Samstag, Oktober 12, 2024

Stenzel, Kickl, Nehammer: Sturmflutführer in Gummistiefeln

Parteiführer wie Nehammer und Kickl sind als Klimaleugner für die Flutkatastrophe politisch verantwortlich. Jetzt buhlen sie um die Stimmen der Opfer.

Besonders im Frühherbst gibt es Situationen, in denen Ursula Stenzel zum Sturm greift. Angesichts der Flutkatastrophe fällt es der Blauen dann wie Bierkapseln von den Augen: „Die Klimaideologen helfen in so einer Situation auch nicht. Die Sonne mit ihren Magnetstürmen lässt sich davon leider nicht beeindrucken! Aber vielleicht eine bessere Ansiedlungspolitik wäre sinnvoll!“

Das ist nicht die vereinzelte Ansicht einer verwirrten Sturmdrossel. Ursula Stenzel ist mit FPÖ und ÖVP auf einer Spur. Sie weiß:

  1. Das, was hier Häuser, Autos und Straßen wegspült, ist kein Klima, sondern ein Wetter.
  2. Extremes Wetter hat es immer gegeben, besonders dann, wenn es extrem war.
  3. Einmal gibt es Steinzeit, einmal Eiszeit, einmal Badezeit. Klimaänderungen sind etwas Natürliches, wie Steine, Eis und Bad.
  4. Dieses Tief ist wieder einmal aus dem Ausland gekommen.

Klimaleugner Nehammer

„Es gibt keine wissenschaftliche Basis für die apokalyptischen Fantasien zur Klimakrise.“ Das stammt von Karl Nehammer und ist in den letzten Tagen nicht gut gealtert. Nach Nehammer gibt keine wissenschaftliche Basis für die Realität im Kamptal, in St. Pölten und am Wienfluss, für stillgelegte U-Bahnen und ÖBB-Verkehr, für gesperrte Autobahnen und abgerissene Straßen, für Familien, die ihr Hab und Gut und für einen Feuerwehrmann, der sein Leben verloren hat.

Karl Nehammer ist ein Klimaleugner, wie Herbert Kickl und Ursula Stenzel. Er ist mit seinen beiden Parteien ÖVP und FPÖ für die Flutkatastrophe politisch verantwortlich. Da allerdings tritt sein stellvertretender Kabinettschef Daniel Kosak in den Ring: „Jeder weiß, dass Tempo 100 auf unseren Straßen nicht das Geringste an Unwetterereignissen ändern würde. Klimaschutz funktioniert nicht so trivial, dass man eine Maßnahme setzt und dann wird alles besser.“ Trivial-türkiser Klimaschutz funktioniert ganz anders: Man setzt keine Maßnahme.

Versuchen wir einmal dasselbe bei der Wirtschaftspolitik, wie sie in Nehammers „Österreichplan“ steht: „Jeder weiß, dass ein Ausbau der degressiven Abschreibung nicht das Geringste am Konjunkturverlauf ändern würde. Wirtschaftspolitik funktioniert nicht so trivial, dass man eine Maßnahme setzt und dann wird alles besser.“ Trotzdem will die ÖVP genau das umsetzen. Warum? Nehammer hat das in seinem TV-Duell mit Andreas Babler wie sein Mantra vorgebetet: Weil man nur mit einem „Mix an Maßnahmen“ Erfolg hat.

Wirtschaftspolitik unterscheidet sich auch da nicht von Umweltpolitik. Ein Bündel vieler einzelner Maßnahmen ergibt einen nationalen Plan. Wird daraus ein EU-Plan, steigt die Wirksamkeit schon auf ein Vielfaches. Aber genau das hat die ÖVP mit ihrem Njet zu Gewesslers Klimaplan blockiert. Eine ÖVP-Regierung zahlt lieber Milliardenstrafen als einen gemeinsamen Klimaplan zuzulassen.

Verblödet?

Damit stellt sich eine einfache Frage? Sind Nehammer, Kickl und Stenzel völlig verblödet? Die einfache Antwort lautet: Zumindest Nehammer und Kickl wissen genau, was sie tun. Diesmal waren Kanzler und Landeshauptfrauen frühzeitig gewarnt. Trotzdem wurde tagelang alles ausgesessen, weil man mit Maßnahmen wie rechtzeitigen Evakuierungen den Wahlkampf nicht stören wollte. Jetzt steht das Wasser vielen, die gar nicht mehr dort sein sollten, bis zum Hals.

Klimaleugner wie Nehammer und Kickl setzen auf ein Motiv: dass Wählerinnen und Wähler wollen, dass alles so bleibt, wie es ist -mit dem Auto mit 100/130 zum nächsten Einkaufszentrum und dann zurück in ein Haus in einer Umgebung, wo alles so ist wie immer, ohne fremde Nachbarn und fremde Kulturen; eine Familie, wo Mann, Frau und Kinder noch wissen, wo ihr Platz ist; im Winter Schifahren und im Sommer an einen Strand und später in Pension.

Quelle: Twitter, @speis_ooEs ist die Vorstellung von einem sicheren Leben, in dem sich nichts ändert. Das Versprechen, dass es mitten in der Klimakrise so weitergeht, ist eine politische Lüge. Kickl und Nehammer wissen, dass sie lügen. Aber sie wissen, dass sich damit immer noch ein politisches Geschäft ausgeht.

Duelle abgesagt

Jetzt werden ORF-Duelle abgesagt, aber warum? Gerade heute Abend wäre es spannend, wie Kickl Babler oder Nehammer Kogler erklärt, dass die Katastrophe nur Wetterpech war. Heute Abend wäre es für Nehammer und Kickl eng geworden. Aber an der Spitze des ORF hat man sofort gewusst, was zu tun ist. Wenn man schon die Überflutung mit Wasser nicht absagen kann, dann probiert man es zumindest bei der drohenden Überflutung mit Kritik.

Klimaleugner, die in Gummistiefeln zu Hochwasseropfern waten und sie dort um ihre Stimme angehen, sind wie Gewalttäter, die Frauenhäuser einweihen. Sie haben keinen Anstand und kein Gefühl für Verantwortung. Sie wollen nur die Posten, die Macht und das Geld.

Vielleicht wird jetzt, zwei Wochen vor der Wahl, eines klar: Österreich braucht keine Sturmflutführer, sondern Klimapolitiker.


Titelbild: Franz Essl/X

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

140 Kommentare

140 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Rechtsruck in Österreich

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!