Samstag, April 27, 2024

Von Burgern, Zombies und Menschen

Der Burgerskandal erinnert nicht nur an falsche Marie Antoinette-Zitate, sondern zeigt auch, welches Denken in die einst christlich soziale Partei ÖVP eingekehrt ist. Denn die eigene Verantwortung wird zur Eigenverantwortung anderer.

Das Burgergate ist durch Österreich gerauscht, hat eine Lawine an Memes und Witzen verursacht, Österreichs Ruhm in die weite Welt getragen, daran erinnert, dass Marie Antoinette auch aus Österreich stammte (und falsche Zitate an den bald durchschnittenen Hals geworfen bekam). Die ÖVP hat sich schützend hinter Karl Nehammer versammelt, alle Kritik an seiner verächtlichen Abwertung in selten seltsamer Umkehr als Verachtung und Abwertung bezeichnet, und damit noch ein Schauferl nachgelegt. Es lief also eigentlich alles wie immer.

Zersetzende Schnitzelburger

Diverse Kirchenmenschen übten scharfe Kritik. So weit, so normal in diesen neuen normalen österreichischen Zeiten zwischen Psychopharmaka, Schnitzerlburger und Alkohol. Aber, und das ist natürlich schmerzhaft, wir müssen reden. Wir müssen reden, neues Österreich. Dieses Österreich, in dem Verachtung so salonfähig geworden ist, dass man sich über ihre immer neuen Formen gar nicht mehr wundert. Sie zeigte sich bei dem Burgervideodrama nicht zum ersten und ganz bestimmt nicht zum letzten Mal. Schon wird darauf spekuliert, dass dieses Video der ÖVP nicht schaden wird. Vermutlich. Vielleicht schadet das Video nicht der ÖVP. Aber es schadet der Demokratie, dem Zusammenhalt, der Stimmung in diesem Land. Diese Verachtung rüttelt an den Grundfesten unseres Zusammenlebens. Sie vergiftet. Sie betreibt eine Opfertäterumkehr, weil es billiger ist, das eigene Versagen in eine Verantwortungspflicht der anderen umzudrehen.

Eigenverantwortung anderer

Das Zauberwort dafür heißt Eigenverantwortung. Eigenverantwortung ist an und für sich eine wirklich gute Sache, etwas, das man lernt zu übernehmen, wenn man erwachsen und selbstständig wird, es ist ein klassisches Coming-of-Age. Aber die Politik der christlichsozialen Partei macht einen Zombie daraus, einen schaurigen Wiedergänger, der herhalten muss für das Versagen derer in politischer Verantwortung.  Die Gesellschaft droht durch tiefe Gräben erschüttert zu werden? Mehr Eigenverantwortung! Rasant steigende Mieten, Inflation, Teuerungswelle, das Abrutschen des Mittelstandes (der immer noch diesen Fehler macht zu glauben, zu den oberen Zehntausend zu gehören, weil es dem eigenen Ego einfach mehr schmeichelt)? Eigenverantwortung! Was in der Coronapolitik begann, setzt sich in allen kritischen Bereichen weiter fort. Verantwortet das alles selbst, wir – die Menschen an den Hebeln der Macht – sind für nichts zuständig! Eigenverantwortung ist anders übersetzt ein „Scher dich zum Teufel.“ Besonders hübsch ist es natürlich, wenn es aus den Reihen einer christlichsozialen Partei geschlossen heraustönt. Der Heilige Martin hätte wohl in diesem Sinne gut daran getan, auf die Eigenverantwortung hinzuweisen und wohlig in seinen Mantel gekuschelt von Dannen zu reiten.

Titelbild: Miriam Moné / ZackZack

Julya Rabinowich
Julya Rabinowich
Julya Rabinowich ist eine der bedeutendsten österreichischen Autorinnen. Bei uns blickt sie in die Abgründe der Republik.
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10 Kommentare

  1. Eigenverantwortung….
    Sie die Huren der reichen schaufeln nach oben, alles was geht, verdienen sich an den Futtertrögen und das Land versinkt dank korrupter Justiz im Korruptionssumpf.
    Und dem Bürger dem es immer schlechter geht drückt man die Eigenverantwortung auf…bald müssen wir uns selbst mit Energie versorgen oder Operieren…

  2. die einst christlich soziale Partei ÖVP…

    Die waren immer schon die Bauernpartei und die waren früher Christlich….nur die ÖVP wars nie sondern nur für PR…

  3. Da sich Nehammer ja derzeit mit Leopold Figl vergleicht- weiß der Superkanzler eigentlich, dass Leopold Figl durch die eigenen ÖVP- Leute als Kanzler abgesetzt wurde…….

    • Und weißt Du, dass Kanzler FIGl sich seine Straße von der Bundesstraße 1 zu seinem Haus hat asphaltieren lassen! Lange bevor alle Bundesstraßen asphaltiert waren! Protektion gab es also auch schon damals. Zumindest in den höchsten Kreisen!

      • Im Dezember 2020 äußerte der St. Pöltner Bischof Alois Schwarz, dass er für Figl die Eröffnung eines Seligsprechungsprozesses anstrebe.[15] Als Gründe nannte Schwarz, dass Figl an den Spätfolgen der Misshandlungen im KZ verstorben ist sowie seine versöhnliche Haltung in Richtung der Sozialdemokratie.

        Ich mein seligsprechumg weil versönlich zu den Sozialdemokraten weil die erst den Sozialstaat aufgebaut haben….schon pervers die Partei die die Bürger wie Müll behandelt….

  4. Der AK Systempräsident Zangerl trötet gerade wieder einmal gegen diese aktuelle Politik wie auch hier beschrieben.
    Seit Jahrzehnten ist er schon an oberster Stelle verantwortlich und müsste deshalb wohl gegen sich selber vorgehen müssen?

