Als Spitzenkandidat wird Andreas Babler von SPÖ-Granden öffentlich vorgeführt. Die Motive dafür scheinen unklar.
Seit langer Zeit hat Karl Nehammer wieder etwas zu lachen: die SPÖ. „Ich habe mich als Innenminister mit dem Traiskirchner Bürgermeister Babler immer gut verstanden“. Man merkt dem Kanzler an, wie lustig er das findet.
Innerhalb weniger Stunden haben Michael Ludwig und Peter Kaiser der ÖVP eine Große Koalition angeboten und dem ÖVP-Chef damit ihren Spitzenkandidaten vor die Füße gelegt. Der war schlau genug, das Babler-Packerl anzunehmen und abzulegen.
Mühlsteine
Bablers Vorbereitung des Wahlkampfs wird von Ludwig-Querschüssen begleitet. „Man sollte sich selber die Latte nicht immer zu hoch legen“, ließ Ludwig dem Spitzenkandidaten über Medien zu dessen Vermögenssteuer-Plänen ausrichten. Als Babler auf Distanz zu Alfred Gusenbauer ging, lobte der Wiener Bürgermeister öffentlich die „großen Verdienste“ des Benko-Spezis. Jetzt hängt Ludwig gemeinsam mit Kaiser seinem Spitzenkandidaten den Mühlstein der alten Koalition mit der ÖVP um den Hals.
Damit hat die Entwicklung der SPÖ als Alternative zum drohenden Rechtsblock ihren tiefsten Punkt erreicht.
SPÖ aus dem Spiel
Die Beiträge des Wiener Bürgermeisters sind schnell aufgezählt. Das zähe Festhalten an der Parteivorsitzenden, die ihm freie Hand ließ, war eine falsche politische Entscheidung. Mit der Verhinderung von Doskozil als einziger großer Kanzlerhoffnung verfolgte Ludwig nur noch das Ziel, einen kommenden starken Mann der SPÖ auszuschalten. Mit der Babler-Demontage geht er einen Schritt weiter.
Was sind Ludwigs Motive? Und was treibt Kaiser, mitzumachen? Beide könnten erklären, dass nur eine alte Koalition zwischen SPÖ und ÖVP die Machtübernahme durch Kickl und die FPÖ verhindert. Das ist ein Argument für die Verhandlungen nach der Wahl – aber kein hinreichender Grund, viele Monate vor Beginn des Wahlkampfs den eigenen Spitzenkandidaten zu schwächen und ihm die Chance auf einen Wahlkampf gegen den Rechtsblock zu nehmen.
Im Wahlkampf verhindert man Kickl, indem man mit der SPÖ die Wahl gewinnt. Dazu muss man ins Finale kommen: in den Zweikampf mit dem FPÖ-Chef. Doch nach den Ludwig- und Kaiser-Ansagen ist die ÖVP plötzlich wieder die einzige Scharnierpartei, die Regierungs-Optionen nach beiden Seiten hat. Beide holen die ÖVP ins Spiel und nehmen die SPÖ heraus.
Schwarze Kanzler, rote Siege
In 27 Nationalratswahlkämpfen wollte die SPÖ immer eines: Erster werden. In der 28. Wahl seit 1945 scheint das bei der SPÖ erstmals nicht mehr so klar. Aber warum? Was sind die Motive von Ludwig und Kaiser?
Bei Ludwig könnte ein Motiv in einer politischen Rechnung liegen: Wenn im Bund ein Rechtsblock regiert, gewinnt die SPÖ in Wien dagegen jede Wahl. Zwischen 1996 und 2020 hat die Wiener SPÖ ihre Landtagswahl dreimal gewonnen und dreimal verloren. Die Niederlagen 1996, 2010 und 2015 setzte es unter den SPÖ-Kanzlern Franz Vranitzky und Werner Faymann. Die Siege 2001, 2005 und 2020 fielen alle in Kanzlerschaften der ÖVP – unter Wolfgang Schüssel und Sebastian Kurz.
Viele in der Wiener SPÖ glauben, damit ein Geheimrezept für Wiener Wahlsiege entdeckt zu haben. Michael Ludwig weiß, wie erdrückend von Spitälern bis Wien-Holding die Hypotheken sind, die er durch die Gemeinderatswahl 2025 schleppen muss. Meint er, mit seiner angeschlagenen Partei als rotes Bollwerk gegen die blau-schwarze Republik besser bestehen zu können? Aber ist es wirklich denkbar, dass ein Wiener SPÖ-Chef bereit ist, eine Nationalratswahl und ihren Spitzenkandidaten dem Eigeninteresse der Wiener Partei im Rathaus zu opfern?
Wer Michael Ludwig kennt, weiß, dass ihm Parteien wie die FPÖ zutiefst zuwider sind. Gerade deshalb wäre es unverständlich, wenn er den einzigen Wahlkampf, den die SPÖ gewinnen kann, nicht mit allen Kräften unterstützte: den gegen den drohenden Rechtsblock aus FPÖ und ÖVP.
Steigbügelhalter
Warum macht Peter Kaiser bei all dem mit? Die Bundespräsidentschaftswahl, für die er auf Unterstützung aus der ÖVP hoffen könnte, ist mit 2028 weit weg. Eine gewonnene Nationalratswahl würde auch seine Kärntner SPÖ aufwerten.
Hat er in Klagenfurt mit einer pflegeleichten ÖVP nicht erkannt, dass die Nehammer-Partei von St. Pölten bis Salzburg längst die Wende zur FPÖ vollzogen hat? Politisch ist der Beton für den Rechtsblock seit Sebastian Kurz gut angerührt. Die Weichen sind gestellt. Wenn die ÖVP die Nationalratswahl mit einem blauen Auge übersteht, ist es auch in der Bundesregierung so weit.
Hans Peter Doskozil hat als einziger öffentlich die Grube erkannt, die sich die SPÖ gerade selbst gräbt. Eine Koalition mit der ÖVP sei „inhaltlich falsch“ und man dürfe sich als SPÖ nicht zum „Steigbügelhalter der ÖVP“ machen. Das, was Doskozil sieht, ist für jeden in der SPÖ mit freiem Auge gut sichtbar.
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