Samstag, April 27, 2024

Pilnacek-Tape: Auslöser Kurz

Neues von der „Tape“-Affäre: Christian Pilnacek hatte einen weiteren, prominenten Gast. Und: Sebastian Kurz war der Auslöser für die Veröffentlichung des Pilnacek-Tapes.

Freitag, 28. Juli 2023, 20.00 Uhr. Christian Pilnacek sitzt an seinem Tisch bei Edel-Italiener Cavaluccio in der Wiener Innenstadt. Ein älterer deutscher Großindustrieller und ein FPÖ-naher Jungunternehmer leisten ihm Gesellschaft. Man kommt schnell zu Pilnaceks Leibthema: die Justiz und was die Politik mit ihr macht.

Um 20.16 Uhr drückt einer der beiden auf die Aufnahmetaste seines Handys. Ab da wird bis zur Sperrstunde um 23.00 Uhr alles, was am Tisch gesprochen wird, mitgeschnitten. Im Hintergrund der Aufnahme hört man, dass das Lokal gut besucht ist: Unterhaltungen, Lachen, Gläser und vor allem eines: die bekannte Stimme des mächtigen Sektionschefs.

Pilnacek weiß nicht, dass er aufgenommen wird. Er lässt sich aus, über die ÖVP, die von ihm die Niederschlagung von Ermittlungen und die Verhinderung von Hausdurchsuchungen forderte; über Ex-Justizministerin Beatrix Karl, die in der ÖVP in Ungnade fiel, weil sie Pilnacek nicht voll auf Linie brachte; über Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter, der offensichtlich bereit war, viel für die ÖVP zu tun; und vor allem über Wolfgang Sobotka, der Pilnacek als „Versager“ beschimpfte, weil er Ermittlungen gegen die ÖVP nicht abdrehen wollte.

Der vierte Gast

Das Tonband läuft, als sich ein weiterer Gast an den Tisch setzt. „Kurier“-Herausgeber und „profil“-Geschäftsführer Richard Grasl weiß nicht, dass jetzt auch er aufgenommen wird. Erst wenige Wochen vor der Veröffentlichung wird ihm der deutsche Unternehmer erzählen, dass es eine Aufnahme von dem gemeinsamen Abend gibt.

ZackZack hat Richard Grasl neun Fragen geschickt. Grasl bestätigt seine Anwesenheit: Ich habe Christian Pilnacek, den ich übrigens sehr geschätzt habe, immer wieder auch in besagtem Lokal getroffen, oft und wie an diesem Abend auch durch Zufall. Ja ich war auch an diesem Tag in diesem Lokal, allerdings mit einem eigenen Freundeskreis. Wir gesellten uns später zu besagtem Tisch.“ Dann kommt Grasl zur zentralen Frage: „Ich habe aber keine Wahrnehmung zum Inhalt des veröffentlichten Tonbandes, diese Aussagen müssen daher vor meinem Besuch erfolgt sein.“ 

Grasl bestätigt, dass er später über die Aufnahme informiert wurde: „Als erste Gerüchte die Runde machten, dass es eine Tonbandaufnahme geben soll habe ich einen Teilnehmer darauf angesprochen. Er verneinte dass ich zu diesem Zeitpunkt dabei gewesen war. Somit erübrigen sich weitere Fragen.“

Grasl erklärt nicht, was er mit „diesem Zeitpunkt“ meint. Offensichtlich weiß der „Kurier“- und „profil“-Chef seit Wochen, dass Pilnacek Belastendes über die ÖVP preisgegeben hat. Seine Erklärung, erst nach dem Pilnacek-„Geständnis“ an den Tisch gekommen zu sein, kann anhand der gesamten, mehr als dreistündigen Aufnahme leicht überprüft werden.

