In der Flutkatastrophe hat die ÖVP wichtige Medien für den Wahlkampf verloren. Nur Österreich und Die Presse schwimmen brav mit.
Nach der verheerenden Flutkatastrophe der vergangenen Tage beginnt langsam die politische Aufarbeitung. Während das Land in weiten Teilen Gemeinschaftssinn, Hilfsbereitschaft und Geschlossenheit demonstrierte, ruhte der Wahlkampf der Parlamentsparteien von Samstag bis Dienstag. Nach dem Abklingen der Katastrophe werden aber vor allem zwei Themen stärker in den medialen Fokus rücken, die in Qualitätsmedien bereits diskutiert werden: Renaturierung und Klimawandel, sowie die politischen Standpunkte der Parteien dazu.
Auch in Boulevardmedien kommt das Thema Klimawandel langsam an, am zögerlichsten noch bei Wolfgang Fellners Österreich. Die Krone hingegen rückt seit Montag das Versagen der Parteien beim Klimawandel verstärkt ins Zentrum.
Klimawandel verschärfte Extremwetter
Die Wissenschaft ist sich einig: Ohne das Ansteigen der Temperaturen durch den menschgemachten Klimawandel hätte es die massiven Regenfälle zwar trotzdem gegeben, sie wären aber weitaus schwächer ausgefallen. Das konnte man übers Wochenende nicht nur im ORF hören, bei dem Meteorologe Manuel Oberhuber erklärte, warum die stärkere Verdunstung in den Meeren aufgrund der Erderwärmung zur Explosion der Regenmengen geführt hatte. Zahlreiche Medien des Landes beleuchteten den Zusammenhang zwischen der menschgemachten Erderwärmung und den Rekordregenfällen.
Noch am Mittwoch vergangene Woche, waren im Staatsfunk andere Töne zu hören. Christa Kummer war in der ZIB1 vom 11. September bemüht, den Klimawandel aus der einsetzenden Hochwasserkatastrophe herauszuhalten. Das Ganze sei „Wetter, nicht Klima“, betonte sie.
Politik und Klimawandel
Bis auf Österreich thematisieren alle Medien des Landes mittlerweile die Rolle des Klimawandels beim zerstörerischen Hochwasser, das laut derzeitigem Stand in Österreich fünf Todesopfer gefordert hat. Auch die politischen Folgen davon blieben nicht unerwähnt. „Welche Auswirkungen hat das Hochwasser auf die Nationalratswahl?“, fragte etwa der Kurier am Dienstag.
Wenn im Laufe der Woche noch die Schäden der Katastrophe abgeschätzt werden, wird vor allem eine andere Frage entscheidend sein: Welche Parteien haben sich in den letzten Jahren in Klima- und Umweltschutz hervorgetan? Und welche haben das Thema beiseite gewischt, verharmlost oder geleugnet?
Die politische Klimawandelfrage wird in den meisten Medien noch nicht gestellt. Bisher beschränken sich die Beiträge auf zögerliche Analysen, welche Parteien von den Folgen des Hochwassers am meisten profitieren könnten und welchen Parteien das Ereignis am stärksten schaden wird. Im Kurier-Podcast wurde am Dienstag die fehlende Klimapolitik der FPÖ unterstrichen. Die bremsende Haltung der ÖVP wurde hingegen nicht erwähnt.
Insgesamt herrscht über die politische Einstellung der Parteien in Klimafragen noch weitgehend Stille. Eine Ausnahme war schon am Wochenende Wiener Zeitung und Der Standard. Er titelte: „Österreicher wählen Klimaleugner, auch wenn sie dabei untergehen“. Im ORF war auch am Dienstag noch weitgehend Innenpolitik-Pause.
„Inszenierung, Instrumentalisierung“: Angst vor Politisierung
Gerade die Attacken in Richtung Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) bei der Renaturierung könnten sich für ÖVP und FPÖ als massives Eigentor erweisen. Während die Krone einerseits in Person von Kurt Seinitz, der den Klimawandel am Montagabend als „Mutter aller Probleme“ bezeichnete, bereits auf verfehlte Klimapolitik hinwies, wurde Andreas Bablers Einsatz als Feuerwehrmann in dessen Heimatgemeinde Traiskirchen andererseits als „Inszenierung“ abqualifiziert.
Bei Nehammers Krisenstabsleitung sah die Krone dagegen keine Inszenierung. Die Presse-Innenpolitikleiter Oliver Pink hielt der ÖVP die Stange und deutete das Thema am Montag zur „Instrumentalisierung“ um: „Bislang war das Klima kaum Thema, nun ist es eines, auch in Sachen Renaturierung werden sich die Grünen bestätigt fühlen. Hier wiederum könnte die ÖVP, vor allem aber die FPÖ, wegen ihrer defensiven Haltung beim Klimaschutz unter Druck geraten. Die SPÖ wird diese Gelegenheit wohl auch kaum auslassen. Am besten wäre es jedoch, von politischer Instrumentalisierung Abstand zu nehmen.“
Die kommenden Tage werden zeigen, ob Österreich über die Ursachen der dramatischen Unwetterkatastrophe spricht und die Klimapolitik der Parteien unter die Lupe nimmt, oder ob die politische Aufarbeitung von ÖVP-affinen Stimmen als „Instrumentalisierung“ oder Inszenierung aus der öffentlichen Debatte verbannt wird. Oliver Pink von Die Presse wünscht sich wie die ÖVP einen schnellen Themenwechsel: „Es gibt – auch wenn sich das für die Betroffenen derzeit nicht so darstellen wird – noch andere Themen, die für die Zukunft von Land und Leuten bedeutsam sein werden.“
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