Freitag, April 26, 2024

Unbezahlte Arbeit unverändert Frauensache

Kurz vor Weihnachten veröffentlichte die Statistik Austria die lang ersehnten Ergebnisse der neuen Zeitverwendungserhebung. Der traurige Befund: Frauen übernehmen hierzulande nach 40 Jahren immer noch den Löwenanteil der unbezahlten Sorgearbeit. Ihre Arbeit wäre 2022 57 Milliarden Euro wert.

Von Sophie Achleitner

Das Interesse an der Veröffentlichung der Daten war groß, zumal die letzte Zeitverwendungserhebung fast 15 Jahre zurückliegt. Doch die neuen Ergebnisse sorgen für Ernüchterung: Geändert hat sich seit 2008 an der Verteilung der unbezahlten Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern aber kaum etwas. Während Männer täglich etwa zwei Stunden mit Tätigkeiten im Haushalt wie Einkaufen, Putzen, Waschen, Kochen oder der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen verbringen, sind es bei Frauen fast satte vier Stunden. Fast doppelt so viel also, jeden Tag. In Paarhaushalten ist die Verteilung der unbezahlten Arbeit – vor allem, wenn es um die Kinderbetreuung geht – noch ungleicher. Mütter übernehmen dort fast 70 Prozent der Kinderbetreuungsarbeit. Laut der ersten Zeitverwendungserhebung 1981 übernahmen Frauen damals fast 80 Prozent der unbezahlten Arbeit – heute, vier Jahrzehnte später sind es noch immer 63 Prozent.

Unbezahlte Sorgearbeit ist 57 Milliarden wert

Reduzieren Frauen ihre Erwerbsarbeit, um stattdessen unbezahlte Sorgearbeit zu leisten, büßen sie einen erheblichen Anteil ihres Lebenseinkommens ein. Deutlich wird der Verlust, wenn man ihn im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung betrachtet: Hätte man Frauen in Österreich für ihre unbezahlten Arbeitsstunden für die verrichtete Care-Arbeit entlohnt, hätte ihnen das zusammen im Jahr 2022 etwa 57 Milliarden Euro eingebracht. Das entspricht etwa 13 Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung in diesem Jahr. Würde die unbezahlte Arbeit von Männern und Frauen in die Wirtschaftsleistung einbezogen, würde sie insgesamt 22 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Das Paradoxe an der Sache: Frauen arbeiten auch insgesamt mehr als Männer. Zwar sind Männer im Schnitt etwas länger pro Tag erwerbstätig als Frauen, doch zählt man bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammen, arbeiten Frauen insgesamt mehr Stunden pro Tag.

Über alle Altersklassen: Sorgearbeit ist überwiegend weiblich

Frauen in Österreich übernehmen also immer noch den Löwenanteil der unbezahlten Sorgearbeit, egal wie alt sie sind. Im Alter von 20 bis 39 Jahren, dann, wenn die meisten Frauen Mütter werden, übernehmen Frauen mehr als doppelt so viel unbezahlte Sorgearbeit – verglichen mit Männern dieser Altersgruppe. Oftmals verbringen Frauen ihr gesamtes Erwachsenenleben in einer Pflege- bzw. Betreuungsrolle. Das zeigt eine Studie (Ophir & Polos, 2021) die den sogenannten “Care Life Expectancy Index” in europäischen Ländern errechnet. Der Index misst die Anzahl der Jahre und den Anteil des Erwachsenenlebens, den Menschen mit unbezahlter Pflege für Kinder, Ältere und Familienmitglieder verbringen. Im Schnitt werden Frauen im Alter von 15 Jahren fast 40 Jahre ihres verbleibenden Lebens in einer unbezahlten Pflegerolle verbringen. Bei Männern sind es hingegen nur etwa 33 Jahre. Österreich landet in dieser Studie auf Platz 3 der Länder, in denen Frauen am meisten Pflegejahre vor sich haben.

Stellschrauben, die zu drehen sind

Um die unbezahlte Arbeit fair zu verteilen, müssen wir den Ausbau qualitätsvoller sozialer Dienstleistungen ankurbeln: Es braucht ein flächendeckendes, kostenloses Kinderbetreuungsangebot mit Öffnungszeiten, die Vollzeitarbeit zulassen. Aktuell ist außerhalb Wiens nur jeder vierte Kindergartenplatz mit Vollzeitarbeit vereinbar. Eine gut ausgebaute und ausfinanzierte Pflege mit top-ausgebildeten Pflegekräften wäre nicht nur für die Pflegebedürftigen selbst, sondern auch für die großteils weiblichen pflegenden Angehörigen enorm wichtig. Außerdem hilft eine verpflichtende Väterkarenz dabei, die Karenz und in weiterer Folge auch später die Haushalts- und Betreuungstätigkeiten in Partnerschaften fairer aufzuteilen.


Sophie Achleitner hat Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien und an der University of South Australia studiert. Sie brennt für die Themen Bildung und Geschlechterungleichheiten und verknüpft diese mit budget- und steuerpolitischen Fragestellungen.

