Samstag, Juli 27, 2024

Die Halbseidenen

Kriminalfall FPÖ: Keine Partei treibt in Österreich ihre Gaunereien so ungeniert wie die blaue Radautruppe.

Es ist ein großer Scherz der Geschichte, dass ausgerechnet die FPÖ sich als Anti-Establishment-Partei stilisieren kann, die einen Sumpf ausmisten werde – und die anderen Parteien als diejenigen darstellt, die es sich mit Korruption, Freunderlwirtschaft und kriminellen Ränken richten würden.

Schließlich ist die FPÖ bekanntermaßen jene Partei, die am Ungeniertesten ihre Gaunereien betreibt. Die jüngste Geschichte der FPÖ ist im Wesentlichen eine Kriminalgeschichte, eine Geschichte des schamlosen in die eigenen Taschen Wirtschaftens und ein Panorama halbseidener Gesellen.

Im Folgenden als Handreichung für das kommende Wahljahr, ein kleiner Überblick über die Kriminalgeschichte des Freiheitlichentums.

Ich bin, einer alten Brecht-Formel entsprechend, ein großer Freund der „Laxheit in Fragen des geistigen Eigentums“. Daher werde ich mich in der Folge gänzlich hemmungslos auf eine famose Zusammenfassung meines Autorenkollegen Hans-Henning Scharsach stützen, und diese gelegentlich durch Aktualisierungen und ein paar eigene Ergänzungen vervollständigen.

Ich bin mir sicher, er hat nichts dagegen – schließlich geht es darum, der Wahrheit eine Bresche zu schlagen.

Scharsach spricht von einer „unglaublichen Vielfalt krimineller Aktivitäten von FPÖ-Politikern“. Und zwar in der ganzen Breite von Gesetzesbrüchen.

So wurde der Fall Teichtmeister von Freiheitlichen Schmierenkomödianten zu einer Kampagne gegen scheinbar liberale Sexualmoral und Anbiedereien an prominente „Perverse“ genützt.

Kindesmissbrauch-Konsum in der FPÖ

Scharsach: „Ich darf daran erinnern: 2004 wurden auf dem PC des freiheitlichen Fraktionsobmannes in Linz kinder-pornographische Darstellungen gefunden. Die Staatsanwaltschaft legte den Fall nieder, weil alle FPÖ-Mitarbeiter aussagten, dass viele Personen Zugang zu dem PC hatten und sich der Schuldige daher nicht eruieren ließ. 2005 wiederholte sich das: Wieder fand man auf einem Computer der oberösterreichischen Freiheitlichen kinderpornographisches Material. Wieder wurde der Fall von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt – aus den gleichen Gründen wie ein Jahr zuvor. 2007 wurde ein burgenländischer Ortsparteichef der FPÖ rechtskräftig verurteilt. Er hatte kinderpornographisches Material aus dem Internet heruntergeladen, gespeichert und Jugendlichen zugänglich gemacht. Von Journalisten aufgedeckt wurde das allerdings erst 2009. Zwei Jahre war der Vorbestrafte in all seinen FPÖ-Funktionen geblieben. 2011 berichtete der ORF Niederösterreich von einem der Kinderpornographie verdächtigen FPÖ-Politiker, der im Verhör zugab, mit einer Mutter über sexuelle Dienstleistungen ihrer minderjährigen Tochter verhandelt zu haben. 2016 wurden auf dem PC eines FPÖ-Betriebsrates der Tiroler Polizei, den die Freiheitlichen zweimal für das Europäische Parlament hatten kandidieren lassen, pornographische Darstellungen Minderjähriger gefunden. Aber es blieb nicht immer bei fotografischen Darstellungen. Auch hier gibt es einen oberösterreichischen Fall: 2015 wurde ein freiheitlicher Vizebürgermeister aus dem Bezirk Wels-Land zu zwölf Monaten teilbedingt verurteilt, der seine zehnjährige Enkelin missbraucht hatte.“

Aber nähern wir uns den Delikten, die in der FPÖ besonders überdurchschnittlich verbreitet sind:

Mit 50 Millionen Schilling auf der Flucht

Die meisten erinnern sich wohl nicht mehr an den Fall Peter Rosenstingl. Rosenstingl war ein prominenter FPÖ-Parlamentarier. Er bekleidete Mitte der 90er Jahre zahlreiche Führungspositionen und war unter anderem Obmann des Rings Freiheitlicher Wirtschaftstreibender. 1998 setzte er sich mit 50 Millionen Schilling ins Ausland ab. Zwei Jahre danach erhielt er wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs sieben Jahre Haft.

Der seinerzeitige Obmann der Niederösterreichischen FPÖ wurde als Komplize Rosenstingls zu drei Jahren Haft verurteilt.

