Freitag, April 26, 2024

Wer sind die Linken in Österreich? – Teil 2

Auf dem Jahrmarkt des Rechtspopulismus ist der Begriff »links« ein Bestseller. Davon darf sich linke Politik nicht aus der Ruhe bringen lassen. Denn es ist der Sozialismus, der unsere Gesellschaft stabilisieren und aus seinen Dauerkrisen führen kann.

Mit der ÖVP-Taktik, die öffentlichen Medien streng zu kontrollieren, setzte sie nicht nur Ende der Sechzigerjahre auf die falsche Karte. Alfons Dalma arbeitete als Chefredakteur mit der alten Taktik des kalten Krieges, politische Gegner zu Kommunisten zu erklären. Wie unsinnig das war, wurde 1968 evident. Die SPÖ unterstützte die Außenpolitik der ÖVP nach der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings (der damalige Gesandte der ÖVP-Regierung in Prag, Rudolf Kirchschläger wurde bald Kreiskys erster Außenminister). Auch die Vertreter der Studentenbewegungen wandten sich explizit gegen die totalitäre Politik der UdSSR. Und sogar in der KPÖ gab es massenhaft Austritte, auch prominente, wie den von Ernst Fischer, der bis 1959 für die KPÖ im Nationalrat gesessen war. (Das wäre eine Chance gewesen, die KPÖ neu aufzustellen – modern und mit klarem demokratischen Bekenntnis. Dazu konnte man sich leider bis heute nicht durchringen.)

Die Schieflage der Berichterstattung, zusammen mit einem internationalen Trend zur Demokratisierung und der Tatsache, dass die ÖVP Ende der Sechzigerjahre die Hochkonjunktur nicht nutzen konnte, um das damals arme Österreich wirtschaftlich zu stärken, führten zu Bruno Kreiskys erstem Wahlsieg 1970. Erst nach diesem Wahlsieg gelang es ihm mit großer Ruhe und mit Verzicht auf die Methoden, den Egoismus und die Angriffslustigkeit, mit der Olah und Pittermann die SPÖ in eine veritable Krise gebracht hatten, die Partei zu befrieden.

Linke und Schein-Linke

Es folgten drei absolute Mehrheiten 1971, 1975 und (mit dem größten Wahlerfolg) 1979. In der freien demokratischen Welt ist das wahrscheinlich ein Rekord. Die Frage ist aber berechtigt, wie »links« Kreiskys Politik war. Eine detaillierte Analyse würde wohl Bücher füllen und die Experten würden einander nie ganz einig werden. Eine sehr grobe Beantwortung möchte ich aber hier dennoch treffen, weil mir diese Frage für die heutige Situation als bedeutend erscheint. Wenn ich Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik Kreiskys auseinanderhalte, bewerte ich seine Sozialpolitik als links, seine Wirtschaftspolitik nicht.

Kreiskys Sozialpolitik zählt unfraglich zur größten Reformphase der Zweiten Republik, ihre Errungenschaften aufzuzählen ist hier gar nicht möglich. Diese Reformen gründeten auch auf das Bekenntnis zum Internationalismus, der ein Grundpfeiler des Sozialismus ist. Daran können wir Linke und Schein-Linke gut unterscheiden. Es gibt keine linken Antisemiten (wie ich heute leider überall lese). Es kann gar keine linken Antisemiten geben, weil der Internationalismus, der dem Sozialismus intrinsisch ist, jede Ungleichbehandlung aufgrund von Herkunft oder Staatsangehörigkeit ausschließt.

