Mittwoch, September 18, 2024

Bierpartei schaumgebremst: Fehlen am Ende Promille?

Demotivierte Medienauftritte, schwächelnde Umfragewerte – hat der Hype um Dominik Wlaznys Bierpartei sein Ende?

20.000 neue Mitglieder seien erforderlich, um bei den Nationalratswahlen anzutreten. Mit dieser Vorgabe startete Turbobier-Chef und Frontman Dominik Wlazny im Jänner in das heurige Wahljahr. Monate später war die Ankündigung irgendwie vergessen, offenbar reichte auch die Hälfte der Mitglieder – man landete bei etwa 10.000 – um das Projekt Nationalratswahl in Angriff zu nehmen. Man könnte die Episode wohl als erstes Anzeichen dafür werten, dass der Hype um die Bierpartei seine Grenzen hat. Und, dass es der charismatische Anti-Politiker Wlazny mit Ankündigungen mitunter so situationselastisch hält, wie manch alteingesessener Berufspolitiker.

Je näher die Wahl nun rückt desto mehr macht sich angesichts der Bierpartei-Performance jedenfalls Ernüchterung breit: Wlaznys jüngster Auftritt bei der ORF-Runde der Kleinparteien war kein Glanzstück, der Parteichef wirkte unmotiviert und unvorbereitet. Vielleicht erklärt das, warum der Spitzenkandidat zuvor wichtige Medienaufritte in der ZIB2 und bei Puls4 kurzerhand sausen ließ.

Auch die Umfragewerte zeigen Dämpfer, zumindest mit einem Blick auf die Daten des APA-Wahltrends: Wurde Wlaznys Partei über das Frühjahr hinweg konstant mit Werten über 5 Prozent bis 6,5 Prozent gehandelt, lag sie zuletzt immer öfters zwischen 4 und 5 Prozent. “Es fehlt noch an belastbarer Evidenz”, sagt Wahlforscher Christoph Hofinger zu ZackZack. “Allerdings zeigen historische Vergleiche – etwa Stronach 2013 – dass im Wahlkampf-Finale neue Parteien an Boden verlieren können.” Hat der Hype um die Bierpartei sein Ende? ZackZack analysiert.

Kein inhaltlicher Schwerpunkt

Zunächst zum häufigsten Kritikpunkt: Es fehle an Gründen, wofür man der Bierpartei inhaltlich überhaupt seine Stimme geben sollte. Dass es ein programmatisches Alleinstellungsmerkmal gebe, verneint Experte Hofinger: “Ihr Alleinstellungs-Merkmal besteht auf der Inszenierungs-Ebene, als die gelassen-zuversichliche Anti-Establishment-Partei.” Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik pflichtet bei: “Am ehesten ist das Alleinstellungsmerkmal, dass es kein Thema gibt, das klar mit der Partei in Zusammenhang gebracht wird oder von der Partei eindeutig als Kernthema propagiert.”

Selbst beim Thema Gesundheit – Wlazny ist ausgebildeter Arzt – fehlt es an innovativen Konzepten, die man nicht auch bei anderen Parteien findet. Ähnlich wie die Grünen wünscht sich der Musiker etwa einen Ausbau der Primärversorgungszentren und finanzielle Anreize für Vorsorgeuntersuchungen. Um junge Medizinabsolventen in Österreich zu halten, soll die Ausbildungszeit verkürzt werden und mehr Betriebskindergärten errichtet werden.

Die Standpunkte beim Thema Wohnen und Mieten ähneln stark dem Kurs der SPÖ, beim Dauerthema Migration setzt die Partei auf Altbekanntes: Deutschkurse und eine gerechtere Aufteilung von anerkannten Asylanten. Auch bei anderen Themen, wie etwa der Bildung und der Wirtschaft, fehlt es der Partei an inhaltlicher Tiefe oder Alleinstellungsmerkmalen. Auf Wahlkabine.at hat sich Wlazny gegen Erbschaftssteuern ausgesprochen und vertritt damit die Position der NEOS, ÖVP und FPÖ.