Titelbild: Miriam Moné, Ingo Pertramer

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13 Kommentare

  1. Wer die Neujahrsansprache des kleinen Redenschreibers gesehen, gehört hat muss ganz einfach einsehen, daß diese Partie momentan unser größtes Problem ist.
    Dieser kleine Komplexler kann einem echt Angst machen.

  2. Wirklich merkwürdig. Die Wirtschaft hat die marxistische Terminologie aufgesogen wie die Babymilch aus der Trinkflasche. Produktiv ist nur das was zur Akkumulation des Kapitals beiträgt. Und zwar unmittelbar. Dienstleistungen zählen nicht dazu.
    Im Übrigen gibt es ein spannendes Buch von Silvia Federici (eigentlich zwei) in der sie die Zurückdrängung der Frauen aus Wirtschaft und Öffentlichkeit im 14.Jhdt beschreibt. Sie sieht das als Voraussetzung für die Entwicklung des Kapitalismus.
    Ich halte nichts von einer Diskussion die den “Männern” oder auch nur einzelnen Männern eine persönliche / individuelle Schuld dafür zuweist. Auch der Bergriff “fair” unterstellen ein unfaires Verhalten. Auch die Sozialdemokratie sollte die Diskussion nicht Emotionalisieren- Wie es geht … ich weiss es auch nicht.
    Jedenfalls Danke für das Thema.

    • Die Ökonomen können sicher auch ein Modell, das die Diskriminierung der Frauen als ökonomisch “effizient” dargestellt, konstruieren. Schließlich gibt es economics of war, economics of marriage, economics of prostitution, economics of slavery (Public Choice 2023 !). Warum soll es economics of women nicht auch geben?

  3. Ich wäre grundsätzlich dafür, dass beide Elternteile einige Stunden weniger arbeiten und sich diese unbezahlten Arbeiten teilen. Das wäre viel sinnvoller, als die Frauen in Teilzeit zu drängen und die Männer Vollzeit hackeln zu lassen damit sie gar nichts von ihren Kindern mitkriegen. Die Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass die Lohnschere zwischen Frauen und Männern endlich geschlossen wird und Chancengleichheit am Arbeitsmarkt herrscht. Die Karenzzeit sollte für beide Elternteile zu gleichen Teilen gelten, weil es überhaupt keinen Grund dafür gibt, sie nur den Müttern zuzugestehen. In Punkto Ausbildung haben die jungen Frauen ihre Altersgenossen ohnehin schon lange überholt. Warum wir trotzdem dieses alte Rollenbild nicht los werden? Weil wir so geprägt werden, das ist alles. Einen tieferen Sinn gibts dahinter nicht. Wer nicht mit den typischen Rollenklischees aufwächst dem sind sie ohnehin suspekt. Höher gebildete Frauen sind schneller wieder im Berufsleben, weil ein guter Job der Spaß macht offenbar vor der Versuchung schützt, sich in Karenz und Teilzeit zu flüchten. Man sollte die Dinge realistisch sehen und nicht ständig immer wieder versuchen das Mutterkreuz neu zu erfinden.

    • Und ich wäre dafür solche Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sich das jede Familie selber ausmachen kann, aber es öffentlich ist und somit jeder das im Land weiß, was eben individuell geplant und so einvernehmlich möglich sein kann…

  4. Von verpflichtender Väterkarenz halte ich sehr wenig. Bin mir auch gar nicht so sicher ob dies im Sinne aller Mütter wäre. Für Väter jedoch die sich das wünschen und es sich beruflich leisten können – Garantien für Joberhalt etc. – wäre es aber günstig wenn Arbeitgeber verpflichtet werden jedem Vater eines Kleinkinds eine gewünschte Väterkarenz zu ermöglichen. Auch sollte dafür gesorgt sein dass eine solche an Popularität gewinnt – über Medien und Werbeplattformen.

    • Ich gebe zu, noch nie ein Fan von Hrn. Doskozil gewesen zu sein. Neutral betrachtet, komme ich aber nicht umhin anzuerkennen, dass die wirklich positiven Meldungen (Sozialwesen, Tierschutz etc.) seit geraumer Zeit praktisch ausschließlich aus dem Burgenland kommen. Während sich andere Bundesländer – allen voran OÖ – sich darin üben, Ausgrenzung und soziale Stigmatisierung zu fördern, passieren in dem einst so milde belächelten Bundesland Dinge, die man gar nicht genug anerkennen kann. Ehre, wem Ehre gebührt!

  5. beim weltbild der seit ewig in der regierung sitzenden övp darf das nicht verwundern.

    wirklich etwas zum positiven in dieser gesellschaft wird sich erst ändern, wenn fpövp nix mitzureden haben.

    • Ihrer Stellungnahme stimme ich vollinhaltlich zu. Leider werden wir beim geistigen und weltanschaulichen Niveau der österreichischen Mehrheitsbevölkerung bis zum St. Nimmerleinstag warten müssen, dass diese beiden stockkonservativen Parteien “nix mitzureden” haben werden. Ich werde es sicher nicht mehr erleben. Ergo gehe ich mit Hrn. Klien d’accord und sage: “Gute Nacht, Österreich”.

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