Jede und jeder kann sich »links« nennen

Es kann sich nur jede und jeder »links« nennen und damit der bürgerlichen und rechten Presse eine Freude machen. Heute muss ja auf einer Demonstration von 10.000 Menschen nur eine Person mit Räucherstäbchen, Pendel oder Klangschale auftauchen, schon steht in den Schlagzeilen, es hätten »Linke« demonstriert. Man kann auch den Sozialismus missbrauchen, wie es etwa der Nationalsozialismus tat. Schon das Wort Nationalsozialismus ist Widerspruch in sich. Aber auch die UdSSR, die sich sozialistisch nannte, hat damit den Gegnern demokratischer sozialistischer und sozialdemokratischer Parteien Grund für billige und falsche Anti-Propaganda geliefert. Kreisky hat sich auch dazu klar positioniert: »Ich habe immer dagegen reagiert, dass Radikalismus in der Sozialdemokratie als gemäßigte oder opportunistische Form kommunistischer Überzeugung praktiziert wurde. Man konnte als Sozialdemokrat nicht für die Rätediktatur sein, sowenig wie man Lenin für den größten Führer der Arbeiterklasse halten konnte

Komme ich zur Wirtschaftspolitik Kreiskys, so sehe ich linke Politik nur mehr stark verwässert. Von Anfang an war die Autonomie der Wirtschaft Programm (schon im Wahlkampf 1970) und auch wenn es in den 70ern noch Regulative wie die paritätische Kommission gab, so lag doch der Schwerpunkt auf Liberalisierung und Wachstum.

Das linke Vakuum

Das rächte sich zunächst nicht, denn es ging Kreisky – und hier steht er deutlich in der Tradition Viktor Adlers – um die Ermöglichung des bescheidenen Wohlstands für alle (wie er das nach der Wahl 1979 auch explizit gesagt hat). Unangetastet blieb dabei die Hinterfragung des bürgerlichen Weltbilds. Sowohl Adler als auch Kreisky haben nicht an bürgerlichen Grundsätzen oder eher Grundzielen gerührt und daraus ergab sich wohl auch die Breite, die Kreiskys SPÖ erreichen konnte. Durch die progressive Politik der 70er bis 90er-Jahre wurde allen der Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung, aber auch zum eigenen Auto, Wochenendhaus, Flugreisen, kurzum zu einer kleinbürgerlichen Existenz ermöglicht.

Jene Linken, die die Gesellschaft auch immateriell, in ihrem Blick auf Geschichte, Politik und gesellschaftliche Verantwortung, befreien wollten, waren mit 1934 restlos aus Österreich verschwunden. Sie fehlten auch nach 1945. Noch größer war das Vakuum, in das die Sozialdemokratie Mitte der 90er-Jahre gefallen ist, nachdem sie ihre Mission erfüllt, ja vielleicht sogar übererfüllt hatte. So kam es, dass die Sozialdemokratie in der Medienpolitik versagte, in der Europapolitik zwar das Ziel des EU-Beitritts geschafft hatte, in der sozialen und demokratischen Reform der Union aber nichts weiterbrachte, und Bildungspolitik, Justizreform und Wissenschaft der ÖVP überließ – und damit verkommen ließ.

Gleichheitsgedanke und Internationalismus

So wurde die Sozialdemokratie von maßgeblichen Teilen ihrer eigenen Wählerschaft und deren Nachfahren, die es nicht kümmert, wie lange und mühsam die Errungenschaften linker Politik für die Arbeitenden erkämpft werden mussten, im Stich gelassen. Das heißt aber nicht, dass linke Politik heute nicht gebraucht wird. Ganz im Gegenteil.

Der Sozialismus ist notwendiger denn je – ein menschlicher, ein demokratischer Sozialismus wohlgemerkt. Seine ideologischen Grundsätze müssen nicht reformiert werden, denn er trägt mit dem Gleichheitsgedanken auch alle notwendigen Voraussetzungen einer progressiven Ökologiepolitik in sich, die darangehen muss, Ressourcen räumlich (also für alle Menschen) und zeitlich (also für kommende Generationen) gerecht zu verteilen. Und er trägt mit dem Internationalismus auch jenen Grundsatz in sich, der Basis für die Schaffung von Frieden und gerechter Umverteilung ist. Nur damit – und nicht mit Waffenlieferungen, Zäunen an den Grenzen und Gratiskondomen – können die Probleme von Migration und Bevölkerungsexplosion wirklich bekämpft werden.

