Österreichs Presse ist vom Jahrhunderthochwasser, das alle 11 Jahre wiederkommt, überrascht. Ausfälle und Absagen führen zu einem Hochwasserlockdown in Österreich. In Sondersendungen wird berichtet, wie die Auswirkungen des Klimawandels aussehen. Seine Ursachen werden nicht erwähnt.
Es ist seltsam, dass österreichische Politiker und Medien das Wort Lockdown nicht mehr verwenden, weil sie glauben, dass es bei der Mehrheit unbeliebt ist. Denn es ist gerade wieder Lockdown – Hochwassserlockdown. Es heißt Jahrhunderthochwasser, weil es alle 11 Jahre wiederkommt. Und es regnet Absagen. In Österreich liebt man Absagen. Kaum schneit es im Winter, regnet es im Herbst oder ist es im Sommer heißt, fahren die Züge der ÖBB nicht oder verspätet. Der Hochwasserlockdown lässt sogar den Wahlkampf stillstehen, damit die Regierenden davon profitieren.
Klaus Knittelfelder in Die Presse:
Die für Montag angesetzten ORF-Duelle zwischen Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sowie zwischen Babler und FPÖ-Chef Herbert Kickl werden auf Freitag verschoben. „Der Wahlkampf hat jetzt Pause, alle unsere Energie und Aufmerksamkeit gehören dem Katastrophenmanagement und der Hilfe für die Betroffenen“, sagte Nehammer. Er sagte laut Kanzleramt „alle für Anfang der Woche geplanten Medientermine im Zusammenhang mit dem Wahlkampf“ ab. Stattdessen sieht man die heimische Spitzenpolitik im Unwettereinsatz: Nehammer traf sich am Wochenende mehrfach mit dem „Staatlichen Krisen- und Katastrophenmanagement“ im Innenministerium. Er sei mit allen Landeshauptleuten in Kontakt, erklärte der Kanzler, und er bedanke sich bei allen Helfern.
Was Knittelfelder nicht dazusagt: Dass man gerade in Niederösterreich sieht, wie verheerend das Nichts-Tun gepaart mit der glatten Leugnung der Ursache häufiger Hochwasserkatastrophen ist. Von fachfremden und korrupten Baugenehmigungen, über mangelnde Schutzmaßnahmen, bis zum »Festhalten am Verbrenner«, der »Dieselprämie« und dem Wahnsinn des Flugverkehrs mit unbesteuertem Kerosin zieht sich die wahre Katastrophe hirnloser und zukunftsfeindlicher Poltik, die uns regiert. Mit Tränen in den Augen beweint man dann die Katastrophe, während man den Regierenden ansieht, wie sie in Wahrheit nur auf ein besseres Wahlergebnis schielen. Fürs Nichts-Tun erwarten sie mehr Stimmen.
Wie die Kronen Zeitung berichtet, gibt sogar der Niederösterreischische Landeshauptfrau-Stellvertreter Stellungnahmen ab:
Das Land sei „im Katastrophenmodus“, sagte LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) ebenfalls am Sonntagabend. „An etlichen Flüssen wurde der hundertjährliche Hochwasserpegel erreicht oder sogar weit überschritten.“ Die Abflussspitzen an der Donau würden „in den nächsten Stunden erwartet“. Trotzdem könne keine Entwarnung gegeben werden, denn auch für die kommenden 48 Stunden seien „bis zu 60 Liter Regen pro Quadratmeter und für Montagvormittag besonders starke Niederschläge prognostiziert“.
Und die Zeitung Österreich berichtet vom Aufstellen von WC-Containern in St. Pölten:
In Pottenbrunn, einem Stadtteil von St. Pölten, fiel nach Überflutungen die Abwasserentsorgung großteils aus. In der Nacht auf Montag wurden daher fünf mobile WC-Containeranlagen in Betrieb genommen.
Der ORF bringt Sondersendungen zum Thema Hochwasser. Schade, dass es keine Sondersendungen zum Schmelzen von Eisbergen, über das Stiegen der Meeresspiegel und über dreispurig von LkW, die sich auf Leerfahrten befinden, befahrene Autobahnen gibt. Und zwar täglich.
Österreich ist das Land, in dem man die großen Zusammenhänge beiseite lässt, um immer wieder von den gleichen Dingen überrascht zu sein. Bekanntlich gibt es in unserem Land nur Opfer und keine Täter. Höchstens Wohltäter. Aus diesem Grund läuft die Aktion Österreich hilft Österreich.
Pius Strobl, der ORF-Leiter von Österreich hilft Österreich sagt laut ORF.AT:
„Jetzt geht es darum, dass schnell geholfen wird, weil schnelle Hilfe in dieser Situation für Tausende betroffene Familien von besonders großer Bedeutung ist.“ Jeder Euro sei wichtig, und „unsere Partnerorganisationen garantieren mit dem ORF dafür, dass jeder Cent dort ankommt“, wo er gebraucht werde.
Und am 29. September hilft Österreich dann sich selbst, in dem die Hälfte seiner Bevölkerung Parteien wählt, die den Klimawandel leugnen. (Die anderen, die ihn nicht leugnen, haben jetzt keine Zeit, denn sie müssen sich um die Auswirkungen des Klimawandels kümmern und können deshalb seine Ursachen nicht bekämpfen.)
Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com