Montag, September 16, 2024

Sicherheitsrisiko „Kickl“, Teil 1: Aufräumen für die FPÖ

Als Herbert Kickl Innenminister war, hatten Rechtsextremisten, Islamisten und russische Geheimdienste wenig wie nie zuvor zu befürchten. Kickls Hauptopfer war die öffentliche Sicherheit Österreichs. Teil 1 einer ZackZack-Serie über den gefährlichsten Innenminister Europas.

„Herbert Kickl hat als Innenminister den damaligen Nachrichtendienst – das BVT – zerschlagen. Dabei war ihm der mutmaßliche russische Spion Egisto Ott behilflich.“ Seit dem 18. April 2024 steht das auf der Homepage der ÖVP.

Innenminister Gerhard Karner assistierte: „Herbert Kickl hat das BVT zertrümmert.“ ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker legte nach: „Herbert Kickl hat als Innenminister mit dem BVT den österreichischen Staatsschutz zerstört“.

Sie haben recht. Herbert Kickl hat als Innenminister in nur zwei Jahren den österreichischen Verfassungsschutz zerstört, 390 Quellen und 15 verdeckte Ermittler kompromittiert und einige von ihnen in höchste Gefahr gebracht. Rechtsextremisten und radikale Islamisten haben davon profitiert, die österreichische Sicherheit hat darunter schwer gelitten.

Am Ende der Ministerschaft „Kickl“ war das BVT international isoliert, von strategischen Informationen aus USA, Großbritannien, Frankreich und Italien abgeschnitten und auf den Augen für Rechtsextremismus und islamistischen Terrorismus blind.

Einer der wenigen, die 2019 noch bereit waren, die Zusammenarbeit mit Kickls Polizei zu pflegen, war Wladimir Putin.

In „Ostblock – Putin, Kickl und ihre ÖVP“ habe ich beschrieben, wie es Herbert Kickl gelang, zum gefährlichsten Innenminister Europas zu werden. Ab heute bringt ZackZack die wichtigsten Auszüge aus dem Kapitel, das Kickls Verwüstung der öffentlichen Sicherheit beschreibt.

Die ganze Macht für die FPÖ

2017 fiel eine folgenreiche Entscheidung: Die ÖVP bildete ihre zweite Regierung mit der FPÖ. Zum ersten Mal bekam die FPÖ Innenministerium und Verteidigungsministerium und damit Zugriff auf alle drei Geheimdienste: auf Heeresnachrichtenamt, Abwehramt und BVT. Die Verhandler der ÖVP wussten, wie nahe die FPÖ Rechtsextremisten im Inland und dem Regime von Wladimir Putin stand. Trotzdem lieferten sie ihr den Verfassungsschutz aus. Wenige Monate später zeigte Herbert Kickl als Innenminister, wozu er fähig war.

Herbert Kickl hat fast sein ganzes Berufsleben an einem Ort verbracht: in der FPÖ. Nur von 2017 bis 2019 hatte er einen Arbeitsplatz außerhalb der Partei und ihres Parlamentsklubs: als Innenminister.

Im Kabinett „Sebastian Kurz I“ war Kickl die Ausnahme. Im Gegensatz zu pflegeleichten Ministern wie Mario Kunasek in der Landesverteidigung, Beate Hartinger-Klein in der Gesundheit und Strache im Vizekanzleramt war Kickl nie auf Kurz-Linie.

Im Innenministerium machte Kickl deutlich, dass er als Einziger das Entscheidende von der ÖVP gelernt hatte: die Übernahme der ganzen Macht. Sein Ziel hatte nichts mit der Sicherheit Österreichs, aber viel mit der Sicherheit von ÖVP und FPÖ zu tun.

Bei der blauen Umfärbung seines Ressorts verfolgte Kickl einen klaren Plan. Als Erstes nahm er sich den Verfassungsschutz vor. Dabei sollte Egisto Otts „Führungsoffizier“ Martin Weiss eine wichtige Rolle spielen.

