Samstag, Dezember 14, 2024

Verteidigt den ORF

Solidarität mit den Kollegen vom ORF. Sie sind nur die ersten, die sich die Rechtsextremisten vorknöpfen.

Harald Vilimsky, im Volksmund „Champagner-Harry“, „Vielnimmsky“ oder „Kreml-Harald“ genannt, ist ein Mann ohne jeden Anstand, wie er unlängst wieder bewiesen hat, als er Bundespräsident Alexander van der Bellen als „Sugardaddy“ Lena Schillings bezeichnete. Und zwar, weil der meinte, auch er habe als junger Mensch Fehler gemacht. Da konnte Vilimsky natürlich nicht anders, als seinen dreckigen Sexualfantasien freien Lauf zu lassen.

Im Grunde ist es eine Zumutung für jeden Staatsbürger und jede Staatsbürgerin, überhaupt noch von einer moralisch so heruntergekommenen Person belästigt zu werden, indem man sie im Wahlkampf in alle Wohnzimmer überträgt.

Vilimskys Allüren

Zuletzt hat er sich einem seiner Lieblingshobbys gewidmet, der niederträchtigen Medienmanipulation.

Ein ORF-Kollege hat ihm die Frage gestellt, wie denn künftig mit der Spaltung der rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien im Europaparlament verfahren werden solle. Vilimsky hat dann vom Leder gezogen, nach empörter Heulsusenart gejammert, dass er als „Rechtsextremist“ bezeichnet würde, und sein Geplärre als Video online gestellt. Die Frage des Journalisten hat er natürlich weggeschnitten, weil sonst jeder gesehen hätte, dass der eine normale journalistische Frage gestellt hat.

Das nennt man ja üblicherweise Manipulation.

Dabei ist Vilimsky auch noch drohend auf den Kollegen zugegangen, weshalb dieser Schritt für Schritt zurückwich. Die ganze Szene wirkte ja eher wie ein Beweis dafür, dass Vilimsky ein Rechtsextremist ist, wenngleich es dafür natürlich keinen extra Beweis mehr bedurft hätte.

Ein weiterer Übergriff gegen die freien Medien, wie zuletzt am Keplerplatz, als FPÖ-Schlägertypen einen Puls-24-Kameramann attackierten.

Die Episode am Keplerplatz war aber immerhin der Aufregung des Augenblicks geschuldet, und außerdem war ja kein Spitzenpolitiker verwickelt. Das Drohvideo gegenüber dem ORF-Mann dagegen wirkt wie von langer Hand geplant. Eine Eskalation herbeiführen, mit dem Handy aufnehmen, und dann wesentliche Teile des Geschehens wegschneiden, damit es besser wirkt – das roch schon sehr nach gezielter Aktion. Angriffe auf den ORF sind mittlerweile eine Wahlkampfinszenierung der FPÖ.

Flagge zeigen

Wer immer sich Journalist nennen will, muss hier ohne wackeln und zaudern die Kollegen verteidigen. Wir werden uns sowieso darauf einstellen müssen, dass die Angriffe auf die Presse- und Meinungsfreiheit zunehmen werden. Da ist Zusammenhalt wichtig. Greift ihr einen von uns an, greift ihr uns alle an.

