Kriege sind Zeiten der Propaganda, und Falschinformationen sind deren Waffen. Sie sind gerade in Österreich wirkungsvoll, wie drei Beispiele zeigen.
Die erste Falschinformation wird seit dem Tag des Hamas-Angriffs weltweit verbreitet.
1. „Der Iran steckt hinter der Hamas.“
Das ist ungefähr so richtig wie „Die Volksrepublik China steht hinter der FPÖ“. Jeder weiß, dass Russland und nicht China hinter der FPÖ steht. Von der ZiB des ORF bis zum „Kurier“ könnten alle wissen, dass der Iran hinter der schiitischen Hisbollah steht – und Erdoğans Türkei hinter dessen sunnitischen Glaubensbrüdern der Hamas.
Wie die Hamas hat auch Erdoğans Partei Wurzeln in der Muslim-Bruderschaft. 2014 verlegte die Hamas ihr Hauptquartier von Damaskus nach Istanbul. Hamas-Führer Ismail Haniyeh lebt in der Türkei. Wie viele andere Hamas-Spitzen haben er und sein Sohn türkische Pässe. Noch am 26. Juli 2023 begrüßte Erdoğan den Hamas-Führer in seinem Palast in Ankara.
Die Türkei lässt es zu, dass ranghohe Hamas-Aktivisten von Istanbul aus Anschläge gegen Israel planen, wie die britische Tageszeitung „The Telegraph“ 2019 enthüllte.
„Abschriften von Verhören der israelischen Polizei mit Verdächtigen zeigen, dass hochrangige Hamas-Aktivisten die größte Stadt der Türkei nutzen, um Operationen in Jerusalem und im besetzten Westjordanland zu leiten, darunter ein Attentat auf den Bürgermeister von Jerusalem Anfang des Jahres.“ Und: „Unter ihnen ist der ehemalige Anführer einer Selbstmordattentäterzelle, die für einige der blutigsten Anschläge in Israel in den neunziger Jahren verantwortlich war.“
Jetzt versucht Erdoğan aus seinen brüderlichen Verbindungen zur Hamas als „Vermittler“ politisches Kapital zu schlagen.
Aber Erdoğan als Hamas-Pate ist tabu, vom Treffen der NATO-Außenminister in Brüssel bis zur ZiB des ORF. Niemand in der NATO will, dass jetzt der türkische Staat ins Zwielicht gerät. Also war es der Iran. Vielleicht steckt ja doch China hinter der FPÖ.
2. „Die Palästinenser sind ein mörderisches Volk.“
„Einem Volk, das sich dazu entschieden hat, willkürlich zu entführen, zu vergewaltigen und zu morden, kann man nicht zur Seite stehen.“ So erklärt ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker, dass seine Partei nicht nur die Terroristen der Hamas, sondern alle Palästinenser bekämpft.
Damit geht die ÖVP deutlich weiter als die großen Teile der israelischen Politik, die bereit waren, eine Friedenslösung mit den Palästinensern zu verhandeln. Das ist kein Wunder: Im Gegensatz zur ÖVP weiß man in Israel, was es bedeutet, wenn ein ganzes Volk an den Pranger gestellt wird.
Netanjahu denkt wohl wie Stocker. Eine Million Palästinenserinnen und Palästinenser sollen aus dem Norden Gazas vertrieben werden. Nicht nur aus ihrer Sicht ist das der Abschluss einer langen Leidensgeschichte. Als Israel gegründet wurde, lebten rund 35.000 Araber in Gaza. Die erste große Vertreibung aus Israel machte aus dem dünn besiedelten Gaza ein einziges großes Flüchtlingslager. Jetzt soll eine Million Menschen im Lager selbst vertrieben werden.
Jitzchak Rabin hat als Israels Regierungschef gewusst, dass seine Friedenspolitik die Gegner von Terror und Krieg auf beiden Seiten stärkt. Netanjahu steht auf der anderen Seite.
3. „Netanjahu bekämpft die Hamas mit allen Mitteln.“
Anders als in Österreich wird Benjamin Netanjahu in Israel von vielen für den falschen Umgang mit der Hamas verantwortlich gemacht. Gidi Weitz erinnerte am 9. Oktober 2023 in „Haaretz“, der israelischen Partnerzeitung der „New York Times“, an Netanjahus Rat an seine Abgeordneten: „Jeder, der die Gründung eines palästinensischen Staates vereiteln will, muss die Hamas unterstützen und Geld an die Hamas überweisen“, sagte er bei einem Treffen der Knessetmitglieder seiner Likud-Partei im März 2019. „Das ist Teil unserer Strategie – die Palästinenser in Gaza von den Palästinensern im Westjordanland zu isolieren.“
Netanjahu bekämpfte nicht Hamas und Hisbollah, sondern die zwei Staaten-Lösung von Jitzchak Rabin mit allen Mitteln – auch mit der Hamas. Gidi Weitz beschreibt Netanjahus historischen Fehler: „Er war überzeugt, dass er mit korrupten arabischen Tyrannen verhandeln konnte, während er den Eckpfeiler des arabisch-jüdischen Konflikts, die Palästinenser, ignorierte. Sein Lebenswerk war es, das Staatsschiff vom Kurs seiner Vorgänger, von Yitzhak Rabin bis Ehud Olmert, abzubringen und die Zweistaatenlösung unmöglich zu machen. Auf dem Weg zu diesem Ziel fand er in der Hamas einen Partner.“
Weitz zitiert aus dem Protokoll einer polizeilichen Einvernahme, in der Netanjahu erklärt: „Wir haben Nachbarn, die unsere erbitterten Feinde sind … Ich schicke ihnen ständig Nachrichten … in diesen Tagen, genau jetzt … Ich führe sie in die Irre, destabilisiere sie, verhöhne sie und schlage sie vor den Kopf.“ Und Netanjahu weiter: „Es ist unmöglich, sich mit ihnen zu einigen … Jeder weiß das, aber wir kontrollieren die Höhe der Flammen.“
Jetzt, wo die Flammen unkontrolliert auf immer größere Gebiete übergreifen, stellt sich auch das als falsch heraus.
Hamas und Netanjahu
Trotzdem ist jede Gleichstellung von Netanjahu und Hamas falsch. Hamas ist eine terroristische Organisation, die Israel nach wie vor zerstören will. Es gibt keine politische Alternative in der Hamas und es gibt damit keine Alternative zur Bekämpfung aller Terroristen.
In Israel gibt es die Alternative. Demokratische Wahlen können dort jederzeit eine grundlegende Änderung der Politik erwirken und dafür sorgen, dass die Regierungsbank Netanjahu nicht mehr vor der Anklagebank schützt.
Letztlich geht es bei Israel mehr als um das Selbstverteidigungsrecht eines souveränen Staates. Es geht um das Land, das Millionen Jüdinnen und Juden in einer Zeit, in der vieles wieder beginnt, Sicherheit gibt: dass es zumindest einen Staat gibt, der verlässlich auf ihrer Seite steht und sie schützt.
Titelbild: SAID KHATIB / AFP / picturedesk.com, ADEM ALTAN / AFP / picturedesk.com, HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com, HANDOUT / AFP / picturedesk.com, Montage ZackZack
Weiterführende Links:
https://www.fdd.org/analysis/2020/08/26/erdogan-hosting-hamas-terrorists/