Samstag, April 27, 2024

Wie Herbert Kickl verliert

Herbert Kickl mag weder Menschen noch Bier. Er ist der schwächste Spitzenkandidat der FPÖ. Trotzdem wird er hochgeschrieben.

Vorgestern Abend hat mir „Puls 24“ eine Stelze und ein Bier spendiert. Das war wohl die Belohnung für die Teilnahme an einer Runde, die im Wiener Prater versuchte, Herbert Kickl zu verstehen. Eigentlich hätte sich Kickl dort selbst einem „Bürgerforum“ stellen sollen. Aber Kickl drückte sich. Der Volkskanzler hatte vor dem Volk die Führerhose voll.

Quelle: „Pro | Contra“ Puls 24

Jämmerlicher Kickl

Die Sendung hatte einen zentralen Strang: Ausschnitte aus einer Kickl-Rede in einem Bierzelt, irgendwo im steirischen Joglland. Für mich war das neu, ich habe nicht gewusst, wie schlecht Kickl als Redner ist. Jörg Haider war einer der besten, Strache konnte es auch ganz gut. Herbert Kickl ist auf der Bühne jämmerlich. Seine schlechten Witze, seine vorgetäuschte Bierseligkeit, seine Anbiederung an Menschen, die ihm fremd bleiben, das funktioniert nur in einem Zelt voller Betrunkener. Wo Haider verführt und Strache gepoltert hat, wurstelt sich Kickl ruckartig durch seinen Redesalat. Man spürt es: Kickl mag weder Bier noch Menschen. Ich verstehe jetzt, warum er sich nicht in das „Puls 24“-Bürgerforum getraut hat.

Das falsche Konzept

„Puls 24“ ist der Diskussionsspezialist im österreichischen TV. Die Debatten dort sind um Klassen besser als im ORF, weil viel investiert und gut vorbereitet wird und die Moderatorinnen zu den besten ihres Fachs gehören. Trotzdem hatte ich vorgestern die ganze Zeit das Gefühl, dass es seltsam läuft. Das lag nicht an den Mitdiskutanten, Kickl-Vorgänger HC Strache, ex-AfD-Chefin Frauke Petry und Krone-Redakteur Claus Pandi, sondern am Konzept. Die Grundidee stammt nicht von „Puls 24“. Sie steht im Drehbuch, das von den journalistischen Heldinnen und Helden der Haider-Abwehrkämpfe ab 1986 geschrieben worden ist.

Das Drehbuch besetzt die Rollen:

FPÖ-Chef (Haider, Strache, Kickl):der ebenso böse wie unaufhaltsame Dämon
Redakteurinnen und Redakteure:stellen sich heldenhaft dem Dämon entgegen
Text:das gesammelte „Böse“ und damit die Stärken des Dämons.

Kickl gewinnt

Die gestrige Sendung folgte diesem Konzept: zuerst „Ausländerfeindlichkeit“, dann „Impfgegner und Schwurbler“, zum Abschluss „Identitäre und Neonazis“. Ein Kickl-Ausschnitt, dann die erwartbaren Reaktionen aus der Runde (Pandi und ich: „So geht das nicht“, Strache und Petry: „Wir werden ausgegrenzt und sind die Opfer“). Jeder bediente sein Publikum und festigte sein Lager.

Schon Jörg Haider wusste, wie die unermüdlichen Haider-Warner als Haider-Verstärker taugten. Regelmäßig warf er ihnen eine Provokation hin und wurde mit erregten Berichten und empörten Kommentaren belohnt. Das Wissen über den antifaschistischen Reflex gehört inzwischen zur FPÖ-Grundausbildung.

Auch vorgestern Abend konnten wir alle zufrieden sein. Ich habe viel Lob für meine unerschütterliche Absage an Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus erhalten. Claus Pandi wird es genauso ergangen sein. Am zufriedensten war wohl Herbert Kickl mit der Hauptbotschaft des Abends: „Herbert Kickl gewinnt!“

Kickl verliert

Das muss nicht so sein. Es ist kein Geheimnis, dass Herbert Kickl dieselben drei Schwachstellen wie Haider und Strache hat: Programm, Interessen und Partner.

