Herbert Kickl mag weder Menschen noch Bier. Er ist der schwächste Spitzenkandidat der FPÖ. Trotzdem wird er hochgeschrieben.
Vorgestern Abend hat mir „Puls 24“ eine Stelze und ein Bier spendiert. Das war wohl die Belohnung für die Teilnahme an einer Runde, die im Wiener Prater versuchte, Herbert Kickl zu verstehen. Eigentlich hätte sich Kickl dort selbst einem „Bürgerforum“ stellen sollen. Aber Kickl drückte sich. Der Volkskanzler hatte vor dem Volk die Führerhose voll.
Jämmerlicher Kickl
Die Sendung hatte einen zentralen Strang: Ausschnitte aus einer Kickl-Rede in einem Bierzelt, irgendwo im steirischen Joglland. Für mich war das neu, ich habe nicht gewusst, wie schlecht Kickl als Redner ist. Jörg Haider war einer der besten, Strache konnte es auch ganz gut. Herbert Kickl ist auf der Bühne jämmerlich. Seine schlechten Witze, seine vorgetäuschte Bierseligkeit, seine Anbiederung an Menschen, die ihm fremd bleiben, das funktioniert nur in einem Zelt voller Betrunkener. Wo Haider verführt und Strache gepoltert hat, wurstelt sich Kickl ruckartig durch seinen Redesalat. Man spürt es: Kickl mag weder Bier noch Menschen. Ich verstehe jetzt, warum er sich nicht in das „Puls 24“-Bürgerforum getraut hat.
Das falsche Konzept
„Puls 24“ ist der Diskussionsspezialist im österreichischen TV. Die Debatten dort sind um Klassen besser als im ORF, weil viel investiert und gut vorbereitet wird und die Moderatorinnen zu den besten ihres Fachs gehören. Trotzdem hatte ich vorgestern die ganze Zeit das Gefühl, dass es seltsam läuft. Das lag nicht an den Mitdiskutanten, Kickl-Vorgänger HC Strache, ex-AfD-Chefin Frauke Petry und Krone-Redakteur Claus Pandi, sondern am Konzept. Die Grundidee stammt nicht von „Puls 24“. Sie steht im Drehbuch, das von den journalistischen Heldinnen und Helden der Haider-Abwehrkämpfe ab 1986 geschrieben worden ist.
Das Drehbuch besetzt die Rollen:
FPÖ-Chef (Haider, Strache, Kickl): | der ebenso böse wie unaufhaltsame Dämon |
Redakteurinnen und Redakteure: | stellen sich heldenhaft dem Dämon entgegen |
Text: | das gesammelte „Böse“ und damit die Stärken des Dämons. |
Kickl gewinnt
Die gestrige Sendung folgte diesem Konzept: zuerst „Ausländerfeindlichkeit“, dann „Impfgegner und Schwurbler“, zum Abschluss „Identitäre und Neonazis“. Ein Kickl-Ausschnitt, dann die erwartbaren Reaktionen aus der Runde (Pandi und ich: „So geht das nicht“, Strache und Petry: „Wir werden ausgegrenzt und sind die Opfer“). Jeder bediente sein Publikum und festigte sein Lager.
Schon Jörg Haider wusste, wie die unermüdlichen Haider-Warner als Haider-Verstärker taugten. Regelmäßig warf er ihnen eine Provokation hin und wurde mit erregten Berichten und empörten Kommentaren belohnt. Das Wissen über den antifaschistischen Reflex gehört inzwischen zur FPÖ-Grundausbildung.
Auch vorgestern Abend konnten wir alle zufrieden sein. Ich habe viel Lob für meine unerschütterliche Absage an Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus erhalten. Claus Pandi wird es genauso ergangen sein. Am zufriedensten war wohl Herbert Kickl mit der Hauptbotschaft des Abends: „Herbert Kickl gewinnt!“
Kickl verliert
Das muss nicht so sein. Es ist kein Geheimnis, dass Herbert Kickl dieselben drei Schwachstellen wie Haider und Strache hat: Programm, Interessen und Partner.
Die FPÖ ist die Partei, die dafür sorgt, dass ihre „kleinen Leute“ anstelle der Millionäre alle Rechnungen zahlen. Sie ist gegen Vermögenssteuern, gegen gesetzliche Deckel auf Gas- und Strompreise, Mieten und Lebensmittelpreise.
Es ist nicht Unvermögen, dass Kickl kein Programm zur Beseitigung der Kinderarmut, zur Abschöpfung der Spekulations- und Kriegsgewinne, zur Sanierung der Spitäler und Universitäten und zur Bekämpfung der Korruption hat. Die „kleinen Leute“, denen Kickl zuprostet, sind die Hauptopfer der freiheitlichen Politik. Die Leute, denen Kickl das Geld seiner Wähler zuschiebt, sind ziemlich groß. Kickls Programm ist nicht Umvolkung, sondern Umverteilung, von unten nach ganz oben. Andere pflanzen Bäume, Kickl pflanzt seine Wähler.
Schnitzel, Frau und Kasse
Dazu kommt die Partnerwahl. Seit Sebastian Kurz ist die ÖVP die natürliche Partnerin der FPÖ. Beide wollen das Schnitzel in die Semmel, die Frau an den Herd und das Geld in die eigenen Kassen.
Ein Bürgerforum mit „Warum keine Preisdeckel?“, „FPÖ gegen Millionärssteuern“, „FPÖ und Putin“ und „von St. Pölten bis Salzburg alles mit der ÖVP“ hätte den FPÖ-Chef zur Minenfeld-Wanderung geladen. Dort gewinnen Politiker wie Hans Peter Doskozil und Andreas Babler. Herbert Kickl verliert dort jede Wahl.
Medien entscheiden
Von „Kronen Zeitung“ bis „Puls 24“ entscheiden 2024 die Medien. Schreiben sie Kickl mit seinen Leibthemen zum Sieger hoch, wird Kickl die Wahl gewinnen. Berichten sie, wie der „Volkskanzler“ sein Volk verkauft und verrät, verliert die FPÖ.
Kickl profitiert von zwei Arten von Journalismus: von dem, der ihn mit den falschen Mitteln bekämpft; und von dem, der nur einen Auftrag hat: dafür zu sorgen, dass die Vermögen der Reichsten weiter steuerfrei bleiben.
Die Alternative heißt „klassischer Journalismus“ – von Nehammer und Kogler bis Babler und Kickl berichten, wer welche Konzepte hat, was sie taugen und wem sie nützen. Dann verliert Kickl.
Die Sendung zum Nachschauen: https://www.joyn.at/serien/pro-und-contra/5-31-pro-und-contra-spezial-was-will-kickl
Titelbild: Screenshot „Pro | Contra“