypse“. Für die Zukunft reiche es, uns weiter auf den Verbrennungsmotor, „unglaubliche Fortschritte“, Innovation und Forschung zu verlassen, sagt er in seiner (anderen) Rede zur Zukunft der Nation. Neben der Versorgungssicherheit bestimmt aber der Klimaschutz die Veränderungsnotwendigkeit des Energiesystems maßgeblich. Transformationsstudien gehen davon aus, dass der Strombedarf der Endverbraucher*innen von heute rund 500 Milliarden Kilowattstunden auf zwischen 730 und 820 Milliarden Kilowattstunden bis zum Jahr 2045 ansteigen wird. Die Zielvorgabe Treibhausgasneutralität bedingt dabei, dass dieser Strom aus erneuerbaren Energien beziehungsweise grünem Wasserstoff hergestellt werden muss. Dabei spielt die Onshore- wie Offshore-Windenergie eine ganz zentrale Rolle. (Hierzulande noch mit unglaublich verzögerungstaktischem Bürokratismus verhindert…)

    Und wenn den Herrschaften in der rechten Reichshälfte der Schmäh ausgeht, dann “kann unser kleines Land in diesem kleinen Kontinent Europa” als Treiber einer global grünen Energiewende sowieso nur verlieren: An Wettbewerbsfähigkeit, letztlich an Effizienz, solange nicht die Economic Big Player China und Amerika die Vorreiterschaft übernähmen. Dabei: Die USA hat mit dem Inflation Reduction Act im Herbst 2022 Akzente gesetzt. Die Europäische Union (EU) will mit dem Global Green Deal Industrial Plan entgegnen. Doch kann der aktuelle Umsetzungswettbewerb zu einer Beschleunigung des globalen Transformationsprozesses führen und als Booster wirken oder braucht es eine stärker koordinierte Bündelung der Kräfte? Neben der Versorgungssicherheit bestimmt aber der Klimaschutz die Veränderungsnotwendigkeit des Energiesystems. Die Minderungsgeschwindigkeit des Treibgasausstosses muss sich etwa um den Faktor 4(!) erhöhen – ab sofort – will man sich an die gesetzten Ziele auch einigermaßen annähern.

    Offensichtlich sieht sich die christlich-reaktionäre (das soziale wurde irgendwann im letzten Jahrhundert verräumt) Elite ausser Stande, dieses Weltbild in deren meinungsbestimmenden Köpfe zu bringen. Eine Koalition mit den Heimat verbundenen Nationalist*innen aus der Festungsbeton- und Zäune-Fraktion scheint daher wirklich alternativlos. Wie sonst könnte so bewährt weiterwurschteln? Unser wunderschönes klitzekleines Land ist schließlich unumstösslich “neutral” – eine im wahrsten Sinn des Wortes “Black-Box” im internationalen Betrieb…

    • Weiterwurschteln weil die rechte Reichshälfte seit vielen Jahren unübersehbar in Wirklichkeit sonst nichts kann und was die Koalition von rechts außen mit rechtsradikal betrifft, ist es eine bewährte Praktik sich mit jemanden zusammenzutun der noch schlechter ist als man selber, um das eigene Unvermögen zu kaschieren. Zur Not können die Unfähigen ja noch immer auf das abgepresste Steuervermögen der fleißigen Bevölkerung zurückgreifen. Damit lässt sich in bewährter Weise sehr viel richten, der Klimawandel allerdings nicht.

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