Linken-Bashing als Grundrauschen der Medien

Das ständige Bashing von »Linken« und »Linkslinken« ist nichts anderes als das Grundrauschen rechter und (rechts)populistischer Medien – in Österreich gibt es ja kaum mehr andere. Sie arbeiten damit durch vorauseilende Anbiederung an der Erhöhung ihrer staatlichen Förderungen und wollen in den Politikredaktionen offensichtlich nichts Lesenswertes produzieren.

Sozialismus aber wird dringend gebraucht, egal wie er heißt und wie sich seine Bewegungen nennen. Sein wichtigstes Machtmittel und auch das Argument für ihn bei Andersdenkenden ist und wird seine ökonomische Unentbehrlichkeit sein. Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass es Prosperität gab, wenn die Wirtschaft staatlicher Regulation unterlag. Dort, wo der Kapitalismus ungezügelt regiert, folgt eine Krise der anderen. Und dass große Krisen geschickt zu bewältigen sind, wenn man zur Regulierung zurückgreift, hat Franklin D. Roosevelt bewiesen – und der war nicht Sozialist.

Titelbild: Miriam Moné

Daniel Wisser
Daniel Wisser
Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.
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9 Kommentare

  1. Gute Anlayse finde ich, auch wenn ich nicht zu 100 Prozent alles so teile und sehe, aber sehr Vieles.

    Meiner Meinung aber ist dem Kreisky damals das Wachstumspotential ausgegangen, wie auch der gesamten Welt im Ost/West Krieg.
    Dieser wollte dann mit dem Keyn nachhelfen, aber leider sind ihm sowohl das Atomkraftwerk, als auch das AKH in Wien in die Hose gegangen und hatte er dann noch weder die poltische Kraft, wie auch entsprechend weitere erfolgreiche Projekte noch im Dalon, auch weil die Forschung und Enwicklung damals am Boden lag und lange noch hinterherhinkte und wir weit von den 3 Prozent des BIB über Jahrzehnte hinweg hinterherhinkten und die meisten Forscher vermutlich auch deshalb in Amerkika tätig waren…

    Aber sein fast gleichzeitiger Tod mit Willy Brand und Olof Palma, welcher dann die heutige Zeit (und gerade die SPÖ über den Banker Franizky) einleitete, waren für mich die Anfänge von zahlreichen weiteren “poltischen Zufällen” und nicht mehr enden wollend bis herein in die Gegnwart…

  2. Kreisky hat sich nicht bemüht eine breites Spektrum an Positionen in der SPÖ zuzulassen. Im Gegenteil er hat nur konforme Linien unterstützt, bzw. andere eliminiert. Das rächt sich ebenso. Es gab de facto keinen politischen Nachwuchs. Ein weiterer Fehler.

  3. Wie wahr, speziell das Überlassen von Bildung, Justiz, Wirtschaft, aber auch Aussenpolitik, war ein Riesenfehler.
    Weiters die taktisch völlig dumme Ankündigung Vranitzkys und anderen, vor den Wahlen herauszuposaunen, dass man mit den Ffen nicht koalieren werde. Dafür wäre Gelegenheit nach der Wahl gewesen.
    Damit begab man sich rettungslos verloren in Koalitionsverhandlungen mit den Schwarzen, die sich zuerst den Finanzminister krallten, und sich die Hände rieben.
    Man ließ sich nach jeder Wahl von den Schwarzen komplett über den Tisch ziehen.
    Wie dummnund ungeschickt!

    • Das von der SPÖ begründete Undemokratische Ausgrenzungsdogma hat Österreich‘s Politik in die Sackgasse geführt, in der sie seither gefangen ist. Die Radikalisierung und Spaltung der Gesellschaft ist darin begründet und nicht erst durch Corona. Es gibt Einen Profiteur, das ist ebenso unwiderlegbar, trotzdem wollen von Babler bis VdB immer noch viele, mit mittlerweile blutigem Kopf durch die Wand!

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