    Ein neues Medienfreitheitsgesetz soll nun von der EU kontrolliert werden? Bevor wir zur EU kamen brauchte es nicht einmal ein solches Gesetz…

    Die Leitung der Generakprokuratur derzeit unbesetzt:
    https://orf.at/stories/3333289/
    Auszugszitat im ORF Bericht, welchen man nur mit Spezieleingaben im Netz finden kann:

    “„Rechtswahrerin“ vertritt Republik
    Die beim Obersten Gerichtshof angesiedelte staatsanwaltschaftliche Behörde versteht sich als „Rechtswahrerin“, zu ihren Aufgaben zählt etwa, die Republik Österreich vor Gericht zu vertreten und durch Rechtsmittel wie Nichtigkeitsbeschwerden über die „richtige Anwendung des Gesetzes“ zu wachen.
    Im Gegensatz zu den Staatsanwaltschaften und Oberstaatsanwaltschaften steht die Generalprokuratur außerhalb der Weisungshierarchie (Justizministerin – Oberstaatsanwalt – Staatsanwalt). Gemäß Gesetz ist die Generalprokuratur allerdings dem Minister bzw. der Ministerin für Justiz unmittelbar untergeordnet und weisungsgebunden.
    Auch Weisungsrat ohne Spitze
    Dass der ranghohe Posten unbesetzt ist, zieht weitere Kreise. Denn der Leiter bzw. die Leiterin der Generalprokuratur steht seit 2016 dem Weisungsrat vor. In Fällen, in denen der Justizminister bzw. die Justizministerin eine Weisung an die Staatsanwaltschaften erteilen möchte, und bei Fällen von besonderem öffentlichem Interesse wird der Weisungsrat beigezogen.
    Das Gremium berät zwar den Ressortchef bzw. die Ressortchefin, die Äußerungen der Fachleute sind allerdings nicht bindend. Der Minister bzw. die Ministerin trifft am Ende die Entscheidung. Der Generalprokurator bzw. die -prokuratorin hat vier Erste Generalanwältinnen und Generalanwälte als Stellvertreter.

    Wer wußte das und wo konnte man das bisher lesen, oder Diskussionen dazu verfolgen?
    Alle reden nur vom Generalsstaatsanwalt, dabei sind die aktuellen Strukturen noch viel komoplexer und verwobener als bisher zumindest im öffentlichken Bewußtsein bekannt?

  5. | Vielleicht schadet das Video nicht der ÖVP. Aber es schadet der Demokratie, dem Zusammenhalt, der Stimmung in diesem Land. Diese Verachtung rüttelt an den Grundfesten unseres Zusammenlebens. Sie vergiftet. Sie betreibt eine Opfertäterumkehr, weil es billiger ist, das eigene Versagen in eine Verantwortungspflicht der anderen umzudrehen. |

    Es ist das miese (Wort)Spiel, das die überhebliche Vauppen Bourgeoisie am liebsten spielt: “Den Wortsinn im gängigen Bedeutungsfeld ins (meist Negative) Gegenteil zu drehen / zu spiegeln.”

    ZB diese bemühte “Eigenverantwortlichkeit” in eine FÜR SICH ÜBER ANDERE zu stellen, während die grundsätzlich auf solidarische Kooperation angewiesene Zivilgesellschaft eine solche ÜBER SICH FÜR ANDERE – erst recht in einer zum übergeordneten Staatswohl vereidigten politischen Verantwortung – im Allgemeinen stellt. Es ist zB auch diese rücksichtslos infame Umkehr einer an sich gängig trivialen “Kurzen” Aussage, “eine neue Politik” ins Land zu bringen, die das Versprechen einer Ver-Besserung insinuieren sollte, während genau das Gegenteil in brutale, hinterhältige Umsetzung gebracht wird – mit der vorsätzlichen Absicht einer Übervorteilung (=Nepp) der Gesellschaft im erschlichen getäuschten Vertrauensbonus. -> Ein Werk der politischen Spin-Doktoren im überbordend schweineteuren PR-Betrieb…

    “Glaubt (trotzdem) dran – an dieses Österreich!” wird so zum Pakt mit dem Teufel. Christlich-sozial gelogen verkleidet nämlich…

    Anstatt endlich eingeforderte Gesetze u.a. zur Transparenzgebung öffentlicher Verwaltung in eine längst überfällig zeitgemäße Umsetzung zu bringen, wird scheinheilig “irrtümlich” ein als belanglos erklärtes Konzeptpapier für einen angestrengten “Transparenz-Untersuchungsausschuss” ÜBER ALLE ANDEREN politischen Mitbewerber lanciert… Genau so geht diese ans Gegenüber delegierte Umkehr an Eigenverantwortlichkeit: Anstehende Reformen querbeet aller soziokulturellen und -ökonomischen Strukturen in unserem kleinen, neutralen Land (welches so nebenbei in sämtlichen international competitiven Rankings ins Bodenlose abstürzt) werden so nobel prokrasteniert. “Man verlöre ja die Selbst?Verantwortung in einer wahldemokratisch Zielgruppen (und Klassen-)gestaltenden Regierungsverantwortung!” (sinngemäße Aussage vom Vauppen Generalsekretär Stocker zur öffentlichen Erwartungshaltung…)

    Die Formel scheint also recht(skonservativ) einfach: “Nimm genau das Gegenteil im artikuliert gedeuteten Wortsinn, dann bist in der Interpretation großbürgerlich strategischer Absichten ziemlich nah dabei.”

  6. Das mit der Eigenverantwortung hätte ich gerne einmal gegenüber der Wirtschaft, wenn die ihre Schulden wieder vergesellschaften will.

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