Donnerstag, Oktober 3, 2024

Kanonenfutter statt Spitalsbetten

Heute, am Nationalfeiertag, stehen Spitäler vor dem Zusammenbruch, und das Bundesheer darf Milliarden verpulvern. Sicherheitspolitische Dilettanten in Politik, Medien und Präsidentschaftskanzlei applaudieren dem uniformierten Unsinn.

Der Nationalrat kauft Wolfgang Sobotka eine Perücke. Unsinn? Ja, weil wahrscheinlich sogar Sobotka weiß, dass ihm nicht einmal eine neue Haarpracht mehr hilft.

Die „Perücke“, die finanziert wird, bekommt der Kampfpanzer „Leopard 2“. Damit soll sein „Kampfwert“ gesteigert werden. Das Problem dabei ist: Die 48 „Leopard“-Kampfpanzer haben für Österreich nicht den geringsten Kampfwert, aus zwei Gründen:

  1. bedroht keiner der angrenzenden NATO-Staaten Österreich mit Kampfpanzern – und auch Putins Panzer müssten zuerst einen NATO-Staat durchqueren, bevor sie auf den ersten österreichischen Leopard treffen würden;
  2. wären die Austro-Leopard für hochgerüstete Angreifer „Kanonenfutter“, wie der Rest unseres Heeres auch.

Wer sich ernsthaft mit militärischen Angelegenheiten beschäftigt, weiß: Die Kernaufgabe „Landesverteidigung“ ist in Österreich obsolet. Die österreichische Sicherheit liegt in der EU und damit in einer gemeinsamen europäischen Sicherheit.

„Böse Nachbarn“

Wenn die Fachleute die sachliche Rechtfertigung für Milliardeninvestitionen liefern können, schlägt vom Bundespräsidenten bis zu Kommentatoren der Tageszeitungen die Stunde der Dilettanten. Andreas Koller schießt hier in den „Salzburger Nachrichten“ punktgenau den Vogel ab: „Dass der Frömmste und auch der Neutralste nicht in Frieden leben kann, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt, wurde in der Geschichte hundertfach bewiesen“.

Koller glänzt mit zwei Beispielen, die restlichen 98 mutet er seinen Lesern nicht zu: „Etwa durch den Einmarsch deutscher Truppen in Belgien in zwei Weltkriegen oder zuletzt durch den Überfall Russlands auf die Ukraine“. Koller hätte genauso gut den Koreakrieg oder Saddam Husseins Überfall auf Katar nennen können – sie haben ebenso viel mit der aktuellen sicherheitspolitischen Lage Österreichs zu tun wie die Kriege von Hitler oder Putin.

Koller versteigt sich noch ein Stück weiter: „Die weitverbreitete Ansicht, dass uns notfalls die vielgeschmähte Nato (die nur von Koller klein geschrieben wird), der wir nicht beitreten wollen, schon retten werde, ist bestenfalls naiv.“ Koller prüft sich selbst mit einer Frage: „Auch hier die Frage: Warum sollte sie?“

Die Antwort wäre auch für Koller einfach: weil aus geografischen Gründen von Russland oder einem anderen Aggressor am Weg nach Österreich zuerst ein NATO-Staat angegriffen werden müsste. Kreisky hätte Koller wohl nicht nur das Lernen der Geografie, sondern auch das der Außen- und Sicherheitspolitik empfohlen.

Auswege aus Fallen

Die Sicherheitspolitik eines kleinen Staates mitten im europäischen Teil der NATO ist vor allem aktive Außenpolitik. Gerade jetzt fehlt im Nahen Osten ein Staat wie Österreich, der beim Suchen nach einem Ausweg aus der Hamas/Netanjahu-Falle hilft. Aber wer ist in der Lage, das Schallenberg, Tanner und Nehammer zu erklären?

Muss dieser Staat dafür neutral sein? Auch diese Antwort ist einfach: nein. Norwegen war NATO-Mitglied, als es zwischen Arafats PLO und der israelischen Regierung unter Rabin vermittelte. Der Friedensprozess trug mit „Oslo“ den Namen einer NATO-Hauptstadt.

Österreich in der NATO

Österreich ist seit langem Mitglied der NATO-„Partnership für Peace“. PfP-Missionen sind für das Bundesheer längst selbstverständlich. In der Sicherheitspolitik ist es sowohl für Österreich als auch für die NATO unerheblich, ob Österreich weiterhin nominell neutral bleibt.

Der Unterschied liegt in größerer Handlungsfreiheit in allen Bereichen der Außenpolitik, die an Sicherheitspolitik grenzen. Österreich braucht kein grünes Licht aus Washington, wenn es neue politische Kanäle öffnet. Aber ohne grünes Licht aus Brüssel könnte auch Österreich so irrlichtern wie Karl Nehammer bei seinen Putin-Stolpereien.

Reserve der Dilettanten

Ich weiß, dass das viele im Bundesheer anders sehen, aber meist nur aus einem Grund: Sie wollen nicht so weitermachen, als militärische Lachnummer mit Schrottpanzern und Schimmelkasernen. Es ist sinnvoll, ihnen mit Transportflugzeugen und Hubschraubern die Erfüllung einiger Aufgaben zu ermöglichen. Aber die ebenso spät wie reich beschenkten Militärs sollten wie die verantwortlichen Politiker zuerst an die Ärzte und Pflegerinnen denken, denen es noch weit schlechter geht – und die im Gegensatz zum Bundesheer überlebenswichtig sind. Unsere Kasernen sind längst keine kritische Infrastruktur mehr. Unsere Spitäler schon.

Das ist der Grund, warum es unverständlich und unverantwortlich ist, dem Bundesheer Milliarden nachzuschmeißen, damit sie dort beim Fenster hinausgeschmissen werden: für einen Luxus-Kasernenbau in Villach; für die milliardenteure Raketenabwehr „Iris T“; und für den „Leopard“.

Aber sogar SPÖ und Neos applaudieren der militärischen Budgetvernichtung, aus einem einfach Grund: weil auch sie zur Reserve der Dilettanten gehören.

Titelbild: HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com, PETRAS MALUKAS / AFP / picturedesk.com, BARBARA GINDL / APA / picturedesk.com

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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