Freitag, September 13, 2024

Die Zeit der Narren

Die US-Demokraten lachen Donald Trump als „weird“ aus, als seltsamen Gestörten. Womöglich sollte man das mit Herbert Kickl auch machen.

Neuerdings warnen die amerikanischen Demokraten nicht mehr nur vor einer Präsidentschaft Donald Trumps – sie lachen ihn vielmehr aus. Trump sei „weird“, was soviel heißt wie „seltsam“, „eigenartig“, mit Beiklängen von „komisch“, „schrullig“ und „ein bisschen gestört“. Eingeführt hat diese Etikettierung Tim Walz, der Gouverneur von Minnesota und nunmehrige Vize-Präsidentschaftskandidat. Jetzt trommeln es die Demokraten und die Kamala-Harris-Kampagne rauf und runter. Weil es wirkt, weil es das Offensichtliche anspricht, weil es die schwächste Stelle von Trump und seinen Leuten trifft. Und weil ein autoritärer Egoman wie Donald Trump es so liebt, gefürchtet zu werden; weil er es genießt, wenn seine Provokationen die Gegner erregen und den Nachrichten-Zyklus beherrschen – und weil er im Gegenzug nichts mehr hasst, als wenn ihn alle Welt als schrulligen Mr. Komisch verlacht. Er ist dagegen hilflos: Sobald du nämlich wie ein Rumpelstilzchen schreist: „Ich bin nicht weird“, bist du es erst recht.

Seltsamer geht nicht als ein Mann mit orangenen Haaren, der wütend herumhüpft und schreit: „Ich bin nicht seltsam!“

„Weird“ ist, wie die „Welt“ schon schrieb, „das Wort, das Donald Trump zerstören soll.“

Seltsame Sonderlinge

Vielleicht sollten wir auch über Kickl und seine Faschingsgilde viel mehr lachen. Comical Herbert, der seltsame Sonderling, der nur zwei Tonlagen kennt – schreien und passiv-aggressiv jammern – ist schließlich die personifizierte Schrulligkeit. Eine ebenso lustige wie charakteristische Episode ist der Dialog, der sich zu Beginn der Politikkarriere des Griesgrams zutrug:

Kickl hat sich als Kofferträger Jörg Haiders beworben, durfte dann in der FPÖ-Akademie mittun. Dort fragte ihn ein Kampfgefährte nach einiger Zeit, verwirrt vom sonderbaren Charakter des Kollegen: „Wenn du hier niemanden magst, was machst du dann hier?“

Kickl, der Mann „der niemanden mag“ – diese Episode hat mich aufhorchen lassen, weil sie die Person so gut trifft. Ein seltsamer Sonderling, misstrauisch, der dauernd verrückte Reden schwingt. Als er kurz mal Minister war, hat er gleich das Haus in Brand gesteckt und nur mehr rauchende Trümmer hinterlassen. Wenn er wie ein Brüllhamster im Bierzelt gerade einmal so die Nase über das Pult kriegt und aller Welt Beleidigungen an den Kopf wirft, voller Ressentiment, gekränkt von der Welt, die seine Grandiosität nicht erkennen will – ja, was denn sonst soll das sein als eine lachhafte Eigentümlerei eines verbitterten Sonderlings?