Quelle: „Pro | Contra“ Puls 24

Die FPÖ ist die Partei, die dafür sorgt, dass ihre „kleinen Leute“ anstelle der Millionäre alle Rechnungen zahlen. Sie ist gegen Vermögenssteuern, gegen gesetzliche Deckel auf Gas- und Strompreise, Mieten und Lebensmittelpreise.

Es ist nicht Unvermögen, dass Kickl kein Programm zur Beseitigung der Kinderarmut, zur Abschöpfung der Spekulations- und Kriegsgewinne, zur Sanierung der Spitäler und Universitäten und zur Bekämpfung der Korruption hat. Die „kleinen Leute“, denen Kickl zuprostet, sind die Hauptopfer der freiheitlichen Politik. Die Leute, denen Kickl das Geld seiner Wähler zuschiebt, sind ziemlich groß. Kickls Programm ist nicht Umvolkung, sondern Umverteilung, von unten nach ganz oben. Andere pflanzen Bäume, Kickl pflanzt seine Wähler.

Schnitzel, Frau und Kasse

Dazu kommt die Partnerwahl. Seit Sebastian Kurz ist die ÖVP die natürliche Partnerin der FPÖ. Beide wollen das Schnitzel in die Semmel, die Frau an den Herd und das Geld in die eigenen Kassen.

Ein Bürgerforum mit „Warum keine Preisdeckel?“, „FPÖ gegen Millionärssteuern“, „FPÖ und Putin“ und „von St. Pölten bis Salzburg alles mit der ÖVP“ hätte den FPÖ-Chef zur Minenfeld-Wanderung geladen. Dort gewinnen Politiker wie Hans Peter Doskozil und Andreas Babler. Herbert Kickl verliert dort jede Wahl.

Medien entscheiden

Von „Kronen Zeitung“ bis „Puls 24“ entscheiden 2024 die Medien. Schreiben sie Kickl mit seinen Leibthemen zum Sieger hoch, wird Kickl die Wahl gewinnen. Berichten sie, wie der „Volkskanzler“ sein Volk verkauft und verrät, verliert die FPÖ.

Quelle: „Pro | Contra“ Puls 24

Kickl profitiert von zwei Arten von Journalismus: von dem, der ihn mit den falschen Mitteln bekämpft; und von dem, der nur einen Auftrag hat: dafür zu sorgen, dass die Vermögen der Reichsten weiter steuerfrei bleiben.

Die Alternative heißt „klassischer Journalismus“ – von Nehammer und Kogler bis Babler und Kickl berichten, wer welche Konzepte hat, was sie taugen und wem sie nützen. Dann verliert Kickl.


Die Sendung zum Nachschauen: https://www.joyn.at/serien/pro-und-contra/5-31-pro-und-contra-spezial-was-will-kickl

Titelbild: Screenshot „Pro | Contra“

Peter Pilz
Peter Pilz
Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.
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21 Kommentare

  1. Kickl verliert? Ich denke, Kickl zündelt…

    Was und wie macht es dieser Populist?

    – Er stellt sich nicht gegen die Verfassung – nein, “die Verfassung” ist gegen die FPÖ
    – Er stellt sich nicht gegen “das System” – nein, “das System” ist gegen die FPÖ
    – Er stellt sich nicht gegen die (leider selten rational orientierte) Mehrheit – nein, er stellt diese gegen sich (persönlich)
    – Er stellt sich nicht sachorientierten Diskussionen – nein, er bevorzugt das Bad in den Emotionen
    – Er stellt sich nicht demokratisch beanspruchten Diskussionen – nein, er lehnt das “demokratische” System in eingefordert “freier Meinungsäusserung” offen in Frage
    – Er stellt sich nicht mehr im ORF, dem Mainstream-Medien-Flaggschiff – nein, er unterstellt diesem grundsätzlich manipuliert gerichtete Information (“Das schneiden’S jetzt aber nicht raus…”, wenn er denn doch auch mal zu erscheinen hat!)
    – Er stellt sich auch nicht mehr dem anderen etablierten Info-System-Kanälen – nein, er baut sich seine Kanäle selbst, um dort Verschwörungs-Kruderien zu polemisieren, sich dort zu vernetzen, zu bündeln
    – Er stellt sich nicht mehr der breiten Öffentlichkeit in Podiumsdiskussionen – er baut sich nichts weniger als seine eigene GEGENöffentlichkeit, mit 1eigenen Themenschwerpunkten, konflikt orientierten Lösungsansätzen “gegen das System”
    – Er stellt sich Fragen zum ideologischen Hintergrund der FPÖ (aus und in ihrer Geschichte) nicht mir seriösen Historiker-Gutachten – nein, er lässt “linken Radikalismus” vermehrt an den Pranger stellen (Anm. links ist alles, was nicht FPÖ ist)
    – Er stellt sich nicht dem Klimawandel und seinen Folgen für JEDE/N – nein, er dreht ihn ins Absurde mit irrational radikal diametralen “Gegen-Reaktionen”
    – Frieden in russichen Angriffskrieg in der Ukraine 400km östlich unserer Staatsgrenze? – ja, aber nur zu Putin’s Bedingungen, primär antisolidarisch gegen Europa und die Nato gerichtet
    – global gebündelte Anstrengungen zur kollektiven Bewältigung anstehender Bedrohungen? – nein, Separatismus, Xenophobie, Festungen und Zäune sind erklärte Ziele…

