Donnerstag, Juni 27, 2024

BMI-Chats belasten Anti-Gewessler-Gutachter: „Obwexer eintakten“

Gestern in der ZiB-Spezial versuchte Europarechtler Walter Obwexer den Angriff der ÖVP auf Umweltministerin Leonore Gewessler juristisch zu untermauern. Verfassungsrechts-Experte Heinz Mayer wies ihn sachlich zurecht. Chats zeigen jetzt, wie die ÖVP schon vor Jahren Obwexer für ihre Zwecke „eintaktete“.

Im Jänner 2016 hatte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ein Problem. Ihre Partei hatte mit der Ankündigung von Asyl-Obergrenzen über Österreich hinaus Streit ausgelöst.  Am 20. Jänner 2016 hatte die Ministerin Bundeskanzler Werner Faymann beim „Asylgipfel“ noch nicht von Obergrenzen überzeugen können. Jetzt sollte der Innsbrucker Europarechts-Professor Walter Obwexer der Ministerin und ihrer ÖVP mit einem passenden Gutachten helfen.

In Die Zeit vom 22. Jänner 2016 beschrieb Obwexer, wohin es gehen sollte: „Es wird ein Bündel von Vorhaben geben. Welche das dann tatsächlich sein werden, wissen weder der deutsche Außenminister noch die österreichische Bundesregierung. Denn das hängt noch von der rechtlichen Analyse des Verfassungsrechtlers Bernd-Christian Funk und mir ab. Österreich wird aber eine ganze Reihe von restriktiven Maßnahmen im Asylrecht setzen, darunter auch die raschere und konsequentere Ausweisung von Personen, die keinen Asylstatus erhalten haben.“

Die Zeit fragte nach: „Weiß die österreichische Bundesregierung, wie sie die Obergrenze umsetzen möchte?“ Obwexer erklärte, was von ihm erwartet wurde: „Ja, es ist nicht so, dass die Regierung keine konkreten Vorstellungen hat, was sie tun will. Sie hat konkrete Maßnahmen im Auge, wartet aber darauf, was rechtlich geht und was nicht.“

Die Zeit fragte weiter: „Wie lautet der Auftrag des Innenministeriums an Sie?“ Obwexer antwortete: „Ich soll aus völker- und unionsrechtlicher Sicht prüfen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um sicherzustellen, dass am Jahresende Österreich nicht mehr als 37.500 Schutzsuchende aufgenommen und im Prüfverfahren hat.“

JF in der Bupa

Die heikelste Frage scheint zu diesem Zeitpunkt noch offen gewesen zu sein. Am 29. Jänner 2016 bereitete Gernot Maier als „Direktor Politik und Strategie“ der „Bupa“, der Bundespartei ÖVP, gerade das „Partei-JF“, das Jour Fixe als regelmäßiges Treffen der ÖVP-Spitzen, vor.

Dazu meldete er sich bei Johanna Mikl-Leitner Kabinettschef Michael Kloibmüller im Innenministerium: „Lieber Michael, habe fürs Partei-JF am 8.2. den Obwexer eingetaktet. Thema: Obergrenze. Habe ich zwar mit ihm vorbesprochen, wäre aber wichtig wenn ihr das noch verstärkt: er muss klar sagen, dass Obergrenze geht, und wie das funktionieren könnte… Danke!“ Kloibmüller antwortete sofort: „Gernot, bitte rede du mit ihm!“

Auf ZackZack-Nachfrage kann sich Obwexer erinnern: „Ich habe nach Erstellung des Gutachtens dieses in einer Sitzung der ÖVP vorgestellt; ob es am 8.2.2016 war, kann ich derzeit nicht überprüfen. Ich habe den anwesenden Personen das Gutachten erläutert.“ Es scheint allerdings unwahrscheinlich, dass das Gutachten, das erst am 29. März 2016 fertiggestellt war, schon am 8. Februar 2016 vorgestellt werden konnte.

Hat also Obwexer beim Jour Fixe der ÖVP Wünsche und Anregungen gesammelt und dann das Gutachten erstellt? Einen Monat später meldete die Tiroler Tageszeitung den Gutachter-Erfolg der ÖVP: „Asyl: Gutachter Obwexer und Funk bestätigen Regierungslinie“. Mit Obwexer “ging” die Obergrenze – wie es sich die ÖVP beim Jour Fixe gewünscht hatte.

Gemeinsam mit dem Verfassungsrechtler Bernd Christian Funk lieferte Obwexer die erhoffte juristische Rechtfertigung. Eine verbindliche Obergrenze in absoluten Zahlen sei zwar verboten – aber könne durch die Hintertür der „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ und des „Schutzes der inneren Sicherheit“ erreicht werden. Obwexer und Funk rieten auf Seite 43: „So könnte Österreich täglich oder monatlich nur noch eine bestimmte Anzahl an Anträgen auf internationalen Schutz zur Prüfung zulassen. Diese Anzahl wäre so zu legen, dass am Jahresende der festgelegte Richtwert („Obergrenze“) eingehalten wird.“

Schnelle Notverordnung

Der nächste Schritt im ÖVP-Plan hieß „Notverordnung“. Obwexer stellt gegenüber ZackZack klar: „Ich habe zum Zeitpunkt der Erlassung der Notverordnung keine Auskünfte erteilt und auch keine Empfehlung abgegeben.“

Am 30. August 2016 berichtete BMI-Kabinettsmitarbeiterin Franziska Kandolf allerdings ihrem Kabinettschef Kloibmüller: „Du, hab gestern kurz mit obwexer geredet, ich sag das dir, bitte entscheide du, ob du es HBM sagst, bzw vermutlich eh alter hut: er sagt Notverordnung so schnell wie möglich beschließen u anwenden, alle, die wir nicht direkt an der Grenze zurückweisen können, bekommen wir seiner Meinung nach nicht retour, wenn sie Asyl sagen, sprich die müssten wir in die Obergrenze mit einrechnen. Deshalb früh anfangen! Aber du weißt das sicher sowieso!“

„Es hilft der Partei“

BMI-Chats belegen, wie die ÖVP mit Asylobergrenzen Anfang 2017 politisch weiter spielte. ZackZack berichtete über den Mailverkehr im Kabinett von Innenminister Wolfgang Sobotka. Kabinettsmitarbeiterin Kandolf schrieb am 11. Jänner 2017 an Kabinettschef Kloibmüller: „Hi, ihr wollt die Obergrenze herabsetzen? Das killt uns!“ Kloibmüller: „Ja wird so werden. Wird a gaudi.“

Kandolf: „Warum? Das ist nur zum Nachteil von hbm.“ Die Beamtin befürchtete, dass die Forderung hbm, also Herrn Bundesminister Sobotka, politisch beschädigen würde. Doch Sobotka stellte sich bereits damals in den Dienst der Sache – die Sprengung der Koalition und die Machtergreifung durch Sebastian Kurz. Kloibmüller schloß: „Aber es hilft der Partei.


Titelbild: Screenshot ZIB

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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