Samstag, Oktober 12, 2024

Die Schnurrhaare der Kronen Zeitung

Mit ihrem untrüglichen Gefühl für die Leserschaft hat die Krone sofort erkannt, was politisch im Hochwasser passiert ist. Der SPÖ scheint dieses Gefühl zu fehlen.

Mit ihren Schnurrhaaren nehmen Katzen feinste Luftströme wahr und können so Möbel, Hindernisse oder Beute auch mitten in der Nacht erspüren. Als einzige Zeitung verfügt die Kronen Zeitung über Schnurrhaare, die ihr die feinsten Regungen aus der Leserschaft melden.

Ab Samstag schlugen die Krone-Schnurrhaare Alarm. „Das, was jetzt alles zerstört ist, da brauchst du nicht mehr bauen.“ Johann Skoumal aus dem niederösterreichischen Judenau bei Tulln zeigte auf Puls 24, wie die Stimmung der Krone-Leser kippte: „Ich bin ja normalerweise ein Blauer, aber da haben sie recht, die Grünen.“

In großen, überraschenden Krisen stehen regierungsnahe Zeitungen von Graz bis Wien vor einer unüblichen Frage: Regierung oder Leser? Im Regelfall ist die Kronen Zeitung die Erste, die von der ÖVP zu den Menschen schwenkt.

Schnurrhaarlose Presse

Andere wie Die Presse haben keine Schnurrhaare. Für sie scheint der Pegelstand immer „ÖVP“ anzuzeigen. Die Presse-Steuermann Oliver Pink wusste sofort, dass in der Flutkatastrophe nichts für die ÖVP zu holen war. Seine Lösung ist einfach: Themenwechsel.

Im Gegensatz zu Die Presse sind Österreich und oe24 gut mit Schnurrhaaren bestückt. Aber die scheinen die Umgebung nur nach einem zu scannen: Inserate. Und wer weiß, wann Fleischmann und sein Bundeskanzler endlich auf die Idee, Regierungsinserate gegen die Flut zu schalten, kommen.

Politische Flut

Wird aus der Wasserflut eine politische Flut? Darum geht es heute im Nationalrat. Karl Nehammer gibt als Österreichs ranghöchster Klimaleugner im Plenum eine „Erklärung“ ab. Damit erreicht die Flut das Parlament. Die SPÖ leidet unter Schnurrhaarausfall. orf.at meldet zu den SPÖ-Plänen, den Kanzler mit einer Dringlichen Anfrage zum Hochwasser in Verlegenheit zu bringen: Die Partei kündigte aber an, darauf zu verzichten, ´damit es keine Wahlkampfsitzung werde´ so SPÖ-Klubchef Philip Kucher.“

Die Kronen Zeitung schert aus dem Nehammer-Gefolge aus, ÖVP und FPÖ sind schwer angeschlagen – und die SPÖ „verzichtet“ und überlässt Nehammer das Feld. Damit droht die Partei, die sich neben den Grünen für Klimapolitik stark macht, selbst zum Hochwasseropfer zu werden.

„Man könnte das falsch sehen.“ Wie oft habe ich das selbst als Begründung für einen spontanen Schwanzeinzug der SPÖ gehört. Jetzt ist es wieder so weit. Karl Nehammer nützt die Klimakrise, um sich als Steuermann ins falsche Licht zu setzen. Er riskiert Kritik, weil er gewinnen will. Die SPÖ fürchtet sogar heute das kleine Risiko der Kritik, wenn sie Flutkanzler und Sturmflutführer im Parlament zur Rede stellt.

Vielleicht erkennen SPÖ und Grüne, dass eine Abrechnung mit Hochwasserpolitikern wie Nehammer und Kickl nicht schlechtes Benehmen, sondern ihre politische Pflicht ist. Es ist hoffentlich noch nicht zu spät.


Titelbild: Screenshots krone.at / Montage (Bildanordnung) ZackZack

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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