Eine entscheidende Frage lässt Grasl unbeantwortet: Wen in der ÖVP haben Sie darüber informiert?“

Auslöser „Kurz“

Monatelang bleibt die Aufnahme liegen. Dann begeht Sebastian Kurz den entscheidenden Fehler. Bei seinem ersten Auftritt im großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts macht sich der ex-Kanzler mit einem Telefonat wichtig: „Ich habe gestern Abend noch mit Pilnacek telefoniert“. Kurz und die ÖVP versuchen, den gerade verstorbenen Pilnacek als Waffe gegen die WKStA einzusetzen. Sie alle sehen sich als Opfer, und die „Täter“ stehen von SPÖ bis WKStA auf der anderen Seite.

Genau da platzt dem Industriellen die Geduld. „Kronen Zeitung“-Redakteur Erich Vogl bekommt den entscheidenden Ausschnitt der Tonaufnahme. Das Pilnacek-Tape ist am Weg.

Die ÖVP scheint inzwischen gewarnt worden zu sein. Dienstag Nachmittag versucht das ÖVPutin-Portal „exxpress“, die Geschichte „abzustechen“ – aber es ist zu spät.

Jetzt müssen Strafjustiz und Nationalrat entscheiden, wie es mit dem schwer belasteten Präsidenten und seiner Partei weitergeht.

Link zur Aufnahme: https://zackzack.at/2023/11/21/pilnacek-tape-jetzt-online-sobotka-dreht-ab

Titelbild: HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com, GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com, HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com Il Cavalluccio (Website), Montage ZackZack

Peter Pilz
Peter Pilz
Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.
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31 Kommentare

  1. Und wieder einmal, schließt sich der Kreis vom BZÖ „Tonmeister“ im Ristorante auch über Novomatic bis zu Sobotka, denn der Ex BZÖ Mann war Sprecher der Schutzvereinigung der Österreichischen Automatenwirtschaft. Ein Unternehmen zahlt Alle, wie wir wissen.
    Sobotka hatte als Vorsitzender des „Alois Mock Instituts“ ebenso Kontakte zu Novomatic.
    Nachsatz: Leider schließt sich dieser Kreis über Glawischnig auch zu den Grünen.

    • Auch hier könnte sich ein Kreis schliessen:
      Die Folge: Eine Anhaltung durch die Polizei und Führerscheinentzug. Das Auto wurde schließlich von der Polizei sicher abgestellt und Christian Pilnacek von einer Vertrauensperson abgeholt.
      Diese Vertrauensperson könnte noch wichtig werden….vermutlich

  2. Gerade noch kurz vorm Runden Tisch bin ich dazugekommen zu lesen. Danke vielmals für die Recherchen und die Veröffentlichung. Das wird immer ungeheuerlicher. Ein Chefredakteur und andernorts Herausgeber weiß von einem skandalösen Tonband und versucht nicht seinen Medien, für die er verantwortlich ist, die Geschichte zukommen zu lassen. Eigentlich ist das geschäftsschädigend. Die Eigentümer müssten die Konsequenzen ziehen. Da sie das nicht tun werden, kann man den Kreis der Malversationen erweitern.

    Die Eigentümer von Zeitung und Zeitschrift, vor allem bei profil, das auf politische Investigation spezialisiert sein soll, laut Blattlinie, scheinen an einer Auflagenstärkung ihres Mediums kaum interessiert, da die Story viel später und von anderen publik wurde. Ziehen sie keine Konsequenzen, offenbaren sie ihre Medien als Parteiorgane der ÖVP. ÖVPutin für exxxxxxxxxpress find ich übrigens super, weil treffend.

    Schauen wir mal, was am Runden Tisch geplaudert wird. Der ORF scheint laut Ankündigung am liebsten über die Pietätlosigkeit am liebsten zu sprechen. Auch das ein unfassbares Aviso.

      • Nein, war substanzlos die Runde. Dafür plädierte die Krone-Dame indirekt für einen UA gegen Benko, indem sie einen solchen ins Spiel brachte. Auch interessant. SPÖ und NEOS werden sich wohl mit FPÖ damit die Zustimmung der Krone erobern wollen. Also das Aviso von Krone-Seite ist m.E. schon der nächste Korruptionsfall, der dann in einiger Zeit untersucht werden muss.