Das inhaltliche Hauptaugenmerk der Wlazny-Truppe gilt der immer wieder betonten “Entpolitisierung der Politik”. So wünscht sich die Bierpartei beispielsweise “Eignungstests für Minister:innen”, bei denen Experten und Oppositionsparteien mitzureden haben. Ähnliches forderten 2017 schon NEOS. Dass das Vorschlagsgrecht für Ministerämter bei den Regierungsparteien bleibt, wird die “Entpolitisierung der Politik” nicht vorantreiben. Kernanliegen ist der Bierpartei auch die Schaffung eines “Zukunftsministeriums”. Dieses von Experten und Wissenschaftlerinnen besetzte Ministerium soll überparteilich agieren und seinen Blick auf Zukunftsfragen richten. Es soll nach Wahlen nicht neubesetzt werden.

Partei als Familienunternehmen?

In der Öffentlichkeit ist die Bierpartei stets darum bemüht, sich als Bewegung zu stilisieren, die den einfachen Bürgern des Landes Mitspracherecht in der Gestaltung des Landes übergeben will. Doch in der eigenen Partei haben die rund 10.000 Unterstützer nicht viel mitzureden. Denn der vierköpfige Vorstand trifft die wichtigsten Entscheidungen allein. Dieser ist fest in der Hand der Wlaznys: Neben Dominik Wlazny sitzt auch dessen Vater Michael Wlazny im Vorstand und ist auch Geschäftsführer der Partei. Komplettiert wird der Vorstand von einem Kassier und einem Schriftführer. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende Dominik Wlazny – ein Konstrukt, das Politkwissenschaftler Ennser-Jedenastik im Profil als “Tendenz zur Oligarchie” bezeichnete.

Immer wieder ist vom enormen Einfluss Michael Wlaznys auf dessen Sohn die Rede. Wie Dominik Wlazny – alias Marco Pogo – ist auch der Vater Geschäftsführer eines Getränkeunternehmens. Sein aphrodisierender Drink Yxaiio steckt laut Firmenbuch allerdings in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Zuletzt gab es für die Yxaiio GmbH Bilanzverluste in Millionenhöhe.

Wlazny an der Kippe

Angesichts der Vier-Prozent-Hürde wird es knapp. Ihren schillerndsten Erfolg feierte die Bierpartei bislang bei der Bundespräsidentenwahl 2022 – Dominik Wlazny erreichte damals 8,3 Prozent. Doch damals ging es um eine reine Personenwahl, bei der Nationalratswahl spielen Themen eine wesentliche Rolle; SPÖ, Neos und gewissermaßen auch die Grünen (mit denen es inhaltliche Überscheidungen gibt) stellten damals zudem keine Kandidaten. Bei echten Parteiwahlen war die Ausbeute bislang jedenfalls mager – 1,8 Prozent bekam man 2020 bei der Wien-Wahl; 0,9 Prozent bei der Nationalratswahl 2019, wo die Partei nur in der Hauptstadt antrat und mit Flächenbezirke wie Simmering oder Donaustadt auch ihre Hochburgen hat.

Angenommen wird jedenfalls, dass die Bierpartei vor allem der Konkurrenz links der Mitte schadet, obwohl die Datenlage noch keine ausreichenden Schlüsse zulässt. “Tendenziell war bei der BP-Wahl 2022 die Sympathie für Dominik Wlazny bei SP-Anhänger:innen höher als bei jenen von ÖVP und FPÖ. Daher schadet sie von den größeren Parteien am ehesten der SPÖ. Aber die Datenlage ist nicht so, dass ich da sehr viel drauf wetten würde”, sagt Politologe Ennser-Jedenastik.

Sollten es Kleinparteien wie die Bierpartei – diesmal gibt es mit KPÖ, KEINE und LMP eine ganze Reihe – letztlich nicht ins Parlament schaffen, könnten viele Stimmen auf der Strecke bleiben und Zweierkoalitionen begünstigen. Soll heißen: Auch Blau-Schwarz hätte es wohl komfortabler.

Autoren

  • Daniel Pilz

    Redakteur bei ZackZack. Studierte Philosophie an der Uni Wien und schreckt auch vor komplexen Themen nicht zurück.

  • Thomas Hoisl

    Ist seit April 2024 bei ZackZack. Arbeitete zuvor u.a. für "profil". Widmet sich oft Sicherheitsthemen oder Korruptionsfällen.

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