Niemand kann behaupten, dass René Benko ein gewöhnlicher Verbrecher sei. Sein Aufbau des SIGNA-Kartenhauses ist ebenso außergewöhnlich wie dessen Zusammenbruch. Im CASAG-Verfahren ermittelt die WKStA bereits gegen Benko und gewogene Beamte im Zusammenhang mit Amtsmissbrauch. Weitere Verfahren wegen betrügerischer Krida, Untreue, Förderungsbetrug und Abgabenhinterziehung drohen.
Die SIGNA-Insolvenz hat Folgen. In Deutschland und Österreich prüfen Anwälte Strafanzeigen gegen René Benko und seine engsten Vertrauten. Am Montag, den 4. Dezember 2023, hatte die WKStA, wie eine Behördensprecherin auf ZackZack-Anfrage mitteilte, noch keine neuen Ermittlungen gegen Benko aufgenommen. Es seien noch keine sachverhaltsrelevanten Anzeigen eingetroffen.
Nach dem Zusammenbruch seines Kartenhauses ist eines klar: René Benko kann ein fünffacher Fall für die Strafjustiz werden.
Benko 1: Verdacht auf Betrug und Untreue
Benkos Geschäftsmodell scheint einfach:
- Immobilien kaufen
- deren Wert mit Gutachten auf ein Mehrfaches aufblasen
- mit diesen Werten als Sicherheit Kredite aufnehmen und neue Immobilien kaufen
- deren Wert mit Gutachten…
- so aus Verlusten oder Minigewinnen Hunderte Millionen Euro „Gewinne“ machen
- einen Teil der Gewinne an „Investoren“ und sich selbst auszahlen
- zur Gestaltung der Bilanzen Millionen zwischen Hunderten Firmen hin- und herschieben
- und dazu die Erstellung einer konsolidierten Konzernbilanz der SIGNA Holding, die den wahren Zustand des Konzerns ans Licht gebracht hätte, auf die lange Bank schieben.
So könnten Anleger und Banken getäuscht worden seien. Das Delikt, das eine bewusste Täuschung mit Schädigungsabsicht und Schaden beschreibt, heißt „Betrug“. Allein in Österreich sitzen Raiffeisen und Unicredit auf SIGNA-Krediten von 2,2 Milliarden Euro.
Für Benko und mögliche Mittäter kommt angesichts der Summen nach Ansicht von Wirtschaftsanwälten wohl der „schwere und gewerbsmäßige Betrug“ nach § 147 Abs 3 und § 148 des Strafgesetzbuches infrage.
Zuerst müsste ein Gericht allerdings feststellen, dass René Benko „faktischer Geschäftsführer“ war. Erst dann ginge es um seinen Kopf. Von seiner bestimmenden Funktion im „SIGNA-Beirat“ bis zur kürzlichen Aufforderung durch gewichtige Investoren, Benko solle sich aus dem operativen Geschäft zurückziehen, häufen sich die Hinweise, dass seine Dutzend-Geschäftsführer nur Benkos faktische Geschäftsführung verschleiert haben.
Benko & Co. würden wegen Betrugs und Untreue bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe drohen – und mit ihm möglichen Mittätern. „Auch der Aufsichtsrat der Signa-Gesellschaften hat die Schwierigkeiten zu lange ignoriert“, hält das „Handelsblatt“ zu Gusenbauer & Co. fest.
Für René Benko und mögliche Mittäter gilt die Unschuldsvermutung.
Benko 2: Verdacht auf Insolvenzverschleppung und betrügerische Krida
„Der Spiegel“ fasst zusammen: „Erste Geldgeber überlegen Strafanzeigen gegen Benko. Es sei »nicht verständlich, was passiert ist«, sagt ein Investor. Im Sommer habe sich bei Signa offensichtlich bereits offenbart, wie heikel die Situation war.“ Sein Immobilien-Reich sei „auf Pump“ finanziert worden. „In der Holding waren laut den Daten Ende 2022 zwei Milliarden Euro Schulden aufgelaufen, wovon stattliche 1,3 Milliarden Euro bis Ende dieses Jahres fällig wären. Demnach sei die desolate Lage der Signa erkennbar gewesen, argumentieren mehrere Geldgeber, und sie habe sich zumal noch verschlimmert seither. Man sehe »Zeichen für eine Insolvenzverschleppung«.“
Die Wirtschaftskammer verweist auf klare Regeln: „Die Insolvenz muss ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber binnen 60 Tagen nach Eintritt der Voraussetzungen beantragt werden.“
Vieles deutet darauf hin, dass diese Voraussetzungen im SIGNA-Konzern lange vor Ende September gegeben waren. Kommt es zu Verfahren, muss festgestellt werden, wer als Geschäftsführer die Verantwortung trägt und vor Gericht gestellt werden kann.
Das „Unternehmensservice-Portal“ der Republik Österreich warnt: „Die Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen ist unter gewissen Voraussetzungen auch strafbar. Der Strafrahmen reicht bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe.“ Das Delikt, das hier droht, heißt nach § 156 StGB „betrügerische Krida“.
Für René Benko und mögliche Mittäter gilt die Unschuldsvermutung.
Benko 3: Verdacht auf Förderungsbetrug
„Investoren“ wie René Benko wissen, wo man sich Geld beschaffen kann. Sie kennen die Förderungstöpfe der Republik. Im Nationalrat wird der kommende Untersuchungsausschuss Benkos COFAG-Förderungen untersuchen.
