Montag, September 16, 2024

“Sicherheitsmängel”: Wiener Polizei erwägt Unterstützung durch private Securities

Am Wiener Verkehrsamt kommt es immer wieder zu brenzligen Zwischenfällen. Interne Berichte sprechen von Sicherheitsmängeln, das Gebäude sei “löchrig wie Schweizer Käse”. Überlegt wird sogar, mangelndes Polizeipersonal durch private Securities zu ersetzen.

Donnerstags vor zwei Wochen war es mal wieder so weit – am Wiener Verkehrsamt im dritten Gemeindebezirk gingen die Wogen hoch: Wie ZackZack erfuhr, wurde ein 69-Jähriger gegenüber einer Amtsärztin aggressiv. “Ich kann einen derartigen Vorfall bestätigen”, teilt ein Sprecher der Wiener Polizei mit.

Wie Recherchen zeigen, kommt es am Standort der Dietrichgasse 27 – der größten Kraftfahrzeugbehörde Österreichs – immer wieder zu derartigen, sicherheitsrelevanten Vorfällen. Im Schnitt einmal pro Monat, so heißt es aus gut informierten Kreisen, müssten zusätzliche Polizeistreifen angefordert werden, um Eskalationen in den Griff zu bekommen. Dabei handelt es sich beim Verkehrsamt selbst um eine von der Polizei geführte Behörde, an der auch Exekutivkräfte anwesend sind – zumindest in der Theorie.

Denn schon vor über zwei Jahren stellten interne Prüfungen “teils gravierende Sicherheitsmängel” an dem Standort fest, wie es in ZackZack zugespielten Berichten heißt. Es gebe zu wenig Personal, das angemietete Gebäude sei räumlich ungeeignet, so der Tenor – dabei war man erst 2017 feierlich an die neue Adresse umgezogen. Zwischenzeitlich sorgt nun ein ungewöhnlicher Vorschlag für Wirbel: Man könnte sich privater Securities bedienen, um die Sicherheit der eigenen LPD-Stelle zu gewährleisten.

“Sicherheitsmängel” seit 2022 nicht behoben?

Begonnen hat der Zwist im Frühjahr 2022. Damals erstellten Beamte der Sicherheits- und Verwaltungspolizeilichen Abteilung, des Landesamtes für Verfassungsschutzes und der Abteilung für Grundsatzangelegenheiten ein neues Sicherheitskonzept. Der Grund: Mitarbeiter des Verkehrsamtes hätten sich zuvor immer wieder bedroht gefühlt, auch eine neue Dienstanweisung zur “Gebäudesicherheit” wurde ausgegeben.

Der Befund war kein guter: Es gebe zu wenig Polizeipersonal vor Ort, um teils gewalttätige Zwischenfälle lösen zu können; eine Kontrolle des Eingangsbereich sei nicht möglich, da sich in den Gebäuden auch allerlei Anwohner, Kunden von Geschäften oder Besucher eines privaten Fitnesscenters tummeln würden. “Übereinstimmend wurde mehrfach festgestellt, dass das Gebäude Dietrichgasse ‘löchrig wie Schweizer Käse ist’ und dass sich dieses Gebäude für die Unterbringung des Verkehrsamts als hächst ungeeignet erweist”, heißt es in einem Bericht vom Februar 2024. Gelöst seien Probleme laut dem Bericht bis heute nicht.

Logistikabteilung schlägt Einsatz privater Securities vor

Adressiert ist der Unmut aus dem Verkehrsamt vor allem in Richtung Logistikabteilung (LA) und dem Referat für Strategie und Entwicklung (A1). Erstere war in den Jahren 2016 federführend in die Anmietung des aktuellen Gebäudes eingebunden. Und von dort konterte man mit bemerkenswerten Lösungsvorschlägen: “Zur Durchsetzung der Hausordnung” im Verkehrsamt könnte man einen privaten Sicherheitsdienst engagieren, werden die Abteilungen LA und A1 im April zitiert. “Gleichzeitig soll das Personal dieser privaten Einrichtung ein polizeiliches Einsatztraining durchlaufen und der Dienst- und Fachaufsicht der LPD unterstellt werden.”