    Er schwimmt im allgemein europäisch aufkommenden “distributiven Populismus” (Anm. übrigens von ganz rechts- bis ganz linksgelagert) ohne emanzipatorische Gesichtspunkte für gesellschaftliche Inklusionen von Minderheiten, NGO’s, Frauen-, Kinder- und Bildungspolitik – ja selbst der Forschung. Es ist simpler, nationalistischer Konservatismus, realitätsfremd, fakten- und wissensbefreit – “Realitäten” baut er und seine rechtsgescheitelten ja selber. Eine Lösung ist da á la long nur im aufrecht zu erhaltenden Konflikt angestrebt. Konflikte, die in letzter ultimativer Konsequenz auch in ideologisch militärische Weltkriege führ(t)en…

    • Achja.. Wie ists denn mit dem jahrzehnte alten linken Schlachtruf “Unseren Hass könnt ihr haben”
      Und die Hater sind einfache Menschen, nur mit anderer Meinung ?

  2. Ja gegen etwas zu sein ist immer leichter als etwas Produktives zu leisten.
    Gegen Kickl und gegen die FPÖ zu sein ist nichts neues für Peter Pilz und keine besondere Leistung.

  3. in der letzten umfrage hat die fpö verloren und die spö gewonnen.
    ich glaub, dass babler grad das richtige macht und dass die medien schön langsam umschwenken.
    und dann wird der trend genosse.
    die fpö übertreibts nämlich grad – siehe landhäusls 150/kmh auf der autobahn.
    die glauben, sie sind unverwundbar und werden überheblich.
    das wird sich rächen.
    zum glück.

    • Gerade der 150iger ist wieder sowas, wo die Meiden aufspringen. Ein Kommentar folgt dem nächsten. Dabei ist das forderungspolitisch ja nur ein plumper Gegenentwurf zu Tempo 100. Also dagen ist alles. Damit es bleibt, wie es ist: Stillstand. Aber es wird rauf aufgesprungen. Ein Vize einer Regionalregierung sagt irgendwas, aber die nationalen Medien halten das für ein Thema. Früher wäre das eine Randnotiz gewesen. Mehr nicht. Und das sollte es auch sein.

  4. Oberst Reisner bei Cassis auf YT: Da “wir” RU nicht besiegen wollen (Eigenrisiko zu groß), wird es irgendwann eine stabilisierende Lösung geben. Die zur Folge hat, dass ein vorheriges einseitiges Hinauslehnen politisch abgestraft werden wird, und Populisten kommen.
    Genauso ist es mit Kickl. Das Problem ist nicht, dass Kickl kein Bier trink (ich trink auch nur selten eines), diese Leute wird es immer wieder geben, sondern dass die absurde Politik der anderen – mangels Alternative – ihn die Leute zutreibt.

    Selbst die Sektion 8 setzt populistisch auf Freydays for Future, ohne einen kritischen Blick auf den IPCC zu werfen (vgl Gantefoer auf YT).
    So Recht auch Pilz hat — dafür habe ich ihn abonniert, vielen Dank — …………

  5. Haben Journalisten neutral zu sein? Nein. Sie haben sachlich zu sein und sollen sachlich berichten. Sie haben besonders auf die mit dem Finger zu zeigen, die an der Macht sind (und das sind alle im Parlament vertretenen Personen und Parteien). Sie haben den Finger in die Wunden zu legen. Das ist ihre Aufgabe in der Demokratie.

