In “Machtfrage”, der neuen Kolumne von Attac, geht es um die Macht internationaler Konzerne und deren Einfluss auf staatlichen wie persönlichen Handlungsspielraum. Im Zentrum steht die Frage, wie die Machtkonzentration einiger Weniger unser Leben durchdringt und was dagegen getan werden kann.
Von Lisa Mittendrein und David Walch
Der Kapitalismus zerstört den Planeten und damit unsere Lebensgrundlagen. Denn ein Wirtschaften, das auf Konkurrenz, Profitmaximierung und unendlichem Wachstum basiert, beutet nicht nur Menschen aus, sondern ist auf einem endlichen Planeten auf Dauer selbstzerstörerisch.
Paradoxerweise ist diese Tatsache so offensichtlich wie schwer zu verdauen: Die Klimakrise eskaliert vor unseren Augen; Katastrophen wie Stürme, Überschwemmungen, Dürren und Hitzewellen nehmen Jahr für Jahr zu. Das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens wurde 2023 erstmals überschritten, jede achte Tier- und Pflanzenart ist vom Aussterben bedroht.
Und unsere Gesellschaften? Reichtum und Macht konzentrieren sich in den Händen einer kleinen Wirtschaftselite. Für die Mehrheit nehmen Zukunftsängste, Stress, chronische Erkrankungen und psychische Probleme zu. Gesellschaftlicher Zusammenhalt sowie Solidarität schwinden. So weit, so schlecht.
Wie viel Macht haben Konzerne und die Reichsten?
Über die Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus lassen sich klare empirische Aussagen treffen. Die Macht und Konzentration von Konzernen wächst unaufhörlich. Vergleichen wir Bruttoinlandsprodukt und Umsatz, so sind unter den größten 200 Ökonomien der Welt aktuell 129 Großkonzerne. Staaten sind die Minderheit. Konzerne sind zudem untereinander so eng verflochten, dass lediglich 147 davon fast die Hälfte des Werts aller 43.000 transnationalen Konzerne kontrollieren. Viele Großkonzerne sind eng mit dem Finanzsektor verwoben oder kaum mehr von ihm zu unterscheiden. Die drei großen Vermögensverwalter BlackRock, Vanguard und State Street sind die Hauptaktionäre von 88 Prozent der 500 größten Unternehmen weltweit.
Die reiche Klasse gewinnt
Aus diesen engen Verflechtungen entsteht ein Netzwerk von relativ wenigen Profiteur:innen. Es hat zu dem geführt, was der Milliardär Warren Buffet einen ‚Klassenkampf‘ nennt, in dem „meine Klasse, die reiche Klasse, Krieg führt und gewinnt“. Denn am Ende der Kette stehen hinter Konzernen und Vermögensverwaltern menschliche Eigentümer:innen und Aktionär:innen. Und so hat sich die Anzahl an Milliardären in den vergangenen 20 Jahren mehr als vervierfacht und ihr Vermögen fast verzehnfacht.
Diese Profiteure besitzen eine immense politische Macht abseits jeglicher demokratischer Kontrolle. Sie setzen ihre Interessen durch Lobbying, Parteispenden, Finanzierung von Medien und “Denkfabriken” oder auch Korruption durch – etwa um die überfällige Energiewende zu blockieren, zerstörerische Handelsabkommen durchzusetzen oder Lieferkettengesetze zu verhindern. Aber auch die soziale Nähe zwischen Reichen, Konzernchefs und Politiker:innen ist ein Machtfaktor: Sie besuchen dieselben Schulen und Privatclubs, lauschen denselben Intellektuellen und gehen bei den Festen der anderen ein und aus. Das schafft nicht nur ein gemeinsames Weltbild; bestens dokumentiert sind auch die zahllosen Seitenwechsel von Ex-Politiker:innen, die hochvergütet für Konzerninteressen arbeiten.
