Andreas Babler hat den zweiten Start geschafft. Politisch hat er sich besser aufgestellt als bei seinem ersten Versuch. Jetzt steht er vor zwei Weichenstellungen: Hassmoscheen zu und Gusenbauer raus.
Diesmal musste nicht nachgezählt werden. Andreas Babler hat mit einem guten Ergebnis gewonnen und steht jetzt vor einer einfachen Aufgabe: Von Wohnen bis Gesundheit bestimmen sozialdemokratische Leibthemen die Politik. Jetzt soll der SPÖ-Chef nur noch die Wahl gewinnen. Dazu werden ihm ein paar Hausaufgaben nicht erspart bleiben.
Aufgabe 1: Wo gewinnen?
Es gibt einen politischen Ort, wo nichts zu gewinnen ist. Dort drängen sich Grüne, Teile der Neos und die KPÖ und kämpfen um die Minderheit gebildeter und weltoffener Stadtbewohner.
Weit weg davon liegt die Welt der Bierzelte und Feuerwehrfeste, der Einfamilienhäuser und Werkssiedlungen. Dort ist die FPÖ zu einer bedrohlichen Masse angewachsen.
Babler zieht es an beide Orte. Es ist kein Geheimnis, dass er sich entscheiden muss. Aber worum geht es bei dieser Entscheidung? Und vor allem: Kann man eine der beiden Gruppen nur gewinnen, wenn man sich gegen die andere stellt?
Die Antwort lautet: Es ist etwas anders. Beide Gruppen funktionieren ganz unterschiedlich, aber eine Regel vereint sie: Wer auf die „gebildeten Linken“ setzt, verliert die „einfachen Leute“. Umgekehrt stimmt genau das Gegenteil: Wer die „einfachen Leute“ gewinnt und sich dabei nicht verbiegt, bekommt die Linken aus Wien-Neubau dazu.
Anwalt Babler
In der Politik suchen die „einfachen Leute“ Anwälte, die ihre Sachen vertreten. Sie müssen zuerst zuhören und es dann von Mieten bis Spitalsbetten in die Hand nehmen. Anwälte haben eine Aufgabe: Sicherheit zu schaffen.
„Sicherheit“ ist längst mehr als ihre soziale Komponente. Andreas Babler wird beweisen müssen, dass er nicht nur mit Benko und Raiffeisen, sondern auch mit Hasspredigern und Erdoğan-Netzwerken fertig wird. Er muss nicht nur Kindergärten auf-, sondern auch Hassmoscheen zusperren.
In einem Punkt hat er am Parteitag Klarheit geschaffen: Dort, wo sich Solidarität mit den Menschen in Palästina mit Kalifat und Scharia zu mischen beginnt, zieht Babler mit der SPÖ klare Grenzen.
Aufgabe 2: Duell mit Kickl
Im Finale geht es in den Ring. Dort stehen zwei. Alle anderen sehen zu. Kickl scheint gesetzt zu sein. Andreas Babler hat seinen Platz im Finale noch nicht sicher.
In Graz sind erste Weichen gestellt worden. Babler hat seinen Startplatz tief im rot-grünen Lager verlassen. „Tempo 100“ steht nicht mehr ganz oben, dafür werden klare Grenzen zu Islamisten sichtbar.
Zwei Umstände werden Babler helfen:
Erstens: Der gelernte Boxer Nehammer weiß noch immer nicht, wie man in die Umkleidekabine kommt und wo der Ring ist. Zweitens: Bablers größte Stärke ist Kickls größte Schwäche: Babler mag Menschen, Kickl nicht einmal Bier.
Der Volkskanzler kann den Umvolkungskanzler schlagen. Dazu muss Andreas Babler so früh wie möglich ins Duell, auch, damit feindlich gesinnte Medien wie „Kurier“ und „Heute“ keinen anderen Kickl-Gegner ins Finale schreiben können.
Aufgabe 3: Gusenbauer
Bablers dritte Hausaufgabe heißt „SPÖ“. Er ist ihr Vorsitzender, aber noch immer nicht ihr Chef. Babler kennt die großen roten Baustellen und weiß, dass er sie sanieren muss. Aber zuerst muss er zeigen, dass der Vorsitzende der neue Chef ist.
Die Bewährungsprobe steht vor der Tür. Sie heißt „Gusenbauer“. Benko reisst mit Gusenbauer den missratenen Träger der Victor Adler-Plakette mit. Von Novomatic bis SIGNA hat Gusenbauer genug Material für mehrere Parteiausschlussverfahren am Stecken. Babler bleiben zwei Möglichkeiten: die Trennung von Gusenbauer oder den Gusenbauer-Mühlstein um den eigenen Hals.
Die Entscheidung sollte ihm leicht fallen. Sie sollte schnell und aus eigener Kraft getroffen werden. Dabei könnte der ehemalige SPÖ-Abgeordnete Dietmar Hoscher als Vorbild dienen. Seine Mitgliedschaft ist seit seiner CASAG-Abfertigungsaffäre „ruhend“ gestellt.
Dann bleibt der Konflikt mit Doskozil. Babler braucht den erfolgreichen Landeshauptmann, der vieles sachpolitisch kann, was Babler noch nicht lernen konnte. Doskozil weiß sicher, dass er nicht nur in Eisenstadt letztlich an einer Frage gemessen wird: ob er eine Mimose oder ein Genosse ist.
Aufgabe 4: „die“ Medien
Je früher die Babler-Unterstützerinnen verstehen, dass es „die“ Medien nicht gibt, desto besser ist das für Babler und die SPÖ. Nur wenige Zeitungen gehen als Lagerlautsprecher in den Vorwahlkampf.
Von “Kleine Zeitung“ bis „Kronen Zeitung“ gibt es viele, die ihren Job ernst nehmen. Nur auf wenige von ihnen kann sich die ÖVP blind verlassen.
Es stimmt, viele schreiben leichter über ÖVP-Erfolge und über Misserfolge der SPÖ. Babler kann sie überzeugen. Aus Graz haben fast alle Zeitungen sachlich und fair berichtet. Nur der „Kurier“ wusste schon kurz vor dem Parteitag, dass die „Mehrheit Babler keinen Sieg zutraut“. Martina Salomon hat die Stimmen in ihrer Redaktion sicherlich korrekt gezählt.
Nachtrag um 9.45 Uhr:
Natürlich ist es für viele, die beruflich über Politik schreiben, nicht so einfach, sich jetzt auf einen Politiker umzustellen, der sich für Politik und erst in zweiter Linie für sich selbst interessiert. Aber diese Umstellung hätte auch einen Vorteil: Politik-Journalistinnen könnten in Zukunft wieder über Politik berichten.