        Und somit wurde das Offenbare offenbart: Die Deals zwischen Politik und bestimmten Medien offenbart. Dass man das nochimmer nicht als Korruption verstanden hat, wurde offenbart. Ofennbar war es schon zuvor.

        Es geht. 🙂 Es ist Österreich.

      • @DD
        Sobotka hat sich heute in seiner Funktion als Parlamentspräsident ganz offiziell als unverbrüchliches Mitglied der Familie präsentiert.
        Entgegen ihrer mehr als berechtigten Erwartung hat auch Sobotka, wie Nehammer, keine moralische Konsequenz!
        Immerhin, einer seiner ehemaligen Gesprächspartner, Jan Marsalek, der mit Österreichischen Politikern mehr als nur ein freundschaftliches Verhältnis pflegte, gehört mittlerweile zu den international meistgesuchten Betrügern.

        • Ich hatte tatsächlich nicht so sehr auf Moralerwägungen Sobotkas gesetzt, als eher auf einen Funken Überlebenswillen seitens der ÖVP bzw. deren Obmanns. Es war eine Gelegenheit ihn loszuwerden bevor Marsalek oder andere Leichen im Keller des NR Präsidenten virulent werden. Und das werden sie.

    • Danke für ihre Bewußtseinsstärkung für diesen weiteren Skandal, welcher die gekaufte Untätigkeit dieser “Mafiamedien” aufdeckt.
      Auch hier ist ein Rücktritt nun zumindest aus meiner Sicht bereits überfällig…

      • Vermutlich sind wir schon alle so manipuliert, dass wir diese ganzen “Vorführungen” nicht mehr wirklich kritisch sehen können.
        Ein Lokal wo der Herr Sektionschef zu Hause ist und eigentlich alles öffentlich sagt und öffentlich Stellung bezieht, was es in diesem Lande gibt.
        Und dort gehen auch noch die Pressechefs ein und aus und dann gibt es eine solche Runde im ORF und diese Thematik wird nicht einmal angesprochen…
        Aber ich glaube diese Thematik in solchen Lokalen mit dem Herrn Sektionschef gab es auch schon früher und wurden nun bisher auch vergessen?

  3. Was für eine Überraschung, ein (hoher) Beamter lässt sich darüber aus, dass die ÖVP versucht ihn für ihre Zwecke einzuspannen. Ist doch ohnehin gängige Praxis in Österreich. Eine gerne gepflegte Tradition sozusagen. Ist halt jetzt nur dank neuer Technik besser dokumentiert und allgemein zugänglich das ganze Treiben. Und was bitte ist an einer Sache von öffentlichem Interesse pietätlos? Pilnacek wird ja nicht beschuldigt sondern Sobotka und der ist ja immer noch quicklebendig. Und wen interessiert ob Nehammer hinter Soberl steht? Ist doch völlig unerheblich für das öffentliche Interesse hinter wem der steht, schließlich entscheidet Nehammer nicht über Recht oder Unrecht. Kein Wunder das eine Partei wie die ÖVP einen Juristen als Generalsekretär beschäftigt, bei der kriminellen Energie.

    • Und wenn sich Meinl Reisinger und Andere wieder einmal überrascht und empört zeigen kommt mir persönlich das …

  4. Pilnacek wurde lange vor Kurz von der ÖVP gegroomt und konnte mit deren Hilfe sein Netzwerk aufbauen, das ihm ermöglichte, Verfahren auf Zuruf zu daschlogn. Er begann seine Karriere Anfang der Achtziger, gleichzeitig mit Spindelegger oder Brandstetter. Spindelegger, der politische Ziehvater von Kurz, hat vermutlich schon seine Dienste in Anspruch genommen, wie auch vermutlich zahlreiche andere gestrauchelte ÖVP-/nahe Personen, die ihm im Gegenzug zum obersten Beamten katapultierten. Kurz übernahm ein bereits eingespieltes System, das er für seine Zwecke benutzte.

