Samstag, Juli 27, 2024

Sobotka verhaftet Sobotka

Wolfgang Sobotka hat die Nationalratssitzung, in der über seine Auslieferung entschieden wurde, selbst geleitet. Dem U-Ausschuss, der seine Machenschaften untersucht, sitzt er persönlich vor. Demnächst wird Sobotka wohl Sobotka einen Haftbefehl gegen Sobotka ausstellen. Dann drohen Sobotka schwarze Socken.

Wer Wolfgang Sobotka kennt, weiß, wie realistisch das Folgende ist:

Kurz nachdem er von sich selbst ausgeliefert worden ist, wird Sobotka von Sobotka verhaftet und im Wagen des Nationalratspräsidenten nach Waidhofen an der Ybbs geführt. Dort erfährt er von Sobotka, dass schwarze Socken die geeigneten Sobotka-Fußfesseln sind und der Sockenvorrat in St. Pölten locker reicht. Vorher hat Sobotka den U-Haft-Grund „Verdunkelungsgefahr“ geprüft und festgestellt, dass es rund um Sobotka nicht dunkler werden kann.

Später wird Sobotka dann Sobotka vorgeführt, so wie sich ganz Österreich von der ÖVP vorführen lässt. Das allerdings hat ausnahmsweise nichts mit Sobotka zu tun.

Amtsmissbraucher

Das Problem ist längst nicht mehr die Person „Sobotka“. Das Problem sind die, die ihn und seinesgleichen nach wie vor wie Amtsinhaber und nicht wie Amtsmissbraucher behandeln. Es sind die, die René Benko zum Wirtschafts-Wunderkind, Sebastian Kurz zum Politik-Wunderkind und Sobotka zum älteren kunstsinnigen Gärtner aus Waidhofen hoch- und weichgeschrieben haben; die, die Pilnacek für einen Top-Juristen, Martin Ho für einen tüchtigen Einwanderer und Wolfgang Brandstetter für einen Hüter des Rechtsstaats gehalten haben.

Wunderbuben

Sobotka wird wieder einmal ausgeliefert und ist jetzt Doppelbeschuldigter. Kurz und seine rechte Hand Bonelli sind schon ein paar Stationen weiter, auf der Anklagebank. Es ist nicht so lange her, dass sich die beiden auf Schulbänken mit ihren Sitznachbarn unterhalten haben. Damals haben Lehrer schwätzende Buben wie Kurz und Bonelli auseinandergesetzt. Heute macht das ein Richter.

Ein paar Hundert Meter weiter geht mit René Benko ein anderer Wunderbub ein. Die WKStA prüft den Anfangsverdacht, wie es weitergeht, kann Kurz seinem Freund verraten.

Zwei gleich große Übel

Vielleicht fragt sich noch irgendwer: Was ist aus der ÖVP und ihrer Wirtschaft geworden? Haben Buben aus Politik, Immobilienwirtschaft und Schneelokalen aus der ÖVP eine kriminelle Vereinigung gemacht? Waren Untreue, Amtsmissbrauch und falsche Beweisaussagen nur Bubenstreiche? Oder ist das nur die letzte Etappe im langen Niedergang der ÖVP?

Heute gilt die Unschuldsvermutung längst für alle in der ÖVP: für ihre Regierungsmitglieder, für alle Abgeordneten, alle Parteivorstände und Finanzreferenten, alle Bünde-Obmänner, alle Lang-Finger und Kurz-Unterstützer, und für alle, die für die Partei und für sich selbst Steuergelder stehlen, unter Eid lügen, ihre Ämter missbrauchen und ihrer zwielichtigen Partei jede Stange halten – wohl bald für alle, die in der ÖVP Verantwortung und Mitverantwortung tragen.

Sie haben dafür gesorgt, dass die FPÖ erstmals nicht das größere Übel ist, sondern genau das gleiche.

500.000 Unschuldsvermutungen

Aber was ist mit dem Rest der Partei? Die ÖVP hat derzeit rund eine halbe Million Mitglieder. Die Partei selbst ist im großen Ibiza-Verfahren Beschuldigte der WKStA.

In den letzten Jahren sind die vereinzelten ÖVP-Stimmen, die sich gegen den Kurs ihrer Partei gewandt haben, verstummt. Also halte ich ausdrücklich fest, dass an dieser Stelle 500.000 Unschuldsvermutungen stehen. Ich bitte um Verständnis, dass ich nicht jede einzeln anführe.

Zum Schluss noch eine überfällige Ehrenrettung für Palermo: Kein Mitglied der dort tätigen Familie könnte sich heute noch das leisten, was führende Mitglieder der ÖVP hier bei uns jeden Tag tun. Das wird wohl ein Grund sein, warum die Familie in Sizilien in Umfragen weit hinter der ÖVP liegt.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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