Samstag, Juli 27, 2024

Nawalny, Putin, Kickl – und die ÖVP

Wladimir Putin ist für den Staatsmord an Alexej Nawalny verantwortlich. In Österreich ändert das nicht viel. Putin kann sich nach wie vor auf FPÖ und ÖVP verlassen.

„Ich bin erschüttert über die Nachricht des Todes von Aleksej Navalny. Vladimir Putin und sein mörderisches Regime haben das zu verantworten.“ Die Reaktion der russischen Botschaft zeigt, dass Alexander Van der Bellen als Bundespräsident alles Notwendige gesagt hat.

Quelle: Twitter

Ganz anders klingt das beim Bundeskanzler: „Die Umstände seines Todes müssen unabhängig untersucht und geklärt werden“. Damit drückt sich Nehammer um die entscheidende Frage: Geht es nur um die Aufklärung der Todesursache vor Ort? Oder geht es – wie bei jedem Staatsmord – um die mörderische Kette von Putin bis ins Gefängnis am Polarkreis? Und was passiert, wenn man dem Auftraggeber des Staatsmords nichts nachweisen kann?

Quelle: Twitter

Vielleicht weiß Nehammer nicht, dass Staatsmord nichts anderes ist als das gezielte Zugrundegehenlassen im Gefängnis: zuerst einsperren, medizinisch nicht versorgen und dann bedauern, dass der Häftling einen Spaziergang nicht überstanden hat. Van der Bellen lässt sich nicht an dieser Nase herumführen. Nehammers Nase scheint dafür wie gemacht.

Blaue Schwänze

FPÖ und Kickl haben geschwiegen. Aber was hätte die österreichische Putin-Partei sagen sollen? „Super, gut gemacht!“ oder „Man muss versuchen, auch Putin zu verstehen“ oder auch irgendetwas über „Nestbeschmutzer“? Kickl und Vilimsky haben jetzt einmal alle blauen Schwänze eingezogen.

Das ist nicht so verwunderlich wie das Verhalten des Verfassungsschutzes „DSN“. Dort weiß man: Kickls Partei ist mit einem Freundschaftsvertrag an Putins Partei gebunden. Putin lässt rechtsextremen Nationalparteien in der EU finanziell unter die Arme greifen. Russische Oligarchen und Geheimdienste versuchen Staaten der EU und die Union selbst mit Parteien der 5. Kolonne zu destabilisieren. Aber niemand in DSN und Innenministerium gibt den Auftrag, mögliche politische und  finanzielle Steuerungen der FPÖ durch Putins Banken, Parteien und Geheimdienste zu untersuchen.

Blauer Minister, schwarze Liste

Unter dem Regime von Innenminister Herbert Kickl ist Österreich schon einmal im „Berner Club – CdB“ auf die schwarze Liste der westlichen Nachrichtendienste gesetzt worden. Vom finnischen „SUPO“ bis zum deutschen „Bundesamt für Verfassungsschutz“ war für alle die Gefahr, dass ein FPÖ-geführter Dienst westliche Geheimnisse an FSB und SWR in Russland verrät, zu groß.

Rund um Kickls Sturm auf das BVT ist dann die geheime „CbB“-Software „Neptun“ von FPÖ-Straßenpolizisten in Plastiksäcken aus dem BVT geschleppt worden. Kickl hat sich dafür bis heute nicht verantworten müssen.

Gauner und Diebe

Österreich ist Putins Pförtner in die EU. Aber das ist nicht das alleinige Verdienst der blauen Putin-Trolle. Auch die Putin-Trolle aus der ÖVP haben ganze Arbeit geleistet:

  • Unter Innenministern von Ernst Strasser bis Wolfgang Sobotka und Karl Nehammer konnte der FSB-Resident in Wien ungestört ein Netzwerk von mehr als 500 Agenten in Wien und anderen Städten aufbauen. Vom Terror gegen tschetschenische Flüchtlinge bis zur Wirtschaftsspionage arbeiten sie bis heute unbehelligt.
  • Gemeinsam mit Sebastian Kurz hofierten ÖVP-nahe Oligarchen wie Sigi Wolf den russischen Diktator.
  • Mit ihrer Hilfe wurde die OMV vom erfolgreichen Norwegen-Geschäft auf Russland umgepolt. Österreichs Gazprom-Knebelverträge werden von Kanzler und Energieministerin bis heute geheim gehalten.
  • Als es für sie überall gefährlich wurde, blieb Österreich für die Putin-Oligarchen von Arlberg bis Wien ein sicherer Hafen.
  • Karl Nehammer war der erste Bundeskanzler, der den westlichen Putin-Boykott nach dem Ukraine-Überfall mit einem Alleingang nach Moskau sabotierte.
  • Während andere EU-Staaten ihre Abhängigkeit von russischem Gas nach dem Überfall auf die Ukraine auf Null reduzierten, erhöhte Österreich seine Russland-Abhängigkeit von 80 auf 98 Prozent.

Nawalny hat das alles in einem „profil“-Interview im Juli 2019 auf den Punkt gebracht: „Alle wissen, dass korrupte Gauner gut und gerne in Österreich investieren. Es gibt viele Russen, die Immobilien besitzen, in Tirol und anderswo, aber hier wie dort hat das politische Establishment überhaupt kein Problem damit.“ Nawalny wusste schon damals: „Alle lieben Österreich – die Gauner und Diebe eben besonders.“

Mit der ÖVP haben sie eine Partei, die ihre Interessen bis heute erfolgreich vertritt.

2 Putin-Parteien

Kurz-Vorgänger Wolfgang Schüssel blieb bis weit in den Ukraine-Krieg auf Linie: „Ich kann mit den moralischen Zuschreibungen nichts anfangen. Natürlich war es damals richtig, mit Putin das Gespräch zu suchen. Natürlich war es richtig, auf billige Energiequellen aus Russland zu setzen.“ Natürlich war das für ihn als Lukoil-Aufsichtsrat mit 100.000 Euro Jahresbezug richtig. Aber für Österreich war es falsch.

Österreich hat jetzt zwei Putin-Parteien: die FPÖ, die Putins Politik und die ÖVP, die Putins Geschäft macht. Nach der Nationalratswahl droht damit eine ganz besondere Regierung.

p.s.: Für Nawalny selbst kommt jetzt alles zu spät. Für Julian Assange nicht.

p.p.s.: (10.45 Uhr) Nur zur Klarheit: Nawalny hat viele fragwürdige Positionen vertreten. Ich kenne die Vorwürfe gegen ihn: Er sei homophob, ein russischer Nationalist und einiges mehr gewesen. Aber hier geht es ausschließlich um eines: um den Umgang mit Gegnern eines Regimes und um die Rechte eines Menschen. Um sonst nichts. Das sollten wir nicht vergessen.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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