Montag, September 16, 2024

Wir lieben unsere Ausbeuter

Im Wahlkampf sollte man Medien mehrheitlich meiden. Zumindest in Österreich. Die »Berichterstattung« langweilt mit der ständigen Abfolge von ÖVP- und FPÖ-Werbung einerseits und SPÖ- und Babler-Bashing andererseits. Der Grund dafür ist einfach: Geld.

Das Rätsel wird wohl nie gelöst werden: Schreibt die Kronen Zeitung etwas, weil es die Menschen in Österreich lesen wollen, oder wollen die Menschen in Österreich etwas lesen, weil es die Kronen Zeitung schreibt? Es ist auch heute schwer festzustellen. Hätten wir eine Medienlandschaft, die wirklich ein Landschaft ist, also heterogen und vielfältig, dann gäbe es für die Lesenden die Möglichkeit einer Auswahl. Doch in diesem Wahlkampf muss man einmal mehr feststellen, dass die Medienlandschaft in Österreich in Wahrheit ein Tümpel ist.

Österreichs Medienbetreiber stehen bei der Regierung Schlange und betteln um immer höhere Förderungen und Regierungsinserate. Dafür sind sie bereit, gefällige Artikel zu schreiben oder die Artikel überhaupt von den Parteizentralen oder ihren Leute in den Sektionen der Ministerien schreiben zu lassen und einfach abzudrucken. Ob ein Wahlkampf überhaupt demokratisch sein kann, wenn es so zugeht, ist eine berechtigte Frage.

Christoph Dichand ist das Volk

Ich habe in diesen Tagen österreichische Medien weitgehend gemieden und nur die Kulturteile gelesen, wenn es welche gibt. Es gibt wohl auch kein Medium, das mein Wahlverhalten zu beeinflussen imstande ist. Die tägliche Unterforderung durch Österreichs große Medien, ihr unkritischer ÖVP- und FPÖ-Wahlkampf und ihr ständiges SPÖ- und Babler-Bashing, muss jeden Menschen mit Hirn abstoßen – selbst wenn er gar nicht SPÖ wählt. Längst sind die Medien (wie Österreichs aufgeblähter Markt an staatlich geförderten Möbelhäusern) nicht mehr für die Menschen da, sondern für ihre Financiers und für sich selbst.

Die Kronen Zeitung geht so weit, eine angebliche Umfrage zu veröffentlichen, die beweisen soll: Die Mehrheit der Menschen in Österreich ist gegen Vermögenssteuern. Die Anmaßung, sich als Stimme des Volkes auszugeben, bedingt auch die demokratiefeindliche Haltung, das Volk selbst sprechen zu lassen. Wir wissen also jetzt: Christoph Dichand ist gegen Vermögenssteuern. Ein Milliardär, der nur Milliardär ist, weil er Milliarden geerbt hat, hat für diesen Staat, dessen Volk er angebliche seine Stimme gibt, kein Geld übrig. Steuern zahlen sollen andere. Wir kommen zum Schluss: Christoph Dichand ist das Volk.

Milliardenförderung von Milliardären

Nun gibt es zwei Parteien, die schon im Wahlkampf angekündigt haben, die Milliardenförderung von Milliardären weiterzuführen und damit das Finanzdesaster Österreichs – Teuerung und Inflation weit über dem Niveau in der Euro-Zone und steigende Arbeitslosigkeit – weiter zu befeuern statt zu bekämpfen: Die ÖVP und die FPÖ. Die Grünen, die fünf Jahre lang diese Politik der ÖVP mitgetragen und auch Steuererleichterungen und Förderungen für Reiche mitbeschlossen haben, schweigen darüber lieber. Zu all ihren Maßnahmen, wie sie im Wahlkampf euphemistisch heißen, hat die ÖVP auch keine Modelle für eine Gegenfinanzierung. Fiskalratschef Christoph Badelt – wohl kein Sozialdemokrat – sagte jüngst in einem Interview in der ZiB2, dass die SPÖ am konkretesten bei der Gegenfinanzierung sei.

Ich glaube aber, dass – so wie die Medien heute bei uns der Politik untergeordnet sind – auch die präziseste Analyse dieser Umstände so lange nichts in Österreich verändert, als sich die, die hier tagtäglich um ihr Geld gebracht werden (und das sind die wirklich Steuerzahlenden, die keine Zeitung besitzen), nicht aufstehen und die Verräter des österreichischen Staates bei Wahlen leer ausgehen lassen: Die ÖVP und die FPÖ.

