Samstag, Juli 27, 2024

Randnotizen: Erwartbare Wahlkampftöne

Wie lange sollte ein Wahlkampf dauern? Zwei Wochen? Zwei Monate? In Österreich scheint immer Wahlkampf zu sein. Das bedeutet, dass weder regiert noch kolportiert wird. Die Presse steht im Zeichen der Propaganda.

Das Feuilleton, eine Monatszeitung, die sich im Untertitel Zeitung für Debatte, Kultur, Medien und Zeitgeschehen nennt ist aus der von Schwarz-Grün zerschlagenen Wiener Zeitung hervorgegangen und hat ihren Start durch Crowdfunding finanziert. In der Mai-Ausgabe schreibt Bernhard Baumgartner auf der Titelseite in seinem Entrée: »Der Bronzler rüstet sich für den Wahlkampf«. Mit dieser Wortschöpfung aus Bro und Kanzler meint er Karl Nehammer:

Mit seinem herzhaften „Bro“-Handschlag (man greife die Hand des Gegners, ziehe sie erst zu sich, dann ruckartig nach oben, umgreife sie und ziehe heftig hin und her) sorgte er auf dem europäischen Parkett mehrfach für Heiterkeit. So gerieten etwa Polens Donald Tusk und Wladimir Klitschko in den Genuss des herzhaften Faustziehens, wie es auch Samstagnacht beim Gang-Treffen auf dem Billa-Parkplatz zwischen Ternitz und Leonding nicht formschöner praktiziert wird. […] In diesem Sinne dürfen wir uns auf herzhafte Fistbumps im Wahlkampf freuen.

Wahlkampf – das ist das richtige Stichwort. Gerne greifen die Boulevardmedien heute eine Nehammersche Nebelgranate auf: Die sogenannten DNA-Tests. Und sie tun es mit der üblichen Gleichsetzung der Begriffe Asyl, Migration und Zuzug. Damit wird die Berichterstattung ebenso vage wie Nehammers Ansage. Die kleine Überschrift »Top-Europarechtler spricht Klartext zum Thema Asyl« der Krone wird gefolgt von der Titelschlagzeile: So lässt sich der Zuzug einbremsen.

Auf Seite 2 wird dann der aus Südtirol stammende Jurist Walter Obwexer zitiert, allerdings nur bruchstückhaft und in indirekter Rede, während der oberösterreichische Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) laut Krone eine »Ankündigung via Krone« macht: Wir müssen den ungezügelten Familiennachzug stoppen.

Noch obskurer schreibt Aaron Bürstle in der Kolumne Das sagt Österreich in der Zeitung Österreich unter dem Titel Politiker, macht klare Ansagen zur Integration (Der Beistrich steht dort so wie hier angegeben):

Das Asyl-Problem ist viel zu lange unter den Teppich gekehrt worden. Die FPÖ hetzte pauschal gegen Menschen mit Migrationshintergrund, die ÖVP kopierte diese Masche – andere schweigen.

Wer nun der Politiker, der klare Ansagen zur Integration macht, aus der Überschrift sein soll, wird nicht aufgelöst. Es wird auch niemand zitiert.

Keine Artikel finden sich in den Boulevardmedien zur Übergabe des Pilnacek-Laptops an die Kreutner-Kommission und die WKStA. Dafür treten renommierte Aufklärungsjournalisten nun offensichtlich in sozialen Medien auf, um die Untersuchung des Vorgehens der Kriminalpolizei ohne Rechtsgrundlage nach dem Tod Pilnaceks (wie es der Jurist Heinz Mayer festgestellt hat) und die Untersuchung von möglichen Korruptionsskandalen a priori zu verdammen und zu unterbinden. Solche Untersuchungen seien pietätlos, wie seltsamerweise zwei Chefredakteurinnen wortgleich meinen.

Nun, so ist es in Österreich: Skandale in Ministerien rufen die Aufdecker auf den Plan, es sei denn es geht dabei um die ÖVP. Dann lieber Nebelgranaten. Mach ma halt irgendwas über das »Asyl-Problem«, wird Gerald Fleischmann wohl gesagt haben. Es ist ja Wahlkampf.


Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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