Wahlkampf kann nicht billig genug sein, um nicht auch Terrorismus dafür nutzen zu wollen. Österreichs Partein überbieten einander darin, Konzertabsagen populistisch zu nutzen.
Schon am Freitag schreib Robert Treichler im profil den Leitartikel mit dem Titel »Wir sind und bleiben Taylor Swift!« Dazu muss ich sagen: Ich war nie Taylor Swift, bin ich es nicht und kann es daher auch nicht bleiben. Ich kenne keinen einzigen Song von ihr. Muss ich? Für mich repräsentiert sie, wie viele andere, eine Pop-Industrie, die mit milliardenschwerer PR, Managern und Rechtsanwälten der Welt die Sicht auf das tatsächlich Musik-Schaffen verstellt. Und ich bejuble sie auch nicht als Person, die Trump in den USA verhindern kann. Trump verhindern kann nur logisches Denken und Verstand.
Doch zurück zu Treichlers Artikel, der sehr gut die Trittbrettfahrerei herausarbeitet, die sich in den Parteien sofort eingestellt hat:
Wie jeder (vereitelte) Terroranschlag bekommt auch dieser unweigerlich eine politische Bedeutung. FPÖ-Chef Herbert Kickl schreibt auf der Plattform Instagram: „Während weltweit problemlos Konzerte stattfinden können, ist es in Österreich offenbar nicht mehr möglich, dass musikbegeisterte Menschen ihre Idole live im Stadion erleben können.“ Kickl macht dafür die Migrationspolitik verantwortlich. Beran A., einer der mutmaßlichen Täter, ist der in Österreich geborene Sohn aus Nordmazedonien eingewanderter Eltern. Solche Interpretationen sind wenig hilfreich. Tatsächlich ist das geplante Verbrechen von Wien keine österreichische Besonderheit. Der Terrorismus-Experte Peter R. Neumann zählt seit Oktober 2023 in Westeuropa „sechs Anschläge und insgesamt 21 Fälle von dschihadistisch motivierten Anschlagsplanungen“. Der IS hat seit dem Hamas-Terrorangriff auf Israel vom 7. Oktober 2023 seine Aktivitäten im Westen wieder intensiviert.
Was mir hier fehlt, ist der Hinweis darauf, dass österreichische Waffenhersteller seit vielen Jahren Waffen an Staaten liefern, die den IS damit ausrüsten. Darunter sind auch Betriebe, die die FPÖ finanziell unterstützen. Das bleibt leider immer ungesagt. So könnte man den Terror doppelt nutzen: Einmal als lukrative Einnahmequelle bei Waffengeschäften, ein zweites Mal als Wahlkampfmunition.
Ruf nach nationalem Aktionsplan
Auch Landesorganisationen der SPÖ haben sich dazu zu Wort gemeldet. Laut ORF.at nach dem Niederösterreichischen Parteivorsitzenden Hergovich auch der burgenländische Klubobmann Fürst, der einen nationalen Aktionsplan gegen Islamismus fordert.
„Wir brauchen einen nationalen Aktionsplan, eine effektive Strategie, um den gewalttätigen Islamismus bereits bei der Wurzel zu bekämpfen“, so der rote Klubobmann Roland Fürst am Sonntag in einer Aussendung. „Dazu bedarf es sehr strenger Strafen und neuer strafrechtlicher Tatbestände analog zum Verbotsgesetz, sowie mehr Möglichkeiten für die Sicherheitsbehörden, um diese Szene nachhaltig zu zerschlagen“, sagte Fürst außerdem. Zwar gebe es einige strafrechtliche Anknüpfungspunkte, die aber bei weitem nicht alle Dynamiken berücksichtigen, wo sich junge Menschen in Österreich radikalisieren. „Wir müssen uns überlegen, wie wir im Strafrecht so strenge Strafen in Aussicht stellen, dass sie eine abschreckende Wirkung haben, ähnlich wie das Verbotsgesetz bei der rechtsextremen Szene. Auch Hasspredigern in der realen und virtuellen Welt muss das Handwerk gelegt werden und mehr und bessere Präventionsarbeit ermöglichen.“
Kein Verständnis für diesen Vorstoß hat der burgenländische ÖVP-Chef Christian Sagartz, der fordert, dass sich Österreich von der Abhängigkeit von ausländischen Geheimdiensten löst. Nun, ob sich das derzeitige Innenministerium unter ÖVP-Führung so schnell vom russischen Geheimdienst lösen können wird, bleibt abzuwarten. In der gegenwärtigen Causa sollte man »ausländischen Geheimdiensten« – wie Sagartz laut ORF.at wortwörtlich sagte – wohl eher dankbar sein.
Parteipolitik statt Sicherheitspolitik
Und auch die ÖVP macht wieder Werbung für mehr Überwachung. Anlassbezogen. Die Messengerüberwachung soll kommen. Dass es noch nicht so weit ist, daran ist laut ÖVP die von der ÖVP geführte Regierung schuld. Katharina Mittelstaedt in Der Standard:
Das Thema ist nicht neu, die ÖVP stellt diese Forderung seit vielen Jahren, sobald sich die Gelegenheit bietet. Auch im aktuellen Fall hatten Informationen ausländischer Dienste mit mehr Befugnissen dazu geführt, dass die Anschlagsplanungen aufflogen. Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) attackierte die Grünen direkt: Justizministerin Alma Zadić würde eine Reform blockieren, durch die eine „eklatante“ Sicherheitslücke geschlossen werden könne. Das ließen die Grünen freilich nicht lange auf sich sitzen: Für mehr Befugnisse für den Verfassungsschutz sei die Partei durchaus offen. Bisher gebe es aber keinen Vorschlag des Koalitionspartners, ließen sie per Aussendung wissen.
Bei allem Muskelspiel wird vergessen hinzuzufügen, dass die entscheidenden Hinweise zum geplanten Anschlag von nicht-österreichischen Geheimdiensten kamen und dass die Entscheidung für die Konzertabsagen nicht von österreichischen Behörden, sondern vom Veranstalter kamen.
Es wäre ratsam, Sicherheitspolitik nicht als Parteiwerbung zu betreiben, sondern überparteilichen Konsens zu suchen und diesen auf breiter Basis zu leben. Die Art, wie ein geplanter Terroranschlag von österreichischen Parteien für den Wahlkampf genutzt wird ist abgrundtief lächerlich. Es zeigt auch, wie wenig ernst die letzten Innenminister der FPÖ und ÖVP, die mehr an der parteipolitischen Besetzung ihres Ministeriums interessiert sind, dieses Thema nehmen.
Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com