Konzerne bestimmen, zu welchen Bedingungen produziert wird
Die Macht der Konzerne und ihrer Eigentümer:innen ist nicht nur eine politische, sondern auch eine ökonomische: Sie haben einen hohen Einfluss darauf, was in unserer Gesellschaft produziert wird und zu welchen Bedingungen. Öl oder Windkraft? Was Uniper, Enel und Co. für profitabler halten. Billige Elektronik oder reparierbare Geräte? Womit sich mehr Geld verdienen lässt. Sklavenarbeit und Pestizide oder faire Bio-Landwirtschaft? Was für Produzent:innen und Handelskonzerne billiger ist und höhere Margen erlaubt.
Und die “Macht der Konsument:innen”? Sie ist begrenzt und höchst ungleich verteilt: Als Konsument:in wähle ich mit einem Budget von ein paar hundert Euro pro Monat aus jenen Produkten, die mir der Handel anbietet. Bin ich arm, ist meine Auswahlmöglichkeit praktisch inexistent. Große Konzerne und die dahinterstehenden Eigentümer bestimmen hingegen jeden Tag über die Produktion von Gütern und Dienstleistungen im Wert von dutzenden Milliarden. Es ist also eindeutig, wo die Macht über unsere Wirtschaft liegt.
Gute Vorschläge zu machen reicht nicht
Doch hier geht es nicht vorrangig darum, den Zustand der Welt zu beklagen oder den Kapitalismus zum x-ten Mal zu analysieren.
Viel drängender ist die Frage, welche konkreten politischen Auseinandersetzungen wir führen müssen, um eine Zukunft zu erkämpfen, die allen Menschen ein gutes Leben ermöglicht.
Wie können wir die Macht der fossilen Konzerne brechen, die Milliardenprofite einstreifen und dabei die Klimakrise befeuern? Wie verhindern wir, dass die Reichsten ihre Milliarden in Steuersümpfen bunkern und Konzerne so gut wie keine Steuern zahlen? Wie muss der Welthandel organisiert werden, um Menschenrechte, menschenwürdige Arbeit und die Umwelt zu schützen? Und wie verhindern wir, dass Finanzkrisen und Bankenpleiten die Allgemeinheit immer wieder Milliarden kosten, während die Gewinne nur einer kleinen Minderheit zugutekommen? Diesen und anderen Fragen werden wir uns in den kommenden Monaten in dieser Attac-Kolumne widmen.
Ein klares Bild von der Welt und gute Vorschläge zu machen ist das eine – sie durchzusetzen das andere. Wir brauchen daher auch Klarheit darüber, welche Kräfte unseren Zielen entgegenstehen – ganz ohne Verschwörungstheorien von allmächtigen, geheimen Zirkeln.
Konzernmacht brechen!
Um eine bessere Welt zu erkämpfen, müssen wir also ran an die Macht der Konzerne. Wir müssen nicht nur ihre politische Macht herausfordern, sondern auch die enorme Eigentumskonzentration. Die demokratische Kontrolle über die Wirtschaft auszubauen ist umso drängender in Bereichen, von denen unser Leben und Überleben zentral abhängt – etwa bei Energie und Wohnen oder in der Landwirtschaft. Ein Beispiel dafür ist die Attac-Kampagne „Energieversorgung demokratisieren“. Wie derartige Kampagnen wirkungsvoll gestaltet werden können, zeigt die Berliner Initiative Deutsche Wohnen enteignen. Im September 2021 stimmten 59,1 Prozent der Berliner*innen für die Enteignung und Vergesellschaftung der großen profitorientierten Wohnungskonzerne in Berlin.
Was jetzt noch fehlt: Wir müssen genügend Macht aufbauen, um den Umbau der Wirtschaft Schritt für Schritt umzusetzen. Deswegen stellen wir die Machtfrage: Den Konzernen und den Reichsten – und uns selbst.
Titelbild: Sarah Goldschmitt/Attac
Weiterführende Links:
Attac-Kampagne „Energieversorgung demokratisieren“
Zur Konzentration von Konzernen
Finanzkapital kontrolliert die 500 größten Unternehmen
Dimension der Machtkonzentration internationaler Konzerne