Montag, September 16, 2024

Taylor Swift-Terrorplot: Hintergründe zum Hauptverdächtigen

Der 19-jährige Terrorverdächtige aus Ternitz wuchs in einem scheinbar gut integrierten Elternhaus auf – und geriet dennoch in den Online-Wahn jihadistischer Terrornetzwerke. Er reiht sich dabei in ein verstörendes Muster ein.

Der wuchernde Kinnbart, die schwarze Haube, die bedrohlich lange Machete in den überkreuzten, aufgepumpten Armen – das vom Innenministerium veröffentlichte Foto des Hauptverdächtigen im Swift-Terrorplot ähnelt frappierend einem bereits bekannten Bild: jenem von Kujtim F., der am 2. November 2020 mordend durch die Wiener Innenstadt rannte. Bis hin zur fast identen, schwarzen Sportuhr am Handgelenk sieht es so aus, als ob der 19-jährige Beran A. dem Wien-Attentäter von 2020 nacheiferte.

A. wurde Mittwochfrüh im Haus seiner Eltern in Ternitz festgenommen, die großangelegte Hausdurchsuchung dauerte den ganzen Tag. Am Donnerstag gaben DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner und Franz Ruf, Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit, dann Erkenntnisse des Ermittlungsstandes bekannt. Demnach seien die Pläne des 19-Jährigen auf ein Wiener Konzert von Taylor Swift bereits fortgeschritten gewesen: Man habe Propagandamaterial und Chemikalien gefunden. Mit Macheten, Messern und möglicherweise Sprengstoff habe A. im Bereich außerhalb des Ernst-Happel-Stadions “Ungläubige” töten wollen, so die Statements der Behörden-Vertreter. Er sei angeblich “umfassend geständig.” Ein weitere 17-jähriger Verdächtiger wurde am Mittwoch ebenfalls festgenommen.

Die Pose des 19-jährigen Hauptverdächtigen A. ähnelt frappierend dem Wien-Attentäter von 2020.

Ein scheinbar behütetes Familienleben

ZackZack konnte Social Media-Profile des 19-jährigen Hauptverdächtigen aus Kindertagen, sowie seines familiären Umfeldes sichten, viele der Inhalte sind mittlerweile nicht mehr öffentlich abrufbar. Dabei zeigt sich das Bild eines scheinbar behüteten und integrierten Familienlebens, das äußerlich nicht den Eindruck einer abgeschotteten Parallelgesellschaft erkennen lässt.

Die Familie von A. stammt aus dem nordmazedonischen Gostivar, der Vater dürfte der albanischen Minderheit angehören. Bereits hier zeigt sich eine ähnliche Biografie wie beim Attentäter von Wien, dessen Familie ebenfalls aus dem nordwestlichen, albanisch-geprägten Teil Nordmazedoniens stammte und als wenig religiös galt. Geboren ist der Verdächtige wie Kujtim F. in Österreich, er besitzt auch die Staatsbürgerschaft.

Postings der Familie lassen auf ein durchaus reges Interesse an “typisch österreichischen” Aktivitäten schließen: Auf einem Foto aus 2017 ist A. mit Vater und Schwester im Bubenalter bei einem Besuch des österreichischen Parlaments zu sehen. Andere Fotos aus den 2010er Jahren zeigen die Familie bei Ausflügen zum Neusiedler See, auf den Cobenzl, in die Berge oder beim Besuch des Raimundtheaters. Am 3. November 2020, einen Tag nach dem Wien-Attentat, postete A.s Mutter in einem Facebook-Beitrag demonstrativ eine Österreichfahne.

Stolz zeigte man sich auch nach dem Umzug nach Ternitz 2019 und teilte Bilder des neu erworbenen Reihenhauses. In der niederösterreichischen Kleinstadt sollen sowohl der Vater als auch Sohn bei einem örtlichen Stahlwerk gearbeitet haben. Die Beobachtungen einer integrieren Familie decken sich mit Schilderungen von Anrainern gegenüber anderen Medien.

Männlichkeitseifer trifft “Sekte mit krankhaften Gewaltfantasien”

“Es ist allgemein bekannt, dass es ab der Pubertät bei jungen Menschen zu einer Suche nach einem ‘erweiterten Ich’ und einer Loslösung vom Elternhaus kommt”, sagt Moussa Al-Hassan Diaw vom Verein Derad, der radikalisierte Personen in- und außerhalb von Gefängnissen begleitet. “Männliche Jugendliche sind in der Phase oft von Stärke und Kraft fasziniert.” Extremistische Ideologien strahlen diese Werte vermeintlich aus, Stück für Stück könne man so, vor allem angetrieben über das Internet, in “sektenhaften Strukturen mit krankhaften Gewaltfantasien” abdriften, die der Jihadismus verkörpert. Das Elternhaus habe dann längst nicht mehr genügend Einfluss, müsste auf Warnsignale – wie äußerliche Veränderungen – aber unbedingt reagieren.

So tippt auch Diaw darauf, dass der Wien-Attentäter von 2020 dem nun Hauptverdächtigen als Vorbild gewirkt haben könnte: “Vieles ist derzeit noch Spekulation, aber es wirkt so, als ob er ihm nacheiferte – trainieren ging, sich vielleicht auch mit Präparaten aufspritzte und dessen Posen nacheiferte”, sagt er zu ZackZack. Bei anderen jüngeren Klienten – der Verein betreut mit Stand 2023 etwa hundert Personen – habe man Ähnliches bemerkt.

Weiterer Verdächtiger festgenommen

Wie heute bekannt wurde, ist in Wien noch ein weiterer 18-Jähriger festgenommen worden, der mit dem 19-Jährigen in Kontakt stand und ebenfalls radikalisiert sein soll. Während die Ermittlungen auf Hochtouren laufen, ist der Swift-Terrorplot bereits im Wahlkampf Thema. Besonders die FPÖ trommelt und gibt einer “schwarz-rot-grün-pinken Einheitspartei” die Schuld an radikalisierten Jugendlichen. Mit Blick auf die beschriebene Sozialisierung von Beran A. greifen die einfachen Parolen zu kurz: Zur Zeit, als A.s Eltern in Österreich ihre Familie gründeten, war gerade Schwarz-Blau im Amt; und Wien-Attentäter Kujtim F. radikalisierte sich während Herbert Kickls Zeit als Innenminister.


Titelbild: ALEX HALADA / APA / picturedesk.com

Autor

  • Thomas Hoisl

    Ist seit April 2024 bei ZackZack. Arbeitete zuvor u.a. für "profil". Widmet sich oft Sicherheitsthemen oder Korruptionsfällen.

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