Dann nehmen wir einfach einen, der schon verurteilt ist

Danach schickte die FPÖ mit Josef Trenk einen Nachfolger für Rosenstingl ins Parlament, der wegen Automatenbetrugs bereits rechtskräftig verurteilt war. Das ist natürlich schlau, gleich jemand zu nominieren, der schon verurteilt wurde – da lebt es sich dann umso ungenierter.

Sprung in die Jetztzeit:

Skandalsumpf FPÖ-Steiermark

Zurzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen sieben hohe FPÖ-Funktionäre, die in dringendem Verdacht stehen, Steuer- und Parteigelder in Graz in Millionenhöhe veruntreut – oder die Veruntreuung gedeckt – zu haben.

Dazu zählen der ehemalige Verteidigungsminister und heutige Landesparteichef Mario Kunasek, der ehemalige Grazer Vizebürgermeister und Finanzprüfer der Bundes- und Landes-FPÖ, Mario Eustacchio und der ehemalige Grazer Klubchef Armin Sippel.

Es gibt zwei Selbstanzeigen. Eine vom Ex-Kassier der Freiheitlichen Akademikerverbände, der hohe Eingänge unbestimmter Herkunft ungeprüft verbucht hatte, die andere von Matthias Eder, dem ehemaligen Klubdirektor und Finanzreferent der FPÖ. Dieser hat der Staatsanwaltschaft 700.000 Euro zur Schadensgutmachung überwiesen.

Nebenbei: Als Grazer FPÖ-Funktionäre 2022 den Antrag stellen, die dubiosen Geldflüsse der Partei prüfen zu lassen, wurden sie von Kickl und Kunasek aus der Partei ausgeschlossen. Alexis Pascuttini, einer der Ausgeschlossenen, hat für 2024 ein Enthüllungsbuch angekündigt.

Also: Wer den Sumpf aufklären wollte, wurde durch die Initiative Kickls aus der Partei ausgeschlossen – und nicht diejenigen, die der Verschiebereien oder der Deckung derselben verdächtig sind.

Lange wurde das Verfahren verschleppt, als wollte man die FPÖ schonen. Mittlerweile sind zwei Staatsanwälte am Verfahren dran.

Ein Gutachten spricht von „Verschleierungsenergie“.

Zwei Skandale, einer aus den neunziger Jahren, einer aus der absoluten jüngsten Gegenwart. Was in den 25 Jahren dazwischen passierte, nennt Scharsach „einmalig in der Kriminalgeschichte westlicher Demokratien“.

Eine „kriminelle Vereinigung“

Unter Parteiobmann Jörg Haider sei die FPÖ regelrecht „zu einer kriminellen Vereinigung mutiert“. Wer das als einen Wertungsexzess ansieht, sollte aber immerhin bedenken: Praktisch die gesamte Parteispitze von damals ist mittlerweile rechtskräftig verurteilt oder bekämpft die Rechtskraft seit Jahren in immer neuen Verfahren:

Karl-Heinz Grasser, ehemaliger FPÖ-Finanzminister, zu acht Jahren Haft verurteilt, geht derweil mit einer Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Spruch des Gerichts vor.

Das Urteil erging wegen Untreue, Beweismittelfälschung und Geschenkannahme in der Buwog-Affäre.

Ihm zur Seite saß: Walter Meischberger, jahrelang Bundesgeschäftsführer und Generalsekretär der Partei: Für ihn lautet der Schuldspruch auf sieben Jahre Haft.

Im schriftlichen Urteil heißt es: „Im Jahr 2000 kamen Mag. Karl-Heinz Grasser, Ing. Walter Meischberger (…) überein, aus dem Umstand, der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei Österreichs, aber insbesondere aus der Ministertätigkeit von Mag. Karl-Heinz Grasser, privaten Profit zu schlagen.“

Auch Meischberger bekämpft das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, schließlich ist er von jahrelanger Haft bedroht.

Viele Dutzend Schuldsprüche anderer führender FPÖ-Politiker aber haben längst Rechtskraft erlangt.

Dauergast vor Gericht: Ein Ex-Bundesgeschäftsführer

Der ehemalige FPÖ-Bundesgeschäftsführer Gernot Rumpold wurde zweimal verurteilt, beide Male wegen Korruptionsdelikten im Zuge illegaler Parteienfinanzierung.

Im Telekom-III-Verfahren wurde Rumpold mittlerweile zu 22 Monaten – davon 11 Monaten bedingter – Haft verurteilt. Er bekämpfte das Urteil nicht, sondern nannte es „angemessen“.

Uwe Scheuch, den Haider für das größte politische Talent seiner Partei hielt und ihn daher zum stellvertretenden Landeshauptmann und Nachfolger als Kärntner Parteiobmann machte, wurde gleich viermal rechtskräftig verurteilt. Weitere rechtskräftige Urteile gab es gegen Haiders Nachfolger als Landeshauptmann, Gerhard Dörfler, gegen die beiden freiheitlichen Regierungsmitglieder, die Landesräte Harald Dobernig und Günter Willegger und gegen Stefan Petzner. Haiders langjähriger Sekretär Gerold Mikscha setzte sich vor der Prozesslawine ab – nach Paraguay, wie Ermittler vermuten.

