Freitag, November 8, 2024

Kickls Trümmer, Nehammers Trümmerln

Karl Nehammer hat einen Plan. Er heißt „Kickl“. Der setzt sich mit FPÖ und AfD an die Spitze des rechtsextremen Angriffs auf die EU.

Rechtspopulistische Regierungen tragen alle dasselbe Erkennungsmerkmal: Sie lösen Problem, die keiner hat. Dafür verhindern sie die Lösung der Probleme, unter denen fast alle leiden.

Das geht bei Nehammer, Sobotka und Karner so:

  1. Gegen Islam statt gegen Inflation;
  2. Für Schnitzelpanier statt für armutsgefährdete Kinder;
  3. Gegen WKStA statt gegen Korruption;
  4. Für Millionärsschutz statt für Klimaschutz.

Aus diesen einfachen Grundsätzen hat Nehammers Ideenschmiede jetzt einen „Österreichplan“ gemacht. Gleich vorweg: Das, was hier auf 82 Seiten zusammengefasst wird, ist kein Plan, weil ihm das wichtigste fehlt: die Finanzierung.

Das 30 Milliarden-Loch

Niemand macht sich Gedanken, wie die Geschenke an Spitzenverdiener und Unternehmen finanziert werden sollen. Mehr als 30 Milliarden ohne Gegenfinanzierung, das „plant“ man nur, wenn man den Esel kennt, aus dem man das Geld wieder herauspresst.

Es läuft immer gleich, wenn die ÖVP regiert: Die neuen Schulden werden zuerst ins Budget verschoben. Nach dem Geldregen für die ÖVP-Klientel kommt zwangsläufig Phase 2: das „eiserne Sparen“. Nachdem man „oben“ alles verschenkt hat, wird „unten“ gespart: beim Arbeitslosengeld, bei Sozialleistungen, in Spitälern, in Schulen und Universitäten, in der Kultur. Das ist der Leistungsgedanke: Wenn sich eine Minderheit alles geleistet hat, müssen die Leistungen für die Mehrheit eingeschränkt werden.

Schnitzelniveau

Zur Auflockerung bietet der Plan auch Nehämmer auf höchstem Schnitzelniveau. Meine Favoriten sind:

  • „Erhalt der Skination Österreich als führendes Wintersportland“ – wenn möglich, sogar durch Schneefall.
  • „Technologieoffenheit beim Grünen Verbrenner“ – der Plan der ÖVP gegen die Grünen.
  • „Klimaschutz mit Hausverstand“ – das klare Bekenntnis, dass ÖVP-Klimaschutz nur bei „Billa“ stattfindet.
  • „Wasserstoffstrategie 2030“ mit der sachkundigen Präzisierung: „Dazu braucht es eine neue Wasserstoffstrategie“.

FPÖ-verträglich

Das Wichtigste steht nicht im „Plan“: In Österreich lässt er sich nur mit einer Partei umsetzen: mit der FPÖ. Der „Plan“ ist kein “Reformprogramm“, sondern die sachliche Einstimmung auf den Rechtsblock.

Dabei gibt es allerdings ein Problem. Es heißt wieder einmal „Kickl“.

Herbert Kickl ist kein pflegeleichter Zeltredner wie HC Strache. Er scheint ernsthaft zu glauben, dass die UNO über die WHO eine Weltregierung mit dem Ziel der „Umvolkung“ Österreichs plane. Sein abgeschotteter innerer Kreis hilft ihm, die Pläne von UNO und ihrem Instrument „EU“ zu durchschauen.

Radikaler Flügel

Wie die Köpfe der AfD sind auch die Köpfe ihrer österreichischen Bruderpartei identitär gepolt. Damit stehen beide Parteien an der Spitze des radikalen Flügels der europäischen Rechten.

Auf der anderen Seite sammeln sich Marine Le Pen und Giorgia Meloni mit ihren Getreuen, um mit Rechtsparteien anderer Herkunft die Macht über ihre Landesgrenzen hinaus zu übernehmen. Im neuen Europaparlament können die Fraktionen der nationalen Rechten erstmals aus der Position der Stärksten erfolgreich versuchen, den „Cordon Sanitaire“, der sie wie ein Seuchengürtel von allen anderen Fraktionen abschließt, zu durchbrechen.

Doch ihr großer Rechtsblock, der die Union mit Mehrheiten auf den Kopf stellt, scheitert bisher an dem, was die Rechte stark macht: an ihrem Nationalismus und ihrer Fremdenfeindlichkeit.

Trümmer statt Trümmerln

Herbert Kickl hat – noch – andere Ziele als Giorgia Meloni. Er will das „System“, das er hasst, in Trümmer legen. Dass sich sein kommender Volksvizekanzler Karl Nehammer mit Trümmerln begnügt, erleichtert Kickl das Geschäft.

2017 war Sebastian Kurz der Chef der ersten ÖVP-Regierung mit freiheitlichem Programm. Er hätte perfekt zum Duo „Le Pen/Meloni“ gepasst. Kickls Wunschpartner regieren weiter im Osten. Mit Viktor Orbán und Aleksandar Vucic sind sie strategische Brückenköpfe von Russland und China – und Feinde der EU.

Bis jetzt ist die ÖVP jedem Rechtsruck der FPÖ gefolgt. Haider, Strache und Kickl haben entdeckt, dass die alte Wählerregel „Je extremer, desto weniger“ nicht mehr gilt. Aus den fünf Prozent, die früher bereit waren, mit der FPÖ ganz weit nach rechts zu gehen, sind inzwischen 25 Prozent und mehr geworden.

Nehammer steht neben Kickl am Wählerteich und wundert sich, dass sein Netz verlässlich leer bleibt. Aber Kurz hat der ÖVP alle Alternativen ausgetrieben, und Nehammer ist kein Kurz. Der noch-Kanzler klammert sich an eine letzte Hoffnung: auf ein Veto des Bundespräsidenten gegen einen Volkskanzler Kickl nach der nächsten Wahl.

Schlüssel „Orbán“

Die Zukunft der europäischen Rechten wird zwischen „AfD/FPÖ“ und „Fratelli d‘Italia/Rassemblement National“ entschieden. Viktor Orbán wird dabei gegen seinen Willen eine Schlüsselrolle spielen. Kann er seinen Kurs der ständigen Erpressung der Union mit Unterstützung aus Belgrad, Moskau und Wien weiterfahren – oder setzt die EU endlich Artikel 7 des Unionsvertrags ein und Orbán damit dorthin, wo er längst hingehört: vor die Tür?

Wenn Orbán sein Stimmrecht im Rat verliert, verlieren FPÖ und AfD das Vorbild, das ihnen zeigt, dass alles geht. Herbert Kickl und Alice Weidel wissen dann, was sie bei ihren ersten Gehversuchen im politischen Erpressermilieu zu erwarten haben.

Natürlich kommt es auch auf Karl Nehammer an, aber wenn ich dafür einen Grund finden sollte, fällt mir keiner ein.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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