Eine Gaga-Mannschaft von Wirrköpfen

Eine eher spezielle Truppe sind auch die Schrullis, mit denen er sich umgibt. Unlängst hat die FPÖ ihre Bundesliste für die Nationalratswahlen präsentiert. Sie würde sich als Besetzungsliste eines Splatter-Horror-Schockers noch besser machen: Kickl gefolgt von Susanne Fürst, die dauernd komische Sachen im Fernsehen sagt, danach kommen der schräge Kautz Christian Hafenecker, dem das Maurerdekolleté aus der Hose quillt und dem man intuitiv einen Gürtel schenken möchte, die Fake-News-Märchentante Belakowitsch und Identitären-Verehrer Michael Schnedlitz. Und was gibt es denn sonst noch in der Führungsriege? Harry Vilimsky, der so gerne das freche Weibsvolk – oder wie er gerne sagt: „Hexen“ – „die Peitsche spüren“ lassen würde. Oder der mitleiderregende Schwurbler Gerald Hauser, der verrückte medizinische Thesen aufstellt und jetzt im EU-Parlament einsam seine Tage fristen muss und niemanden zum Reden hat, weil er Fremdsprachen noch schlechter beherrscht als Deutsch. Man stelle sich diese Huschihuschi-Truppe einen Augenblick auf einem Fleck vor. Seien wir uns ehrlich: Ein Betriebsausflug der FPÖ-Führungsriege wäre von einem betreuten Freigang einer Anstalt für Leute mit sehr besonderem Förderungsbedarf kaum zu unterscheiden.  

Jetzt mal von allen politischen und ideologischen Fragen abgesehen. Wer will denn von einer solchen Gaga-Mannschaft regiert werden? Da zuckt ja noch der aufgeganseltste und manipulierteste Wutbürger zurück und sagt sich: „Diese Wirrköpfe sind mir dann doch zu verrückt.“ Am Ende will man doch von einem Kanzler repräsentiert werden, der die Bürotüre ohne fremde Hilfe findet und besonnen ans Tagwerk geht.

Wie verfault ist eigentlich unsere Welt?

Von „Post-Truth“ – also von der Fakeschleuderei, die die Lüge als Wahrheit ausgibt –, hat man sich in eine Dynamik der „Post-Vernunft“ hineingeschraubt, was den ärgsten Freaks natürlich besonders entgegenkommt, und sie anzieht wie die Mücken das Licht in der Nacht.

Was sagt es eigentlich über unsere Zeit aus und über die „westliche Zivilisation“ und – was besonders weh tun könnte – über uns alle, dass solche Leute überhaupt in die Nähe relativer Mehrheiten bei Wahlen kommen? Dass sich die öffentlichen Diskussionen um die Themen drehen, die diese Kasperln setzen? Dass man auf sie starrt wie das Kaninchen auf die Schlange?

Diese irritierende Tatsache ist womöglich ein Symptom für eine sterbende Zivilisation, die noch im Fiebertraum der verwitterten Idee von ihrer Vorherrschaft gefangen ist, die mit der Realität nicht zurechtkommt, aber zugleich auch eine Ahnung von der Wirklichkeit hat, eine Ahnung, die man aggressiv verdrängen muss; verleugnen muss. Etwa: Dass wir nicht der Nabel der Welt sind. Etwa: Dass das nicht mehr lange aufrechtzuhalten ist, dass ein Leben „der unsrigen“ dreißig Mal so viel wert ist wie das Leben der Anderen. Etwa: dass das mit der „White Supremacy“ eher nix mehr ist, ganz offensichtlich übrigens, wenn die angeblich besonders fortgeschrittenen Gesellschaften dann „Führungsfiguren“ wie Trump oder Kickl hervorbringen. Etwa, dass die Vergangenheit nicht mehr zurückkommt, auch wenn wir schnell Festungsmauern um uns bauen, uns selbst einsperren und den Schlüssel im Klo runterspülen. Man sperrt sich dagegen, die Realität mit klaren Augen zu sehen, verleugnet das Offensichtliche. Der Preis dafür ist ein rasanter Prozess der unbewussten, aber mutwilligen Selbstverblödung, der die verfaulte Welt noch zusätzlich untergräbt.

Es ist ein Symptom, dass eine alte Welt stirbt und eine neue noch nicht geboren ist. „Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren. Es ist die Zeit der Monster“, meinte der Philosoph Antonio Gramsci.

Vielleicht ist es auch einfach die Zeit der Narren.

Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Robert Misik

    Robert Misik ist einer der schärfsten Beobachter einer Politik, die nach links schimpft und nach rechts abrutscht.

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

68 Kommentare

68 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Sicherheitsrisiko „Kickl“

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!