Freitag, September 20, 2024

FPÖ fordert “Recht auf Bankkonto” – für Martin Sellner?

Die FPÖ will laut ihrem Wahlprogramm ein “Recht auf Bankkonto” umsetzen, das es im Grunde bereits gibt. Die schwammige Forderung dürfte vielmehr mit den Banken-Problemen des Identitären Martin Sellner zu tun haben.

Gleich nach den “strengen Strafen für Klimakleber” oder der “Entlastung für Pendler” fordert die FPÖ in ihrem Wahlprogramm etwas ziemlich Banales. Ein “Recht auf Bankkonto” soll in Österreich eingeführt werden, heißt es in einem eigenen Absatz auf Seite 18, der weiters lautet: “Der Ausschluss aus dem ökonomischen Leben stellt so etwas wie einen „zivilen Tod“ dar. Wer über kein Bankkonto verfügt und auch nicht die Möglichkeit hat, mit Bargeld zu zahlen, kann am ökonomischen Leben in keiner Weise mehr teilnehmen. Daher fordern wir ein Grundrecht auf ein Bankkonto.

Die Passage macht stutzig. Denn ein Recht auf ein Konto ist in Österreich eigentlich bereits verankert, wie auch Klaus Grubelnik, Sprecher der Finanzmarktaufsicht, gegenüber ZackZack festhält: “Es gibt in Österreich seit September 2016 – in Umsetzung einer EU-Richtlinie – einen Rechtsanspruch auf ein Basiskonto, umgangssprachlich „Jedermann-Konto“ genannt.” Ein Basiskonto also, das für grundlegende Aktivitäten wie Einzahlungen, Barbehebungen, Lastschriften oder Online-Zahlungen genutzt werden kann. Aus der schwammig gehaltenen FPÖ-Forderung ist allerdings auch nicht mehr herauszulesen.

Was also will die Partei mit der Ansage konkret bezwecken? Eine ZackZack-Anfrage bei der FPÖ blieb trotz Nachfrage auch nach mehreren Tagen unbeantwortet; offenbar kann oder will sich die Partei nicht zu ihrem eigenen Wahlprogramm äußern.

Kopf der Identitären feiert Initiative

Viel Applaus für genau diesen Absatz gibt es allerdings von Martin Sellner, führender Figur der Identitären Bewegung. In einem Video, das Sellner vor kurzem teilte, lobte er die Passage aus dem FPÖ-Wahlprogramm als “großartige Gesetzesinitiative”. Laut seiner Darstellung seien Sellner Dutzende Konten im In- und Ausland gekündigt worden. Gegen Sellner wurde über die Jahre unter anderem wegen Verhetzung, Terrorunterstützung oder Untreue ermittelt – gerichtlich verurteilt wurde er allerdings nie. Zuletzt sei laut dem Aktivisten auch sein Basiskonto bei der Volksbank gekündigt worden. Laut Angaben der Bank, die Sellner auf X verbreitete, soll er das Konto jedoch “wiederholt für unternehmerische Zwecke” genutzt haben – was einen legitimen Aberkennungsgrund darstellt.

In Wahrheit geht es Sellner aber gar nicht um das gesetzlich bereits verankerte Basiskonto, sondern um das Recht auf ein gewerbliches Geschäftskonto, wie er es auch in seinem Video erwähnt. Anscheinend weiß der Identitäre bereits, dass die FPÖ mit ihrer schwammig verfassten Initiative genau darauf abzielt: Es gehe der Partei um “ein Recht auf ein Geschäftskonto”, so Sellner, der hier offenbar über einen Insider-Informationsvorsprung verfügt.

Geht es um Geschäftskonten, herrscht allerdings Vertragsfreiheit. FMA-Sprecher Grubelnik dazu: “Jeder Bank steht es frei, selbst zu entscheiden, mit wem sie eine Geschäftsbeziehung eingehen oder aufrechterhalten will. Es bedarf keiner Angabe von Gründen. Man kann niemanden zwingen Geschäfte mit Dritten einzugehen.” Eine Sprecherin der BAWAG, die laut Sellner ebenfalls Geschäftskonten mit dem Identitären kündigte, teilt mit: “Ob und mit welchen Unternehmen wir eine Geschäftsbeziehung aufnehmen, ist eine geschäftspolitische Entscheidung. Wir unterliegen hier keinem Kontrahierungszwang.” Seitens der Erste Bank Group will man sich aufgrund des Bankgeheimnisses nicht zu Kontoschließungen äußern, hält lediglich fest: “Allgemein möchten wir anmerken, dass wir uns von jeder Form extremistischen Gedankenguts distanzieren.” Die Volksbank beruft sich auf das Bankgeheimnis und äußert sich zur Angelegenheit Sellner nicht.

Lex Sellner?

Also zurück zur FPÖ. Von ihr wollte ZackZack wissen, auf welches konkrete Problem und welche konkreten Fälle sich die Partei in ihrer knapp formulierten Forderung eigentlich bezieht – und ob Sellners Banken-Probleme den Absatz im Wahlprogramm beeinflussten. Eine Antwort blieb wie eingangs erwähnt aus. So muss angenommen werden, dass die FPÖ offenbar die Vertragsfreiheit von Banken ändern will – ein erstaunlicher Ansatz für eine wirtschaftsliberale Partei, die um konservative Wähler buhlt.

Außer Sellners Fall, der auf seinen Kanälen seit Jahren lautstark gegen Kontoschließungen trommelt, ist das von ihm bekrittelte “De-Banking” ein Kampfthema in der weit rechts stehenden Medienblase. So betrafen gewerbliche Kontokündiungen noch die Plattform AUF1, die der Verfassungsschutz rechtsextrem nennt, oder das von Identitären betriebene Medium “Heimatkurier”. Mit beiden wollten die österreichischen Banken offenbar keine Geschäftsbeziehungen fortführen. AUF1 wechselte daraufhin auf ein ungarisches Konto. Wenn die FPÖ mit dem “Recht auf Bankkonto” also eigentlich eine heimische Geschäftskontogarantie für identitäre Medienbetriebe schaffen will, sollte sie das ehrlicherweise so benennen.


Titelbild: Alex Halada/AFP

Autor

  • Thomas Hoisl

    Ist seit April 2024 bei ZackZack. Arbeitete zuvor u.a. für "profil". Widmet sich oft Sicherheitsthemen oder Korruptionsfällen.

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