Im Verkehrsamt stößt der Vorschlag auf Unverständnis: “Wenn private Sicherheitsunternehmen mit diesen Sicherheitskontrollen beauftragt werden, so werden diese Unternehmer als Verwaltungshelfer tätig. Die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt (insb. zur Durchsetzung von Wegweisungen) ist jedoch ausnahmlos den Organen des öffentlichen Sicherheitsdientes vorbehalten.” Man ortet verfassungsrechtlichen Widerspruch, die gegenwärtige Situation würde wiederum dem Sicherheitspolizeigesetz und dem darin enthaltenen Schutz von Amtsgebäuden widersprechen und Handlungsbedarf setzen.

Auch einige altbekannte Personen sind in die Unstimmigkeiten involviert. Kritische Berichte aus dem Verkehrsamt stammen teils aus der Feder von Udo Lett, der im Kabinett von Herbert Kickl werkte und im Zuge der BVT-Affäre eine fragwürdige Rolle spielte. Äußern will sich Lett zu den Berichten auf ZackZack-Anfrage nicht. Getragen wird die Kritik an den Zuständen aber nicht allein von Lett – die Mängel wurden auch vom Referatsleiter des Verkehrsamtes gezeichnet, das Sicherheitskonzept wie oben erwähnt mithilfe von LVT-Mitarbeitern ausgearbeitet.

ZackZack fragte bei der Pressestelle hinsichtlich der verorteten Missstände nach. “Es handelt sich bei den Schriftstücken um interne Stellungnahmen, die teilweise persönliche Meinungen widerspiegeln, die so seitens der LPD Wien nicht bestätigt werden können”, beschwichtigt eine Sprecherin. Und weiter: “Es werden laufend Evaluierungen aller polizeilichen Dienststellen durchgeführt, um sicherheitsrelevante Verbesserungen herbeizuführen.” Einige Maßnahmen, wie eine “elektronische Terminvereinbarung” hätten Verbesserungen gebracht, andere seien aufgrund baulicher Begebenheiten nicht in Frage gekommen. Auf die Frage nach dem möglichen Einsatz privater Securities, und wie weit diese Pläne fortgeschritten seien, ging man nicht ein.

Warum wurde Gebäude angemietet?

Im Jänner 2017 herrschte in der Führung von LPD und BMI angesichts des Umzugs jedenfalls große Vorfreude. Zur Eröffnung des neuen Verkehrsamtes musizierte ein uniformiertes Bläserquartett, auch Innenminister Wolfgang Sobotka und Polizeipräsident Gerhard Pürstl ließen sich den Termin nicht entgehen.

Der neue Standort werde “eine Steigerung der Servicequalität für alle Wienerinnen und Wiener bringen und modernen Anforderungen gerecht werden. Mit der CA Immo als kompetentem Partner in Immobilienangelegenheiten erwarten wir eine erfolgreiche Projektumsetzung”, lobte Michaela Kardeis, damalige Vizepräsidentin der LPD Wien, im Vorfeld.

Und was sagen die Besucherinnen und Besucher heute? Ein Blick in die Google-Rezensionen des Amtes zeugt nicht gerade von Begeisterungsausbrüchen: “Ein Albtraum” oder “ein schlechter Witz einfach” lauten dort etwa die wenig netten, neuesten Bewertungen. “Scheinbar ist die Vermittlung maßlos überfordert und ebenso das Verkehrsamt…Zitat: Es ist reine Glückssache ob sie durchkommen”, eine weitere. Freilich: Repräsentativ sind solche Rezensionen nicht, im Vergleich zu Bewertungen bei anderen Wiener Ämtern macht sich beim Verkehrsamt aber ein hohes Mitteilungsbedürfnis, im negativen Sinne, bemerkbar.

ZackZack wollte von der LPD wissen, warum man 2016 einen Auszug aus dem alten Gebäude Nähe Spittelau wählte. “Der Umzug in die Dietrichgasse erfolgte aufgrund benötigter Raumressourcen, das alte Verkehrsamt wurde durch das Bundeskriminalamt in Anspruch genommen wurden”, heißt es. Auf die Frage, ob der aktuelle Standort im Vorfeld einer Überprüfung hinsichtlich der Gebäudesicherheit unterzogen wurde, gab es jedoch keine Antwort.

Autor

  • Thomas Hoisl

    Ist seit April 2024 bei ZackZack. Arbeitete zuvor u.a. für "profil". Widmet sich oft Sicherheitsthemen oder Korruptionsfällen.

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