Bei der kommenden Nationalratswahl hat die ÖVP nur dann eine Chance, wenn es um Schnitzel statt Mieten und um Gendern statt Inflation geht. Daher hat Karl Nehammer jetzt offiziell den Auftrag zum Kulturkampf gegeben.
„Und jetzt geht´s – Humpta Humpta Humpta Tätärä!“ Und damit um Susanne Raab und Karl Nehammer. Der Kanzler hat die Ministerin mit der Erarbeitung einer „Leitkultur“ beauftragt. Das ist kein Witz.
Zuerst die einfachste und damit Eingangsfrage: Was ist eine „Leitkultur“? Richtige Antwort: eine Kultur für „unsere Leit“. Jedesmal, wenn sich Nehammer in einen Trachtenanzug zwängt und Raab ihr Dirndl schnürt, wenn sich der Kanzler das Bier so verdünnen lässt, dass er ein Krügel in einem Zug leeren kann, wenn sie mitklatschen und mitjohlen, wenn sie bei jeder Blaskapelle fuchtelnd zu dirigieren beginnen, wenn sie sich also so blöd aufführen, wie sie glauben, dass „die Leit“ sind, dann ist das ihre Kultur.
Ich befürchte, dass sich Karl Nehammer als Leitfigur der Leitkultur kaum verstellen muss. Als „existing link“ zwischen Andreas Gabalier und Felix Baumgartner scheint er am passenden Platz. Wer ihn dafür als „Vollkanzler“ verspottet, übersieht, dass sich hinter der dümmlichen Fassade eine politische Absicht verbirgt. „Volksdümmlich“ muss nicht dumm sein. Es zeigt nur, was man von „den Leuten“ hält und was man mit ihnen vorhat.
Kulturkampf statt Verteilungskampf
In der Politik gibt es eine einfache Regel: Es gewinnt der, der die Gegensätze diktiert. Worum wird politisch gestritten? Wenn es um Mieten und Strompreise, Vermögenssteuern und Inflation, Krankenhausbetten und Studienplätze geht, ist für die ÖVP nichts zu gewinnen.
Wenn allerdings die Panier am Schnitzel vor dem Muselmann, der Nikolaus vor dem Gottlosen und das Hauptwort vor dem Sternchen gerettet werden müssen, wenn stramm bestrumpfte Männerbeine den Takt zur Verteidigung des Herds der Hausfrau stampfen, wenn man nur ohne Islam daham ist, dann hat die ÖVP eine Chance. Andreas Babler kann dann vor der Tür seinen Klassenkampf predigen – die Kameras sind auf den Ring gerichtet.
Die Talente der ersten ÖVP-Reihe reichen, weil die Ansprüche im politischen Musikantenstadl gering sind. „Du gehst da rüber, grinst, hängst ihr ein Mutterkreuz um und nimmst dann das Krügel und hältst es Richtung Blasmusik“. Das schaffen Nehammer, Sobotka und Mikl-Leitner weitgehend pannenfrei.
Der größte Krach
Ob der Wahlkampf Kulturkampf oder Sozialkampf wird, ob es Lichtermeer oder Schnitzelmeer gibt, entscheiden Chefredakteure und Herausgeber. Die ÖVP wird wieder versuchen, möglichst viele von ihnen zu kaufen. Wenn die Regierungsinserat-Millionen gedealt werden, sollten diesmal alle Handys ausgeschaltet sein.
Die nicht gekauften Journalisten werden sich dorthin wenden, wo der größte Krach ist. Um ihn geht es jetzt. Deshalb wird die Empörungsfalle aufgestellt. In ihr sammeln sich „Linke“, die die Kulturkampfansagen der ÖVP durch Geheul verstärken.
Im Gegensatz zum Verteilungskampf ist der Kulturkampf reine Propaganda. Im Verteilungskampf geht es um Interessen, im Kulturkampf um Stimmungen. Der Verteilungskampf findet täglich statt. Nichts spricht dagegen, ihn so zuzuspitzen, dass das Geheul von der anderen Seite kommt.
Am Kulturkampf muss sich die bunte Gegenseite von ÖVP und FPÖ nicht beteiligen. Wenn Sozis, Grüne und Neos ab und zu mit türkischen Österreichern Schnitzel essen und Bier trinken, kann es nicht schaden.
Scheinstreit
Nehammer und Kickl sind längst ein Trachtenpaar. Aber die Wahl wird nicht nur über „Kulturkampf oder Verteilungskampf“, sondern auch über eine zweite Frage entschieden: Wer steht zum Schluss mit Kickl im Ring?
Die Lösung der ÖVP ist einfach: Nehammer ist der Hauptgegner von Kickl. Gerade weil sie ein Herz und eine Lederhose sind, müssen sie streiten, wie vor der niederösterreichischen und der Salzburger Wahl. Dass sie am Vormittag nach dem Wahlabend in den geplanten Paarlauf übergehen, wird wieder nur „Journalisten“ überraschen.