    Der Mitschnitt zeigt Pilnaceks Entfremdung von der ÖVP, die ihn nach seiner Suspendierung fallen ließ. Umso interessanter ist der Anruf von Kurz, der von Pilnacek auf das Verfahren vorbereitet werden will? Hat Kurz oder Pilnacek vom Mitschnitt bereits Kenntnis gehabt? War dieser Mitschnitt auch Gegenstand des Gesprächs? Hängt der Selbstmord mit dem Inhalt des Telefonats in Verbindung?

    Mir kommt das hinterfotzige Gespräch zwischen Kurz und Thomas Schmid in den Sinn. Wozu ruft Sebastian Kurz Pilnacek an? Er hat doch von der ÖVP bezahlte Anwälte, die ihn zu diesem Termin vorbereiten müssten. Der entmachtete Pilnacek ist zu exponiert und hat keinen Zugriff auf sein Netzwerk. Warum also hat Kurz ihn angerufen?

    Das sind Fragen, die sich mir stellen und natürlich gilt die Unschuldsvermutung für alle Beteiligten.

  5. Die Grünen glauben wohl es ist mit einer Untersuchungskommission getan. Wenn sie die ÖVP nicht überzeugen können, dass Sobotka reif für einen Abgang ist….dann müssen sie die Koalition aufkündigen. So etwas kann man nicht mittragen. Egal wie man es dreht und wendet.

  6. Die Frau Zadic will nun eine Untersuchugnskommission ins Leben rufen mit der Frau Griess an der Spitze und die Diskussion über den Generalstaatsanwalt als weiteres Ablenkungsmanöver für mich, vom längst überfälligen Wiederinstallieren des unabhängigen U- Richters und weiter überfälliger Reformen damit auch weiterhin ablenken.
    (Was waren eigentlich die Erfolge von Frau Grieß beim Hypo U- Ausschuss? Was hat nun dieser neue Korruptionsverein bisher eigentlich gebracht, wo Frau Griess ebenfalls an der Spitze mit dabei ist?)

    Bevor so eine Untersuchungskommission aber installiert und die Personen dazu erannten werden, möchte ich endlich wissen, was nun wirklich damals beim Tod von Herrn Pilnacek passiert ist?
    Für mich riechts das deshalb alles weiter nach einer perfiden Vertuschung der Vertuschungen seit der berühmten Jahrhundertjustizreform, welche aus meiner Sicht der allergröße “Wasserschaden” war!

    • Kurz-Abschiedsbrief?
      Besonders nach Nehammer’s Aussage, in der dieser den Tod Plinaceks als betont, besonders tragisch darstellt, frägt man sich ob vielleicht ein Kurz-Abschiedsbrief vorliegt, der, wenn offengelegt, Klarheit und politische Karthasis bringen könnte!

      • Von einem solchen Brief habe ich zumindest noch nichts gehört, aber wäre natürlich denkbar und vermutlich dann der noch größere Skandal…
        Für mich ist es aber bereits ein schwerere weiterer Skandal, dass wir noch immer nicht wissen, wie Pilnacek zu Tode kam, hier aber nun ohne diesem Wissen uns unsere Meinung bilden müssen auch zun den auf der Hand liegenden Anschuldigungen gegen Herrn Sobotka

        Ich kann mir aber noch immer nicht vorstellen, dass sich Herr Pilnacek wegen dem was wir wissen, das Leben genommen haben soll? (Dass er das überhaupt getan hat, habe ich heute bei OE 24 von Herrn Cap erfahren dürfen, wo ich aber auch gerne wüßte, warum dieser das weiß und wir noch immer nicht? – Aber auch, warum man Mord definitiv ausschließen kann)

        • Kurz war tatsächlich als Einer der Ersten informiert.
          Von wem?
          Man kann mangels Information nur spekulieren. Womöglich haben Karners Beamte im Stile der „Rosenheim Cops“ einfach die zuletzt gewählte Nummer rückgerufen?

          • Ja hoffentlich kann man dieses Telefonat noch rekonsturieren… – auch stellt sich für mich zumindest noch die nächste Frage wer hier wem angerufen hatte?

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