Kickls Nebeneinkünfte

Diese Parteien werden nicht nur die Reichenförderung weiterbetreiben – und zwar mit dem Steuergeld der Mittel- und Unterschicht; es wird ihnen auch nicht schaden, wenn Korruption, Missbrauch und illegale Handlungen in ihren Parteien festgestellt werden. Es geht gar nicht darum, Herbert Kickl nachzuweisen, dass er Nebeneinkünfte und Geschäftstätigkeiten nach dem Transparenzgesetz unvollständig oder unrichtig gemeldet hat. Für einen Demokraten reicht so viel aus: Ein »Volkskanzler« darf keine Nebeneinkünfte haben, weil auch das Volk keine hat.

Für Kickl – und dazu kommen die Banken, die die übermäßige Förderung der FPÖ und ihrer stets die Wahlkampfkostenobergrenze übersteigenden Kampagnen mitbetreiben – ist das »Volk« wie für Christoph Dichand etwas, das er selbst definiert und dem er keine Stimme lässt, sondern dem er seine Forderungen in den Mund legt. Doch man darf einen Faktor nicht vergessen: Wir Österreicher lieben unsere Ausbeuter. Sie sind Heilige und wo ihre Leistung war, wollen wir gar nicht wissen. Es gibt auch keine.

Heiligsprechung und Salbung

Es ist nicht zu erwarten, dass die Betrachtung der Wirklichkeit das Wahlverhalten verändern wird. Die Menschen lieben mehrheitlich ihre Ausbeuter, sie lesen in der Zeitung über sie, ihre Autos, ihre Treffen mit Promis, ihre Skandale. Die Heiligsprechung und Salbung eines »großen« Politikers geschieht in Österreich nicht nach Abwägung seiner Leistungen, sondern davor. Und so wurden Jörg Haider und Sebastian Kurz zu »großen« Politikern, zu »begabten« Politikern ernannt – auch von Qualitätsmedien. Diese Heiligsprechung kann nicht mehr korrigiert werden. Sie ist immerwährend.

Mit den großen Herausforderungen der Politik in der Gegenwart hat das alles nichts zu tun. Was in Österreich abläuft, ist eine Show, die keine überraschenden Höhepunkte bietet. Nun, da auch das öffentlich-rechtliche Medium parteipolitisch vereinnahmt wurde und die Grünen und die FPÖ in großer Einigkeit der ÖVP dieses Medium überlassen haben, ist auch dort nichts mehr zu erwarten. Wir sehen nur mehr seine demokratiefeindlichen Tätigkeit und Staunen, wie ihre Star-Moderatoren offen bei Wahlkämpfen auftreten.

Wenn man aber die Demokratie erhalten will, bleibt nichts anderes über, als gegen die zu kämpfen, die sie ausbeuten und gut von ihr Leben. Das ist ein zäher Kampf. Ein Kampf, der hoffnungslos erscheinen muss. Aber es ist der einzig richtige Kampf und schon kleinere Gruppen, die anfangs als chancenlose Minderheiten belächelt wurden, haben in der Geschichte darin Erfolge gefeiert.

Wer ein demokratisches Österreich möchte, muss den Kapitalismus bekämpfen, der so mächtig geworden ist, dass sich nicht nur Konzerne inzwischen Parteien und Medien kaufen, sondern neuerdings sogar Privatpersonen. Die Allmacht des Kapitals präsentiert sich immer ungenierter und in bestimmten Fällen geben ihre Vertreter sogar schon zu, die Demokratie als Staatsform abzulehnen. Womit wir bei einem düsteren Kapitel der Vergangenheit gelandet wären.

Für Demokraten unwählbar

Die Handlanger dieses Kapitals, die davon völlig abhängig sind und dafür ein paar Jahre Staatschef oder Minister spielen dürfen, sind im Grund lächerliche Figuren, die sich von Medien im Wahlkampfen groß machen lassen – doch auch das nur, weil sie dafür sehr sehr viel bezahlen.

Die ÖVP und die FPÖ sind für Demokraten unwählbar. Wollen sie demokratische Parteien sein, so müssen sie zurück an den Start. Die Geldgeber, die hinter ihnen stehen, sind brandgefährlich. Ihnen sind die Spitzenkandidaten und Personalfragen überhaupt egal. Sie haben investiert und wollen jetzt Geld sehen. Jedes Jahr mehr Geld. Und jedes Jahr muss der Zuwachs dieses Geldes höher sein als im Vorjahr.

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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