Samstag, Juli 27, 2024

Pommes gegen Nehammer

Wer macht Nehammer zum McHammer? Wer führt den Kanzler seit einem Jahr von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen? Diesmal führt die Spur nicht zu Silberstein.

Wenn diese Frage beantwortet wird, ist wahrscheinlich klar, was an der Spitze der ÖVP gerade läuft. Die Frage lautet: Wer versucht Nehammer mit dessen Mac-Video noch mehr zu beschädigen?

Das Video selbst kursiert schon seit Sommer. Aber warum geht es gerade jetzt hoch? ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker hat die Spur aufgenommen: „Der Zusammenschnitt an sich und die Tatsache, dass das Video einen Tag nach Vorstellung der ÖVP-Kampagne gegen die schlechte Stimmung im Land publik wurde, zeige, dass die Verbreitung vorbereitet gewesen sein müsse“.

Wer lässt Nehammer ausrutschen?

Also, wer war es? Wer hat es „vorbereitet“ und „verbreitet“? Und: Wer ist für all die anderen Nehammer-Selbstbeschädigungen verantwortlich:

  • für den „Alkohol und Psychopharmaka“-Sager am Parteitag?
  • für die missglückte Grundsatzrede im Frühjahr?
  • für die Irrfahrt zu Putin?
  • für die „Bist DU normal“-Videos?
  • für die missglückte Inszenierung als Figl-Auferstehung?
  • und für das Mac-Rechtfertigungsvideo, das die Sache noch schlimmer machte?

Vielleicht waren es alles Ausrutscher. Aber wer lässt Karl Nehammer immer öfter ausrutschen?

Fleischmann

Bis auf den Parteitags-Sager und das Mac-Video stammt alles aus dem Kommunikationsteam des Kanzlers. Gerald Fleischmann ist dort der Kopf. Sebastian Kurz konnte sich darauf verlassen, dass Fleischmann dafür sorgte, dass präzise Botschaften perfekt platziert wurden. Nehammer kann sich darauf verlassen, dass immer mehr im Kanzlerrohr krepiert.

Also ist es ein perfider Kurz-Plan? Soll mit Nehammer die Spitze der ÖVP so demoliert werden, dass Kurz als Trümmerbub zurückgeholt werden kann? Die FPÖ ist davon überzeugt. Auch das spricht dagegen, dass es so einfach ist. Aber wahrscheinlich hat eine mögliche Antwort etwas mit Kurz zu tun.

Türkise Volksgemeinschaft

Sebastian Kurz hat der ÖVP einen neuen Kern eingepflanzt. Er ist blau und nicht türkis. Im Projekt „Ballhausplatz“ zeichnete Kurz-Chefstratege Stefan Steiner für seinen Chef die „Grundlinien Wahlprogramm“. Unter „inhaltlich“ machte er klar, dass es 2017 vor allem um eines ginge: um „FPÖ-Themen, aber mit Zukunftsfokus“. Das Ziel war ein Bild: „Arbeit und Wirtschaft gehören zusammen, nicht gegeneinander“ – „von der Arbeit leben, selbst ein Haus bauen“ – „Respekt vor Eltern, Großeltern“. Steiners Bild beschreibt das Ziel der Neuen ÖVP: die türkise Volksgemeinschaft, die „Familie“.

Im Zentrum des Bildes steht der Führer. Um ihn scharen sich Alt und Jung, Hausfrauen und Häuselbauer, ehrliche, hart arbeitende Österreicher. Im Ibiza-Video beschwerte sich FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus bei der „russischen Oligarchin“: „Du, weil ihr neuer Kandidat unser ganzes Programm kopiert. Über unser Programm schreiben sie immer schlecht und über seines gut.“ Strache war irritiert: „Das System weiß, dass wir zum ersten Mal die Chance haben, stärkste Kraft zu werden. Jetzt versuchen sie, ihn als Kopie aufzubauen.“

Die Masse der kleinen Männer

Der Versuch ist so nachhaltig gelungen, dass von der alten, christlich-sozialen Partei in der ÖVP nichts mehr übrig geblieben ist. Die Verachtung armer Familien und alleinerziehender Frauen ist jetzt Programm. Wer fremd oder arm ist, ist nicht normal. So haben das die Nazis gesehen, und so sehen das heute die Freiheitlichen in FPÖ und ÖVP. Ihr Ziel ist dasselbe: aus der großen Masse der kleinen Männer Gefolgschaft zu machen.

Nehammer wollte Ersatz-Führer werden. Jetzt ist Nehammer ein Kurz, der es nicht kann. Gerald Fleischmann hat das wahrscheinlich schon nach wenigen Tagen im November 2022 gewusst. Vielleicht arbeitet auch Fleischmann längst wieder für Kurz. Aber egal, ob das Mac-Video von einem Kurz-Vertrauten gestreut worden ist – der Leaker hat die Wirkung der Weinkellerrede unterschätzt. Das Video ist am Stammtisch angekommen. Dort zeigen alle Daumen nach unten. Mit einem Burger und ein paar Pommes hat sich Nehammer den Rest gegeben.

Kurz oder Tal

Mitten im Nehammer-Absturz wissen Strategen wie Steiner und Fleischmann, dass sie nicht mehr viel Zeit haben. Wenn die ÖVP ihren gestolperten Führer nicht schnell ersetzt, wird der Nationalratswahlkampf zu einem Zweikampf zwischen Andreas Babler und Herbert Kickl.

Auch das hilft bei der Suche nach dem Mac-Leak: SPÖ und FPÖ haben höchstes Interesse, dass Nehammer bleibt. Vielleicht bleiben wirklich nur noch zwei Verdächtige: die Kurz-Spezis in der ÖVP – und Tal Silberstein. Ich bin mir sicher, dass wir demnächst von ihm hören werden.

p.s.: Der „Kurier“ liefert passend zu McHammer „die Tipps der Profis“ mit Rezepten für Arme. Natürlich hinter Paywall.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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