Aktion „Schmuckkasterl“

Ende 2017 war das BVT in einem bedenklichen Zustand. Mitarbeiter beschrieben im Parlament, wie in Partys im Kreis von Parteifreunden Dienstpflichten in immer höherem Maß vernachlässigt wurden. Einzelne Bereiche wie das Extremismusreferat hielten sich als Inseln professioneller nachrichtendienstlicher Arbeit. Ganze Bereiche wie der islamistische Extremismus und das Vordringen des Erdoğan-Geheimdiensts MIT waren im BVT „übersehen“ worden. Mitarbeiter konnten unkontrolliert Datenträger und Akten aus dem Amt mitnehmen und damit Geschäfte aller Art machen.

Als neuer Innenminister erkannte Herbert Kickl schnell, dass das BVT in höchstem Maße angreifbar war. Im Jänner 2018 bereitete Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber als Kickls ranghöchster Vertrauensmann den FPÖ-Sturm auf das BVT vor. Der Nachrichtendienst des Innenministeriums hatte von seiner Gründung an unter politischen Einflussnahmen gelitten. Bis zu Herbert Kickls Ministerschaft waren fast alle Schlüsselpositionen mit ÖVP-Vertrauensleuten besetzt worden. Jetzt wollte Kickl politisch aufräumen.

Der Angriff auf das BVT hatte zwei Ziele:

  • erkunden, was im Extremismus-Referat des BVT gegen die FPÖ-Spitze vorlag, um so die Gefahr für Strache, Gudenus & Co. erkennen und abwenden zu können;
  • das BVT selbst personell und politisch zu säubern und im Geheimdienst die Macht zu übernehmen.


Kickl gab dem Angriff einen Namen: Er wolle den Verfassungsschutz so aufstellen, „dass er international ein Schmuckkasterl wird“.

„Aufräumen“

Das Material für die Aktion „Schmuckkasterl“ lieferte das „Konvolut“, eine Zusammenstellung detailliert begründeter anonymer Anzeigen gegen ÖVP-Schlüsselfunktionäre im BVT. Vieles spricht dafür, dass mindestens vier Autoren am „Konvolut“ mitgewirkt haben. Egisto Ott und Martin Weiss werden verdächtigt, zwei von ihnen gewesen zu sein.

Die Aktion startete mit der Initiative eines Anwalts. Jahrelang war der SPÖ-nahe Rechtsanwalt Gabriel Lansky im Fadenkreuz der ÖVP gestanden. Anfang Jänner 2018 versuchte er den Gegenschlag und lieferte BMI-Generalsekretär Peter Goldgruber eine Kopie des Konvoluts. Aussagen bestätigen, dass Innenminister Kickl seinem Generalsekretär daraufhin einen Auftrag erteilte: mit dem Konvolut zur Staatsanwaltschaft zu gehen und dort schwarze Spitzenbeamte in BMI und BVT anzuzeigen.

Kickl selbst hatte das Konvolut schon Monate vor seinem Wechsel in die Regierung erhalten. Damals, als Abgeordneter der Oppositionspartei FPÖ, ließ er es liegen. Nach Kickls Angelo- bung am 17. Dezember 2017 entdeckte sein Team schnell, welche Möglichkeiten das Konvolut bot. Kurz darauf wurde die „Aktion BVT“ gestartet.

Am 19. Jänner 2018 übergab Goldgruber das Konvolut WKStA-Staatsanwältin Ursula Schmudermayer. Später hielt sie in einem Aktenvermerk fest, dass Goldgruber von Kickl den Befehl, im BMI „aufzuräumen“, erhalten habe.

Dann begann die FPÖ-Jagd auf die Ermittler des BVT. Dazu mehr am Montag in Sicherheitsrisiko „Kickl“ Teil 2: Jagd auf die Ermittler.

Das Buch zur Kickl-Serie gibt es hier im Zack-Shop.

Titelbild: Christopher Glanzl / ZackZack

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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