Dienstag, Juli 2, 2024

“Operation Doktor”? Egisto Ott will 2017 in offiziellem Auftrag spioniert haben

Egisto Ott wurde enthaftet, die schweren Vorwürfe bleiben. Der Ex-BVT-Beamte nahm gegenüber ZackZack Stellung: Zu vielem entschlägt er sich, an anderer Stelle macht er bemerkenswerte, neue Äußerungen. Eine angebliche “Operation Doktor” im Jahr 2017 beschäftigt nun auch die Staatsanwaltschaft.

Nicht nur Ermittler, Staatsanwaltschaft und recherchierende Medien waren von Egisto Otts plötzlicher Freilassung am Mittwoch verblüfft, auch er selbst war es. “Es war für mich überraschend, ich habe eigentlich noch nicht damit gerechnet”, sagte der mutmaßliche Spion im Gespräch mit ZackZack am Donnerstag.

Das Oberlandesgericht Wien hatte Otts Beschwerde gegen die fortgesetzte U-Haft – sie war eigentlich vom Erstgericht bis August verlängert worden – stattgegeben. Die Oberbehörde sah hinsichtlich mehrerer Vorwürfe keinen dringenden Tatverdacht mehr, ZackZack berichtete. Das OLG argumentiert, dass Ott seit seiner erstmaligen Enthaftung im Februar 2021 keine Straftaten mehr begangen habe.

Die Entscheidung spricht Ott aber keineswegs frei. In mehreren Punkten ist der 62-Jährige auch für das OLG nach wie vor dringend tatverdächtig, manche Vorgänge nach 2021 bleiben höchst fragwürdig. Im Zuge des ZackZack-Gesprächs wurde Ott mit den Vorwürfen konfrontiert. Zu vielen, für ihn unangenehmen Fakten entschlug er sich; an anderer Stelle machte er bemerkenswerte, neue Äußerungen – etwa zu einer angeblichen “Operation Doktor”.

“Operation Doktor”

Zur Erinnerung: Ein zentraler Vorwurf gegen den ehemaligen BVT-Beamten betrifft hunderte Abfragen in polizeiinternen Datenbanken. Diese soll Ott ab 2017 ohne dienstlichen Bezug getätigt haben. Viele davon seien explizit im Auftrag von Jan Marsalek und Martin Weiss entstanden und wären am Ende dem russischen Geheimdienst FSB zugetragen worden.

Eine besonders wichtige Rolle nimmt hier der Fall des ehemaligen FSB-Agenten Dmitry Senin ein. Der frühere russische Oberst setzte sich Anfang 2017 über Georgien nach Europa ab und erhielt in Montenegro später politisches Asyl. Russland fahndete nach Senin und beantragte wegen eines angeblichen Strafverfahrens auch seine Auslieferung, Montenegro kam dem Ansinnen aber nicht nach. Ab spätestens Juli 2017 soll Ott über Monate hinweg intensiv Polizei-Datenbanken zu Spuren nach Senin durchforstet haben, teilweise kontaktierte er dafür auch Kollegen beim Bundeskriminalamt und dem LVT Wien.

Zum Fall Senin präsentiert Egisto Ott nun eine neue Erklärung. “Alles was zum Fall Senin abgefragt wurde, steht im Zusammenhang mit einer dienstlichen Kooperation, zu der ich beauftragt worden bin. Der Name der Kooperation war die “Operation Doktor”, behauptet Ott im ZackZack-Gespräch. Zum angesprochenen Fall hätte es im BVT auch entsprechende Akten gegeben.

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Teil 2 des Interviews mit Egisto Ott nach seiner Enthaftung.

Die Staatsanwaltschaft Wien nimmt die neuen Aussagen Otts zur Operation “Doktor” auch ernst: In einem ZackZack vorliegenden E-Mail forderte der fallführende Staatsanwalt die Ermittler der AG Fama am 10. Juni 2024 dazu auf, der “erstmaligen Einlassung” Otts zur “Operation Doktor” nachzugehen. Es solle ermittelt werden, ob es die Operation gab, um welche Inhalte es sich dabei handelte und welche Mitarbeiter hier tätig gewesen wären. Zuvor hatte auch Otts Verteidiger in einem Beweisantrag die “Beischaffung sämtlicher in Bezug stehenden Akten und Aktenvorgänge zum Fall mit dem Codenamen „Doktor“” verlangt.

E-Mail des fallführenden Staatsanwaltes an die Ermittler

Der Fall Grozev

Ein anderer, besonders verstörender Vorwurf betrifft Otts Handlungen im Zusammenhang mit dem Journalisten Christo Grozev. Der Bulgare arbeitete jahrelang für die Investigativplattform “Bellingcat” und veröffentlichte dort eine Vielzahl brisanter, Kreml-kritischer Recherchen. Grozev lebte lange in Wien, wechselte aber mittlerweile seinen Wohnsitz in die USA, weil er sich in Österreich nicht mehr sicher fühlt.

Am 15. Dezember 2020 fragte der Ex-BVT-Abteilungsleiter und Marsalek-Intimus Martin Weiss bei Ott nach, ob er zu Grozev eine Meldeanfrage in Österreich machen könne. Eine entsprechende Anfrage wurde von Ott dann tatsächlich im März 2021 am Meldeamt in Kärnten durchgeführt. Im Sommer 2022 kam es dann an der abgefragten Adresse zu einem Einbruch – offenbar begangen von einem Spionage-Team, das von Jan Marsalek orchestriert wurde. Eine Vielzahl von Chats belegt, dass sich Marsalek mit dem Kopf der ausführenden, mutmaßlichen Spionage-Gruppe über den Einbruch austauschte. Außerdem wurde in den Chats die Wiener Wohnung von Otts Schwiegersohn als Übergabeort für sogenannte “SINA-Laptops” genannt.

Hier bleibt Ott Antworten schuldig. Warum ihn Martin Weiss für die Abfrage beauftragte und wie er sich erklärt, dass die Wohnung seines Schwiegersohnes in Wien offenbar für Übergaben an Marslakes Spionage-Team genutzt wurden, dazu möchte sich Ott derzeit nicht äußern. Ott betont bloß, dass seine Abfrage am Kärntner Meldeamt legal gewesen sei. Außerdem will er für die Auskunft bezahlt haben und auch keine Dienstmarke hergezeigt haben. In diesem Punkt erhielt Ott vom OLG sogar Rückenwind: “Dass zu Grozev eine Meldesperre vorlag, ist dem Akt nicht zu entnehmen, sondern derzeit nur Spekulation, sodass von allgemein zugänglichen Daten auszugehen ist. Ein Schädigungsvorsatz in Bezug auf Gebühren von EU 3,30 ist im Übrigen nicht anzunehmen.”

Die Ermittlungen gegen Ott gehen weiter. Es geht um die Vorwürfe des Amtsmissbrauchs, geheimen Nachrichtendiensts zum Nachteil Österreichs, Verletzung des Amtsgeheimnisses und weitere Delikte. Jan Marsalek und Martin Weiss bleiben indessen flüchtig. Eine Fluchtgefahr nimmt das Gericht bei Ott offensichtlich nicht an. Gegenüber ZackZack sagte er zuletzt, dass er weiterhin im Besitz seines Reisepasses sei. Technisch sei er also in der Lage, das Land zu verlassen, will sich aber nur in Kärnten aufhalten und für die Behörden greifbar bleiben.

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