Der korrupteste Politiker, den Österreich je hatte

Im Verfahren gegen den ehemaligen Kärntner ÖVP-Chef Josef Martinz wurde deutlich, dass dieser eigentlich nur Beitragstäter war. Es war Haider, der Kärnten als – so das Urteil – „politischen Selbstbedienungsladen“ missbraucht hatte. Es ging um eine besonders augenfällige Form der illegalen Parteienfinanzierung. Es ist heute im Grunde unumstritten, dass Jörg Haider der korrupteste Politiker war, den Österreich jemals hatte und der nur durch seinen Tod dem Gefängnis entkam. Ausdrücklich hielt der Richter fest, dass Haider „nur auf Grund seines Ablebens“ nicht „zur Rechenschaft gezogen werden kann“. Weil Martinz als Haiders Stellvertreter mit diesem gemeinsame Sache gemacht hatte, wurde er wegen Untreue zu viereinhalb Jahren verurteilt.

Wie Pilnacek Kickl vor Erhebungen rettete

Besonders brisant ist ein anderer Fall aus Kärnten, der Fall der Werbeagentur „Ideenschmiede“. Die Firma habe nicht nur Kickback-Zahlungen an die FPÖ getätigt, sondern törichterweise auch vertraglich festgehalten. Zwei Mitarbeiter der Firma legten Geständnisse ab, der Geschäftsführer bekam Diversion. Die Firma war von Herbert Kickl gegründet worden, der mit ihr reich wurde. Dann habe er seine Anteile „mündlich“ anderen übertragen. Die Ermittlungen wurden jahrelang verschleppt, die Verstrickung Kickls wurde nie geklärt, obwohl die Staatsanwaltschaft das wollte. Aber Erhebungen gegen Kickl wurden von oben gestoppt – von einem Spitzenbeamten der Justiz Namens Christian Pilnacek.

Vergnüglich ist auch der Fall des ehemaligen FPÖ-Abgeordneten Thomas Schellenbacher, der wegen Betrug und fahrlässiger Krida verurteilt wurde. Der Ex-Nationalrat ist auch deshalb so eine spannende Figur, weil der Verdacht im Raum stand, sein Mandat wäre durch eine großzügige Spende an die FPÖ durch ukrainische Oligarchen zustande gekommen, die einen Vertrauten im Parlament sitzen haben wollten. Nachweisen ließ sich das nicht, und Mandatskauf wäre zu dem Zeitpunkt in Österreich nicht einmal illegal gewesen. Schellenbacher wurde kurzfristig auch verhaftet, weil der dringende Tatverdacht bestand, dass er Jan Marsalek, den Kopf der Wirecard-Affäre und mutmaßlichen Russland-Spion, bei dessen Flucht nach Belarus geholfen haben könnte. Der Ex-Wirecard-Vorstand soll damals mit einem Cessna-Kleinflugzeug mit der Flugnummer FTY5 vom österreichischen Bad Vöslau nach Minsk geflohen sein. Schellenbacher soll umfassend ausgesagt, aber eine vorsätzliche Fluchthilfe bestritten haben.

Scharsach: „Bei keiner der unzähligen Straftaten von Politikern der FPÖ, die zum Teil auch Regierungsämter innehatten, handelt es sich um Kavaliersdelikte. Es sind schwere und schwerste Verbrechen: Amtsmissbrauch, Nötigung im Amt, Bestechung und Bestechlichkeit, Untreue, schwerer gewerbsmäßiger Betrug, Spielautomaten-Betrug, Urkunden- und Beweismittelfälschung, Falschaussage, betrügerische Krida, Steuerdelikte usw, usw…“

Und hier haben wir „nur“ die Wirtschaftsdelikte von Politikern der ersten Reihe – Minister, ehemaligen Minister, ehemalige Bundesgeschäftsführer, ehemalige Landeshauptleute und ihre Stellvertreter, Nationalratsmandatare – aufgezählt. Politiker und Funktionäre der zweiten Reihe können hier gar nicht erwähnt werden, die Liste wäre endlos. „Unpolitische“ Delikte wie Morde durch FPÖ-Funktionäre und Ex-Funktionäre sind hier gar nicht enthalten. Ebenso ausgespart sind in der Übersicht auch die in der FPÖ besonders notorischen Delikte – Wiederbetätigung, Verhetzung, Aufrufen zu Gewalt, Holocaust-Leugnung.

Denn schließlich ist das hier eine Kolumne, weshalb der Umfang des amtlichen Telefonbuchs dringend vermieden werden sollte.


Für alle noch nicht rechtskräftig Verurteilten gilt die Unschuldsvermutung.

Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Robert Misik

    Robert Misik ist einer der schärfsten Beobachter einer Politik, die nach links schimpft und nach rechts abrutscht.

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