Es ist aber auch eine schwer zu leugnende Tatsache, dass Medien zugleich in wechselseitiger Konkurrenz zueinander stehen und das ist nicht unbedingt etwas, was Zusammenhalt stärkt. Man sieht gerne die anderen stolpern, weil dann kann man sich als die bessere, akkuratere, unabhängigere, mutigere oder was auch immer Redaktion darstellen. Manchmal führen auch Eitelkeiten zu öffentlichen Rempeleien zwischen Journalisten. Manche Redakteure nerven wirklich, auch das kommt vor. Und außerdem ist es an sich ja für den Meinungspluralismus eine phantastische Sache, wenn gut argumentierende Kolumnisten, Kommentatoren oder Rechercheure die Klingen kreuzen, wenn sie Sachverhalte unterschiedlich beurteilen oder aus ihren Wertehaltungen heraus einen gepflegten Meinungsstreit kultivieren. Die besten Autorinnen und Autoren sind ja bekanntlich große Individualisten, auch das ist nicht gerade ein Wesensmerkmal, das Gruppensolidaritäten erleichtert. Der Kampf um Aufmerksamkeit und vor allem auch um Klicks und um den schwindenden Werbemarkt hat in den vergangenen Jahren weiters dazu geführt, dass die klassischen Zeitungsverlagshäuser (die wissen, dass auch ihre Zukunft entweder im Onlinemarkt, Staatshilfe oder in der Insolvenz liegt), den öffentlich-rechtlichen ORF als ihren Gegner ansehen und statt Solidarität mit Kollegen zu zeigen gerne auch prinzipienlose Bündnisse mit den Medienfreiheits-Feinden eingehen. Dabei scheinen sie von der sehr fragwürdigen Prämisse auszugehen, dass es ihnen wirtschaftlich besser ginge, wenn es dem ORF schlechter geht, und dass die Nutzer dann mit Freude die bescheidenen Angebote ihrer Medien konsumieren werden, wenn nur die Angebote des ORF bescheidener werden.

Wer solchen absurden Prämissen folgt, der sollte vielleicht die Schuld an den eigenen ökonomischen Krisenlagen nicht primär bei anderen suchen.

Es gibt eine ganz einfache Maxime, die sich bitte alle hinter die Ohren schreiben sollen: Anschläge auf die Demokratie und Pressefreiheit, Einschüchterung von Kolleginnen und Kollegen, Meinungsmanipulation und Kampagnen gegen Journalisten verlangen nach Geschlossenheit und Solidarität. Wer hier wackelt, der soll sich auch nicht Journalist nennen.

Wie Medienfreiheit zerstört wird

Die Erfahrung aus Ländern, die rechtsextreme Machtübernahmen hinter sich haben, zeigen ja auch: Es beginnt mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Er soll an die Kandare genommen werden, als Verlautbarungsorgan der autoritären Herrschaften, und außerdem soll er wenn schon nicht zerschlagen, dann bedeutungslos gemacht werden – damit jene „privaten“ Medienmacher, die nichts anderes als Speichellecker der Autokraten sind, ein größerer Kuchen vom Markt zugeschanzt werden kann. Danach sind die privaten Medien dran, die Zeitungsverlage, die unabhängigen Magazine. Denen schnürt man nach und nach die Luft zum Atmen ab, bis sie soweit fertig gemacht sind, dass sie Freunderln der Autokraten mit dem Griff in die Portokasse aufkaufen können. Als nächsten stehen die Institutionen der pluralistisch-liberalen Demokratie auf der Liste, etwa die Verfassungsrichter, die manchmal störrisch die Grundrechte beschirmen – weshalb man sie dann absägt.

Klar, mitunter fällt es schwer, den ORF zu verteidigen, weil man sich wünschen würde, er würde manches besser machen. Gerade deshalb, weil das Prinzip des Öffentlich-Rechtlichen schon an so vielen Stellen ausgehöhlt wurde, gilt es aber erst recht, es mit Verve zu verteidigen: Als Medium, das keinen Kommerzinteressen gehorcht, das den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam gehört und dem möglichst eine Struktur zu geben wäre, das es unabhängig vom Einfluss der Politik macht. Als Medium, das die Vielfältigkeit der Kultur und den Mut zum Risiko pflegt, von der packenden Serie bis zur Avantgarde. So wie der ORF in seinen besten Jahren war, vom Mundl über die Arbeitersaga bis zum Club 2.

Ein Stiftungsrat, in dem ein Mann wie Peter Westenthaler sitzen kann, ist ganz offenbar ein falsch aufgesetztes Gremium. Völlig unverständlich, warum jemand, der beinahe täglich gegen den Geist des Gesellschaftsrechts verstößt, nicht sofort abberufen wird. In Konzernen kann ein Aufsichtsrat auch nicht dauernd geschäftsschädigendes Verhalten an den Tag legen, da würde er schnell vor Gericht landen. Warum das beim ORF anders sein soll, ist völlig absurd.


Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Robert Misik

    Robert Misik ist einer der schärfsten Beobachter einer Politik, die nach links schimpft und nach rechts abrutscht.

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