Wenn sich wie beim Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer der Verdacht verdichtet, dass Fördergeber wie die COFAG getäuscht wurden und damit Förderungen erschwindelt worden sind, hätten SIGNA und Benko Verfahren nach § 153 b StGB zu befürchten: wegen möglichen Förderungsbetrugs. Ein möglicher Schaden würde wohl 300.000 Euro übersteigen. Damit würden nach Ziffer 4 auch hier eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren drohen.
Für René Benko und mögliche Mittäter gilt die Unschuldsvermutung.
Benko 4: Verdacht auf Abgabenhinterziehung
Der Verdacht lautet: René Benko habe seine Beziehungen zu hohen Beamten des Finanzministeriums missbraucht, um Steuern und Abgaben zu „sparen“. Vom Finanzamt Innsbruck bis an die Spitze des Finanzministeriums führen die Spuren zu Paragrafen des Finanzstrafrechts.
In Fällen, die Benko betreffen können, werden aufgrund der Höhe der Beträge wohl Gerichte statt Finanzstrafbehörden für mögliche Verfahren zuständig sein.
Nach § 38 des Finanzstrafgesetzes drohen auf „Abgabenbetrug“ bis zu zehn Jahre Haft.
Für René Benko und mögliche Mittäter gilt die Unschuldsvermutung.
Benko 5: Verdacht auf Bestimmungstäterschaft zum Amtsmissbrauch
Von „Benko 1“ bis „Benko 4“ wartet die WKStA auf Anzeigen. Im fünften Fall ist die Staatsanwaltschaft schon weiter. Die WKStA hat im großen „Ibiza“-Verfahren Beweise für einen einfachen Vorwurf gesammelt: Benko soll Thomas Schmid als Finanzministeriums-Generalsekretär eine hochdotierten Job bei SIGNA angeboten haben – damit Schmid mit „Anweisungen, Interventionen und Organisation von Treffen mit René Benko und den zuständigen Beamt*innen dafür Sorge trägt, dass die steuerliche Außenprüfung zu den Sachverhaltskomplexen „Tuchlauben“ und „Privatjet“ im Sinne des SIGNA-Konzerns entschieden wird und es zu keiner oder einer möglichst geringen Abgabenfestsetzung kommt“.
Am 11. Oktober 2022 wollte es die WKStA genauer wissen und ordnete die Hausdurchsuchung in Benkos SIGNA-Zentrale an.
Durch die „Schmid-Chats“ und dessen spätere Geständnisse wurden folgenreiche Treffen zwischen Benko und Spitzenbeamten des Finanzministeriums dokumentiert. Dabei sollte laut Ansicht der WKStA dafür gesorgt werden, dass die Steuerprüfung bei Benkos Wiener Prunk-Immobilie „Tuchlauben“ und bei seinem Privatjet „im Sinne des SIGNA-Konzerns entschieden wird und es zu keiner oder einer möglichst geringen Abgabenfestsetzung kommt“.
Mit einem Wort: Benko soll Schmid zur Manipulation eines Steuerverfahrens und damit zum Amtsmissbrauch angestiftet haben.
Im Strafgesetzbuch steht das Delikt im § 302. Da der mögliche Schaden mit Sicherheit 10.000 Euro übersteigt, beträgt der Strafrahmen zehn Jahre.
Für René Benko und mögliche Mittäter gilt die Unschuldsvermutung.
Zehn Jahre
Benko wird allerdings nicht für mehr als zehn Jahre hinter Gitter müssen, weil das österreichische Strafrecht „Kumulierungen“ verbietet und damit sicherstellt, dass die höchste Einzelstrafe gleichzeitig der Strafrahmen für alle Delikte ist. Wenn aber zu viele Delikte und zu viele Beweise zusammenkommen, gilt es als unwahrscheinlich, dass eine mögliche Strafe deutlich unter „zehn Jahre unbedingt“ bleibt.
Zwei Gefahren
Wenn René Benko ein Shoppingbedürfnis überkommt, kann es sein, dass er mit seinem Privatjet abhebt und das Land verlässt. Wenn es nicht um den spontanen Kauf von Luxushandtaschen, sondern um die eigene Freiheit geht, wäre es nicht verwunderlich, wenn sich Benko mitsamt Benko-Jet in Luft auflöst.
René Benko hat Wohnsitze und Vermögen jenseits der österreichischen Landesgrenzen. Niemand außer ihm selbst weiß, ob er sich drohenden Verfahren durch Flucht entziehen will. Aber je mehr gegen Benko vorliegt, desto mehr muss sich die Strafjustiz die Frage stellen, wie sie verhindert, dass Benko nicht einfach verschwindet.
Für derartige Fälle sieht § 173 der Strafprozessordnung vor, dass bei Fluchtgefahr die Untersuchungshaft verhängt werden kann.
Nach demselben Paragrafen muss sie sich eine weitere Frage stellen: Ist zu befürchten, dass Benko versucht, „Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren“? Auch mit der Verdunkelungsgefahr besteht ein möglicher Haftgrund gegen Benko.
Das SIGNA-„Sanierungsverfahren in Eigenverantwortung“ hat jetzt nur kurz Zeit, den Konkurs abzuwenden. Tritt er ein, wird es noch enger für den Selfmade-Kartenhausmann.
Für René Benko gilt die Unschuldsvermutung.
Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com, GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com, Montage ZackZack