    In einer Diktatur haben Journalist:innen ganz andere Aufgaben, sie haben das zu berichten, was der Herrscher will, selbst wenn er es nicht verlangt, also in vorauseilendem Gehorsam zu antizipieren, was der Herrscher will und das umzusetzen. Fragen an den Herrscher sind “Hölzlfragen”, wie man früher sagte, also Fragen bei Diskussionen mit dem Volk, die dem ertrinkenden Politiker als Rettungsanker dienten. In einer Diktatur gibt es nur Hölzlfragen für den Herrscher. So sichert er seine Macht ab.

    Ich habe die ersten 10 Minuten der oben beschriebenen Sendung angehört, dann hab ich umgeschaltet. Alle diese Fragen und Themenkomplexe waren irrelevant, haben mich nicht interessiert, sind aus dem Diskurs der FPÖ stammend und führen dann auch nur dazu, dass sie sich darin suhlen können. Die “Hölzlthemen”, die da aufgeworfen wurden, waren aufgelegte Elfmeter für den zukünftigen Herrscher und seine Adepten. In vorauseilendem Gehorsam wurden genau diese Themen ausgewählt.

    Dass dann noch HC da gesessen ist, der nicht nur gescheiterte Politiker, war ja wieder an Einladungspolitik kaum zu unterbieten. Das war Resteverwertung. Wenn Kickl sich da nicht hintraut, muss man weder als Privatsender noch als öffentlich-rechtlicher Sender so tun, als ob eine “ausgewogene Berichterstattung” oder eine “neutrale ” Haltung angebracht ist. Es war vollkommen unangebracht. Man hätte statt Frau Petry Frau Strack-Zimmermann einladen können, statt HC Kevin Künert. Dann hätten Pandi und Pilz, die beiden Journalisten, mit den Politiker:innen über eine zukünftig von Kickl geführte Regierung sprechen können. Das hätte nicht nur mehr Pepp und Spannung geboten, es wäre auch inhaltlich interessant gewesen, die Perspektive von außen und die Perspektive von innen zu vergleichen.

  6. “…. bis Babler und Kickl berichten, wer welche Konzepte hat, was sie taugen und wem sie nützen. Dann verliert Kickl.”

    Ja ein guter Gedanke! Fangen Sie doch bitte bei Babler an und berichten sie darüber was er zum Thema “Burger-Gate” zu sagen hat und hatte. Das ist eine ganze Menge.

    Bevor Sie da lang herumlamentieren, hättens schon Unmengen an Infos über Babler rüberwachsen lassen können. Nix für ungut, hab eine Ankündigungsallergie.

  7. Solange Journalisten nicht neutral über die Politik berichten sondern gegen einzelne Politiker hetzen ist es auch legitim einzelnen Journalisten keine Interviews mehr zu geben. In Deutschland werden unliebsame Journalisten nicht mal bei Pressekonferenzen eingelassen.

  8. Sorry aber Kickl mag sehr wohl Bier (halt nicht so viel Wein wie eine Grüne “Ikone” namens Werner) und ich hab mir die FPÖ Veranstaltung in der nach Ihren Worten “steirischen Provinzstadt” angesehen und konnte keine auffällig betrunkene Personen sehen.
    Und Pandi war in der Sendung vollkommen daneben!
    Das Wort Impfschwurbler sollte man schön langsam ad acta legen!
    Warum soll Journalismus einen Herrn Kickl bekämpfen? (sollten die nicht neutral berichten)Bekämpfen sollte ihn eher eine Politik welche die Menschen überzeugt! (gibt es derzeit aber nicht)
    Und zum Schluss: Warum Herr Pilz flog ihre Partei wohl aus dem Nationalrat (2 mal)

  9. Ich frage mich, warum Puls24, einem gescheiterten Politiker der nur noch um das nackte Überleben kämpft und um Spenden bettelt, im Format PRO/CONTRA so eine große Bühne bietet.

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